Frage an Anja Quast von Susann A. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Quast,
mit großer Sorge nehme ich wahr, das es Kinder gibt die durch das Homeschooling nicht erreicht werden. Ursache sind meist Eltern welche nicht fähig oder willens sind sich darum zu kümmern das Ihre Kinder den Stoff zu Hause durch zu arbeiten.
Welche Möglichkeiten gibt es um dort einzugreifen oder fallen diese Kinder in Ihren jungen Jahren einfach runter?
Sehr geehrte Frau A.,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen gerne beantworten möchte.
Der Lockdown ist zweifelsohne eine große Belastung für die Schüler, aber auch die Eltern, der Spuren hinterlassen wird – nicht nur im Bereich der kognitiven, sondern auch in der sozialen Bildung.
Als Bildungspolitikern habe ich mich deshalb lange dafür eingesetzt, dass der Präsenzunterricht möglichst lange erhalten bleibt. Denn uns ist bewusst, dass beim Distanzunterricht das Lernen trotz aller Anstrengungen nicht die übliche Qualität haben wird, insbesondere, wenn man den Anspruch hätte auch zu Hause einen eins zu eins Unterricht wie in der Schule anzubieten und zeitgleich ein großer Teil der Schülerinnen und Schüler in der Schule betreut werden soll. Beides gleichzeitig kann kaum funktionieren.
Dennoch hat der Senat – auch unter Berücksichtigung der besonderen Lebenslagen der Familien – keine Schulschließung, wie in anderen Bundesländern, beschlossen, sondern es wurde die Anwesenheitspflicht aufgehoben, so dass die Eltern entscheiden können, ob ihre Kinder in der Schule oder im Fernunterricht von zu Hause lernen sollen. Die Schulbehörde plant auch weiterhin nicht, die Schulen komplett zu schließen. Und aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass die Schulleitungen und Lehrkräfte in den von Ihnen angesprochenen Fällen immer wieder darauf aufmerksam machen, dass die Schülerinnen und Schüler in die Schule kommen dürfen.
Für Schülerinnen und Schüler bedeutet der Distanzunterricht, Lernen unter erschwerten Bedingungen. Manchmal fehlen die technischen Voraussetzungen und auch die sozialen Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen zu Hause sind sehr unterschiedlich. In 26 Prozent aller Familien wird regelhaft kein Deutsch gesprochen. Oft müssen ältere Geschwister die jüngeren beaufsichtigen. Und viele Eltern können aufgrund ihrer Berufstätigkeit oder ihrer mangelnden Bildung nur begrenzt Hilfestellungen geben. Vor allem aber sind viele Kinder noch nicht in der Lage, allein und ohne die motivierende Ansprache von Pädagogen längere Zeit konzentriert zu arbeiten und zu lernen.
Eltern können den Schulunterricht weder ersetzen noch die Rolle einer Lehrkraft übernehmen. Ihre Aufgabe ist es, nach Möglichkeit, zu unterstützen und zu motivieren. Denn die inhaltlichen Aufgaben bekommen die Kinder von der Schule gestellt.
Der Distanzunterricht kann deshalb nur gelingen, wenn die Schule eine gute und enge Kommunikation und Begleitung der Schülerinnen und Schüler sowie angemessene Aufgabenstellungen sicherstellt.
Ziel ist es, den Schulbetrieb trotz Einschränkungen so zu gestalten, dass alle Schülerinnen und Schüler bestmögliche Bedingungen zur Entfaltung ihrer Potenziale erleben, unabhängig von ihren Lernvoraussetzungen und -möglichkeiten.
Um eine bestmögliche Kommunikation zu gewährleisten hat der Senat in einer Handreichung Eckpunkte ausgearbeitet, auf deren Grundlage jede Schule ein Lehrkonzept für den Distanzunterricht entwickelt hat. Diese Eckpunkte möchte ich hier in Stichpunkten skizzieren:
* Die entsprechende Kommunikation über Arbeitsaufträge soll in der Summe aller Schulfächer regelmäßig mehrmals in der Woche stattfinden.
* Bezogen auf die durchschnittliche Zahl der Schulstunden pro Woche kommunizieren die Fachlehrkräfte mindestens ein bis zwei Mal pro Woche in den zwei- oder dreistündigen Fächern bzw. zwei bis drei Mal pro Woche in den mehr als dreistündigen Fächern mit den Schülerinnen und Schülern.
* Die Kommunikation erfolgt beispielsweise über Email, über die schulische Lernplattform, über Videokonferenzen, wenn die technischen Voraussetzungen gegeben sind, oder über den regelmäßigen Austausch von Aufgabenblättern oder Arbeitsheften. Auf diese Weise soll jede einzelne Schülerin und jeder einzelne Schüler von jeder Fachlehrkraft pro Woche mindestens ein- bis zwei Mal kontaktiert werden.
* Darüber hinaus ist es notwendig, dass die Klassenlehrkraft oder eine andere Lehrkraft zusätzlich zur mehrmals pro Woche erfolgenden Kommunikation (s.o) die Schülerin bzw. den Schüler mindestens einmal in jeder Woche auch direkt kontaktiert, um in einem persönlichen Gespräch das Lernen, den Lernfortschritt und die allgemeine Lernsituation gemeinsam zu erörtern (telefonisch, per Skype oder im persönlichen Gespräch).
* Zusätzlich ist der Distanzunterricht so zu gestalten, dass die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit und Anregung bekommen, direkt miteinander zu kommunizieren, beispielsweise im Rahmen von gemeinsamen Arbeitsaufträgen.
* Bei der Kommunikation zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern sollen die Lehrkräfte darauf achten, dass sie nur solche Kommunikationswege nutzen, für die auf Seiten der Schülerin bzw. des Schülers auch die entsprechende Infrastruktur und die notwendigen Kompetenzen vorhanden sind.
* Verfügen Schülerinnen und Schüler nur über eine eingeschränkte technische Ausstattung (keinen Drucker, kein Internet, keinen Laptop oder kein Tablet), muss die Schule für die Kommunikation über digitale Medien geeignete Ersatzmaßnahmen sicherstellen. So können betroffene Schülerinnen und Schüler mit Leihgeräten aus dem Schulbesitz ausgestattet werden.
* Die Schülerinnen und Schüler bzw. ihre Sorgeberechtigten müssen dazu auch zu bestimmten Zeiten sicher persönlich telefonisch oder per Videokonferenztechnik erreichbar sein.
Die zentrale Herausforderung im Distanzunterricht besteht u.a. darin, das Lernen der einzelnen Schülerinnen und Schüler im Blick zu behalten und ggf. gezielt unterstützen zu können. Selbstverständlich sind auch die Sorgeberechtigten ihrerseits verantwortlich dafür, die Bedingungen für das Lernen zu Hause sicherzustellen, indem sie sich beispielsweise um die Einrichtung eines WLAN-Anschlusses kümmern sowie einen geeigneten Platz zum Lernen schaffen. Wer aber dazu nicht in der Lage ist, sein Kind beim Lernen zu Hause zu unterstützen, für den gibt es weiterhin die Option, sein Kind in die Schule zu schicken, sich beim Homeschooling von der Schule unterstützen zu lassen oder sich Hilfe beispielsweise bei den Erziehungsberatungsstellen https://www.hamburg.de/erziehungsberatung/ und den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) https://www.hamburg.de/rebbz/ zu holen.
Liebe Frau Ahlers, mir ist sehr wohl bewusst, dass alle diese Bemühungen von Seiten der Politik, der Schulbehörde und vor allem der einzelnen Schulen und auch der Eltern die Nachteile, die unsere Kinder und Jugendlichen durch die Corona-Pandemie in ihrem schulischem und auch ihrem sozialen Lernen haben, nicht ausgleichen können. ich setze mich daher nach wie vor dafür ein, Schulen und Kitas möglichst schnell wieder zu öffnen.
Außerdem setze ich mich für eine ganzheitliche Förderoffensive für unsere Kinder und Jugendlichen ein. Diese sollte sowohl kostenlosen Nachhilfeunterricht, eine gute Nachmittagsförderung, Förderangebote in den Ferien einerseits und andererseits auch Angebote für das soziale Lernen wie Ferienprogramme und aufsuchende Jugendsozialarbeit für jene Kinder und Jugendlichen, zu denen der Draht während des Lockdowns verloren gegangen ist, beinhalten. Ich habe hierzu zwei Antragsentwürfe geschrieben, die momentan in Abstimmung sind.
Die aktuelle Situation für die Familien ist schwierig, aber wir bemühen uns nach Kräften, um den Kindern und Jugendlichen in dieser Situation zu helfen.
Herzliche Grüße von Anja Quast