Sehr geehrte Frau Liebert, warum vereinbart die Ampel nicht, dass die Steuermehreinnahmen aufgrund der hohen Inflation direkt für den Ausbau der Erneuerbaren und des ÖPNV verwandt werden?
Die inflationsbedingten Steuermehreinnahmen könnten direkt in einen Fonds überführt werden, der z.B. einen festgelegten Prozentsatz des Einlagekapitals, z.B. 30 %, in Kommanditgesellschaften investiert, die den Bau von Anlagen, die den erneuerbaren Energien zuzuordnen sind, finanzieren. Das würde den Ausbau beschleunigen, würde die Energiepreise senken und wäre für den Staat zudem rentabel. Außerdem würde es helfen, die Inflation, die ja vor allem von den Energiepreisen getrieben wird, wieder zu senken. Weitere 30 % könnten z.B. in die Bildung fließen, die in Deutschland stark unterfinanziert ist und die noch unter den Nachwirkungen der Schulschließungen durch die Pandemiebekämpfung steht. Das deutsche Bildungsdesaster wird den Fachkräftemangel noch verschärfen und ist eines der größten Zukunftsprobleme Deutschlands. Das restliche Geld könnte man in den Ausbau des ÖPNV und in bezahlbare Ticketpreise investieren.
Sehr geehrter Herr K.,
besten Dank für Ihre Frage vom 29.10.2022 zur Verwendung von zu erwartenden Steuermehreinnahmen durch den Bund.
Es ist richtig, dass der Staat aufgrund der aktuell hohen Inflation mit höheren Steuereinnahmen rechnen kann. Denn wenn Waren teurer werden, steigen auch die Einnahmen aus den Steuern, die darauf zu entrichten sind. Allerdings hat die Bundesregierung etwa durch das Inflationsausgleichsgesetz Maßnahmen beschlossen, die diese Mehreinnahmen den BürgerInnen und Bürgern wieder zurück gibt. Darüber hinaus weist das Bundesfinanzministerium darauf hin, dass die Steuerschätzungen mit Blick auf die hohe Unsicherheit bezüglich der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung mit großer Vorsicht zu interpretieren sind.
Das bundesdeutsche Haushaltsrecht sieht den Haushaltsgrundsatz des "Gesamtdeckungsprinzips" vor. Demnach dürfen Steuern nicht zweckgebunden sein: Jeder Steuer-Euro fließt unabhängig von der Steuerart in die Gesamtmasse des Haushalts, aus dem wiederum alle Ausgaben finanziert werden. Denn alle Einnahmen im Etat müssen zur Finanzierung aller Ausgaben dienen.
Der Bundeshaushalt wird in der Regel jährlich vom Parlament neu für das Folgejahr beschlossen. Das Etatrecht wird daher völlig zu Recht auch als "Königsrecht des Parlaments" bezeichnet.
Vor diesem Hintergrund verbietet es sich, Steuereinnahmen des Bundes mehrjährig automatisch zweckgebunden zu vergeben. Ausnahmen sind dabei so genannte Verpflichtungsermächtigungen. Mit diesem Ausnahmetatbestand - gebunden an eng gefasste Ausnahmekriterien - ermächtigt das Parlament die Exekutive/ die Bundesregierung, im Rahmen eines Haushaltsplans finanzielle Verpflichtungen über ein Haushaltsjahr hinaus einzugehen.
Für den Ausbau der Erneuerbaren Energien ("Energetische Stadtsanierung - Klimaschutz und Klimaanpassung im Quartier" etc.), die Deckelung der Energiepreise (etwa "Gas- und Strompreisbremse") sowie verschiedene Bundesprogramme für mehr Energieeffizienz ("Bundesförderung für effiziente Gebäude – Wohngebäude" (BEG); "Klimaschutz-Sofortprogramms 2022 für den energetisch hochwertigen Neubau und die energetische Sanierung von Sozialwohnungen", etc.), um einerseits die Energie- und Heizkosten bezahlbar zu halten und andererseits den Umstieg auf klimaneutrale Erneuerbare Energien zu vollziehen, gibt der Bund schon heute hohe Milliardenbeträge aus. Wir Grünen werden uns dafür engagieren, dass dies auch in den Folgejahren so bleibt und die Mittel eventuell weiter erhöht werden, wenn es die Einnahmesituation möglich macht und es insgesamt dafür im Haushalt Spielräume gibt.
Auch sehen wir Grüne in höheren Ausgaben wie in Bildung sowie in den Ausbau des ÖPNV, bzw. eines bezahlbaren, preiswerten ÖPNV (Stichwort: 49-Euro-Ticket) Prioritäten, in die wir mittelfristig verstärkt investieren wollen. Wobei „Schule“ und überwiegend auch „Hochschule“ in Verantwortung der Länder liegt.
Mit freundlichen Grüßen
Anja Liebert