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Frage von Herbert L. •

Frage an Angelika Graf von Herbert L. bezüglich Jugend

Sehr geehrte Frau Graf,
wie stehen Sie zum alleinigen Sorgerecht lediger Mütter?
Vom Standpunkt der Kinder aus gesehen ist es doch unerheblich ob ihre Eltern verheiratet waren oder nicht, sie stehen vor der Tatsache, dass sich Mama und Papa getrennt haben. Bei Scheidungskindern wird das gemeinsame Sorgerecht fortgesetzt, bei Trennungen aus eheähnlichen Verhältnissen verbleibt das Sorgerecht bei der Mutter.
Ist diese Gesetzgebung noch Zeitgerecht ?
Sollten nicht alle Kinder das gleiche Recht haben, wenn es um Entscheidungen geht, die ihre Zukunft betreffen?
Ist es im Sinne der Gesetzgebung, dass Mütter diese Rechtslage im Trennungstreit instrumentalisieren ?
Kinder brauchen beide Eltern, egal ob getrennt, verheiratet oder ledig.

Mit freundlichen Grüssen
Herbert Loy

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Loy,

vielen Dank für Ihre Abgeordnetenwatch-E-Mail vom 21. September 2008 zum Thema Sorgerecht für nichteheliche Kinder.

Das Sorgerecht ist so aufgebaut, dass es das Kindeswohl an erster Stelle sieht. Es dringt zudem darauf, dass beide Eltern sich zum Wohle des Kindes einigen und ein Sorgerechtsprozess vermieden wird. Daher besteht -- wie Sie zu Recht schreiben -- nach einer Scheidung im Regelfall gemeinsames Sorgerecht, es sei denn ein Elternteil klagt für das alleinige Sorgerecht.

Es wird allerdings in der Tat unterschieden, ob die Eltern des Kindes verheiratet waren oder nicht. Das ist ein traditionelles Phänomen in Deutschland. Denn die Ehe wurde in der Rechtspolitik seit Jahrzehnten als Keimzelle der Familie hervorgehoben, wer außerhalb der Ehe eine Familie gründete, wurde und wird teilweise immer noch dagegen durch das Recht bestraft. Diese Tradition sieht man heute noch in der starken Eheförderung im Rahmen der finanziellen Förderung (z.B. Ehegattensplitting) aber eben auch in dem jahrzehntelangen Kampf für gleiche Rechte nichtehelicher Kinder.

Bis zum Inkrafttreten der Kindschaftsrechtsreform 1998 konnten die nicht verheirateten Väter überhaupt kein Sorgerecht für das nichteheliche Kind erhalten. Das ist mittlerweile -- und das ist gut so -- anders. Heutzutage können auch nichtverheiratete Eltern ein gemeinsames Sorgerecht beantragen -- allerdings nur wenn beide Eltern zustimmen. Umgangsrecht erhalten beide Eltern mittlerweile aber auch dann, wenn ein Elternteil das alleinige Sorgerecht hat. Über den Umfang des Umgangsrechts hat das Familiengericht im Sinne des Kindeswohls zu entscheiden.

Ob ich eine grundsätzliche Rechtsangleichung hinsichtlich des Sorgerechts bei Ehegatten und nicht verheirateten Eltern befürworte, da habe ich mich noch nicht festgelegt. Grundsätzlich bin ich immer dafür, dass Kinder gleich behandelt werden, unabhängig davon, ob ihre Eltern verheiratet sind oder nicht. Sinnvoll erschiene mir eine Gleichstellung mit Ehegatten beim Sorgerecht aber nur, wenn es um nichteheliche Lebensgemeinschaften geht. Nicht sinnvoll fände ich es dagegen, die gemeinsame Sorge als Regelfall für solche Eltern festzulegen, die eher eine flüchtige Beziehung hatten oder wo zum Beispiel der Vater nie Kontakt zu dem Kind gesucht hat. Die Frage ist nun, welche Szenarien in der Realität der nicht verheirateten Eltern dominieren. Wenn weit mehrheitlich Väter in vormaligen Lebensgemeinschaften betroffen sind, wäre ich für eine Änderung im Sinne einer Gleichstellung. Wenn aber weit mehrheitlich Väter ohne Bezug zum Kind betroffen sind, wäre ich gegen eine Änderung. Denn im letzteren Fall müsste jede betroffene Mutter dann eine Klage durchführen, um das alleinige Sorgerecht zu erhalten, obwohl der Vater gar kein Sorgerecht anstrebt.

Im September diesen Jahres hat das Bundesjustizministerium ein Forschungsvorhaben "Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern" ausgeschrieben, um -- mithilfe eines Überblicks über die Situation -- die Notwendigkeit entsprechender Gesetzesänderungen zugunsten nicht verheirateter Väter auszuloten. Voraussichtlich wird der Abschlussbericht erst 2010 vorliegen. Das Ergebnis des Forschungsvorhabens muss nun meiner Meinung nach abgewartet werden.

Mit freundlichen Grüßen
Angelika Graf