Frage an Angelika Krüger-Leißner von Ines E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Liebe Angelika Krüger-Leißner,
Sie wissen, dass Menschen, die im Kunst-, Kultur- und Sozialbereich respektiert arbeiten, aber keinen oder fast keinen Arbeitslohn erhalten, in Hartz4Verhältnissen nicht nur in Armut, weitgehend ohne Bürgerrechte und in beständiger Angst vor Schikanen leben müssen.
Selbst Mitarbeiter der Arbeitsagentur stimmten im Podiumsgespräch von Connexx/verdi, an dem Sie interessiert teilgenommen hatten, für ein Recht auf ein schikanefreies Grundeinkommen.
Die SPD bietet Arbeitsgemeinschaften und Foren zu einer Vielzahl von Themen an, aber keine zum Thema Grundsicherung. Warum?
Es gibt, von Forschungsinstituten durchgerechnet, finanzierbare Alternativen. Ein Argument im Arbeitsgespräch in der SPDZentrale war, dass Mitarbeiter im Öffentlichen Beschäftigungssektor nicht entlassen werden dürfen, ´Wo sollen wir mit ihnen hin?´ Was könnten die Mitarbeiter im Öffentlichen Beschäftigungssektor leisten, wenn ein schikanefreies Grundeinkommen für jeden Bürger realisiert wurde?
Was können Sie als Bundestagsabgeordnete konkret leisten, damit Bürger Hartz4Verhältnisse, die einem Offenen Strafvollzug ohne Gerichtsverhandlung/Schuldspruch ähneln, verlassen - können?
Freundliche Grüße Ihre Ines Eck
Sehr geehrte Frau Eck,
Sie haben Recht. Grundeinkommen ist ein Thema, dass wir Sozialdemokraten kaum thematisieren. Das hängt damit zusammen, dass der Grundgedanke der Sozialdemokratie darauf beruht, dass starke Schultern mehr tragen als Schwache. Ein Grundeinkommen bedeutet aber, dass alle Bürger - auch Vermögende - einen Anspruch auf das bedingungslose Grundeinkommen haben, womit die Kernprinzipien des Sozialstaats ausgehebelt werden. Sozialleistungen würden nicht mehr zielgenau auf die tatsächlichen Bedürftigen zugeschnitten werden. Die ersatzlose Streichung aller anderen sozialstaatlichen Transfers wie z.B. im Gesundheitswesen und in der Pflege, würde einen Einstieg in eine Art "Sozialstaat light" bedeuten.
Die Verfechter des Grundeinkommens wollen die Säulen der Sozialversicherung (Rente, Arbeitslosigkeit, Pflege, Unfall) einfach niederreißen, die Fürsorgesysteme und Maßnahmen zur Arbeitsförderung einstellen. Berufliche Weiterbildung, Ausbildung Benachteiligter, beschäftigungsbegleitende Leistungen - alle staatlichen Hilfen, mit denen die Menschen auf eigene Füße kommen sollen, würden abgeschafft. Alles nach dem Motto: Der Staat zahlt ein Grundgehalt, der Rest ist Sache alleinig Sache der Bürgers. Doch nicht jeder Bürger hat die gleiche Ausgangsposition.
Ein Grundeinkommen würde auch den Lohndruck erhöhen. Unternehmen wären vollends von der Pflicht entbunden, vernünftige Löhne zu zahlen. Am Ende steht ein enorm gewachsener Niedriglohnsektor der einen Super-Kombilohn (hoher Staatsanteil und niedriger Arbeitgeberanteil) beinhaltet. Die Folge niedriger Einkommen und Streichung bisheriger Sozialleistungen ist eine Verschärfung der Ungleichverteilung der Einkommen, die ich nicht gutheißen kann. Daher bin ich überzeugt, dass ein Grundeinkommen kein Heilsversprechen ist.
In Ihrem Beitrag beschreiben Sie speziell die schwierige Situation von Künstlern in Hartz IV. Wie Sie wissen ist die soziale Lage von Künstlern einer meiner Tätigkeitsschwerpunkte in der Politik. Daher weiß ich um der Probleme der Künstler und bin dafür sehr sensibel. Außerdem setze ich mich bei der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg für eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Jobcentern und Verbänden von Kultur- und Medienschaffenden ein - und das sehr erfolgreich. Die Vereinbarungen wurden mittlerweile als Vorbild für alle Jobcenter empfohlen.
Mit freundlichen Grüßen
Angelika Krüger-Leißner, MdB