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Frage von Stefan H. •

Frage an Angelika Graf von Stefan H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Graf,
mit großem Unverständnis habe ich gelesen, dass auch Sie für die Diätenerhöhung gestimmt haben. Können Sie dieses "Ja" mit eigenen Worten begründen?
Interessant finde ich, dass die Diäten gleich um moderate 9,4% erhöht werden, die Renten jedoch mit großzügigen 0,5% angepasst wurden. Wie passt denn dieser Unterschied zusammen? Auch unsere Rentner haben lange Nullrunden (incl. einer Erhöhung um 0,5%) hinter sich, nicht nur die Abgeordneten?
Erstaunt bin ich auch, dass 2008 eine der größten Steuererhöhung seit Geschichte der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden hat. Die Begründung war, dass wir mehr Geld benötigen um zukünftige Generationen zu entlasten. "Die Bürger müssen den Gürtel enger schnallen." war damals der Leitspruch. Kaum ist nun etwas Geld in der Kasse, wird dieses Geld auch schon wieder fleißig ausgegeben. Ein Beispiel soll hier die Erhöhung der Diäten oder die Verlängerung des ALG 1 sein. Wieso wird hier nicht weiter der Schuldenabbau betrieben, so wie es eigentlich den Menschen verkauft wurde?
Passend dazu finde ich es auch gut, wie unsere Zukunft - unsere Kinder - gedacht wird. Leider ist für Sie kein Geld da, um dass Kindergeld entsprechend anzuheben. Aber wieso auch, es werden ja Kinderhorte finanziert und Eltern, die für die Kinder auf eine zweites Einkommen verzichten und die Erziehung selbst übernehmen, gehen wieder leer aus.
Erlauben Sie mir auch noch die polemische Bemerkung zum Schluss, interessant finde ich, dass bei der Abstimmung über die Abgeordnetenbezüge ein sehr großer Teil das Plenarsaals gefüllt ist, bei anderen Abstimmungen, wie z.B. der Bundesetag kaum Volksvertreter anzutreffen sind?
Vielen Dank für Ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen,
Stefan Haidn

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Haidn,

vielen Dank für Ihre Abgeordnetenwatch-E-Mail vom 17. November 2007.

Die Frage einer Diätenerhöhung ist immer ein Thema, das viele Menschen bewegt, insbesondere weil die Bundestagsabgeordneten als einzige Berufsgruppe nach Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts selbst über eventuelle Erhöhungen oder Kürzungen für sich entscheiden müssen.

Der Deutsche Bundestag hat seit 2003 ausschließlich Nullrunden für sich selbst beschlossen, sowohl bei den Diäten als auch in der Altersversorgung. Das fand ich auch richtig, weil die durchschnittliche Lohnentwicklung für die Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer in den letzten Jahren ebenfalls nicht rosig war – auch wenn es keine Nullrunden bei der durchschnittlichen Lohnentwicklung gab sondern geringe Steigerungen. Mittlerweile legen die Löhne wegen des wirtschaftlichen Aufschwungs wieder deutlicher zu. Dass die Bundestagsabgeordneten an dieser Lohnentwicklung teilhaben, halte ich für vertretbar. Die geplante Erhöhung der Diäten um 4,7 Prozent zum 1.1.2008 und um 4,48 Prozent zum 1.1.2009 unterscheidet sich nicht wesentlich von anderen aktuellen Lohnabschlüssen, wie zum Beispiel der Metallindustrie (+4,1 Prozent) oder der Chemiebranche (+3,6 Prozent).

Ich halte es grundsätzlich für problematisch die Entwicklung der Abgeordnetendiäten mit der Entwicklung der Renten zu vergleichen. Sachlicher ist es, die Entwicklung der Diäten mit der Entwicklung der Löhne zu vergleichen. Die Rentenentwicklung sollte dagegen mit der Entwicklung der Altersversorgung der Abgeordneten verglichen werden. Bei der Altersversorgung der Abgeordneten gab es seit 2003 ausschließlich Nullrunden, für die kommenden Jahre, beginnend zum 1.1.2008, sind Kürzungen vorgesehen. Die Renten sind demgegenüber – wenn auch nur geringfügig – zuletzt leicht gestiegen und werden auch im nächsten Jahr steigen. Die Altersversorgung der Abgeordneten entwickelt sich also schlechter als die Renten. Die Diäten haben sich übrigens seit dem Jahr 2000 vergleichbar mit den Renten entwickelt (inklusive Nullrunden).

Der Grund, weswegen bei der Debatte um die Erhöhung der Diäten vergleichsweise viele Bundestagsabgeordnete im Plenum waren, ist recht schnell erklärt: Es handelte sich um eine Namentliche Abstimmung. Bei Namentlichen Abstimmungen müssen grundsätzlich alle Bundestagsabgeordneten im Plenarsaal anwesend sein, während bei anderen Tagesordnungspunkten in der Regel nur die zuständigen Fachpolitiker anwesend sind, während die anderen Bundestagsabgeordneten im Büro arbeiten oder andere Termine wahrnehmen müssen.

Bezüglich der Mehrwertsteuererhöhung stimme ich Ihnen zu, dass diese eine erhebliche Belastung für die Menschen war und ist. Ich hätte dies gerne vermieden und wäre lieber den steinigen Weg des weiteren Subventionsabbaus zur Haushaltskonsolidierung weitergegangen, den wir unter Rot-Grün gestartet hatten. Das war mit CDU und CSU leider nicht möglich. Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass noch unter Rot-Grün die Einkommenssteuersätze auf den niedrigsten Stand in der Geschichte Deutschlands gesenkt wurden und es auch derzeit Entlastungen gibt, wie zum Beispiel die ab Januar 2008 geplante deutliche Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung. Beim Thema Haushalt und Schulden muss auch erwähnt werden, dass der Bund in jedem Jahr Milliarden in die gesetzliche Rentenversicherung zuschießt, weil die Einnahmen aus den Beiträgen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wegen der älter werdenden Gesellschaft schon lange nicht mehr ausreichen, um damit die aktuellen Renten zu finanzieren. Ich begrüße es, dass der Staat hier einspringt, allerdings kann das auch nur durch wahlweise höhere Steuern, Kürzungen in anderen Bereichen des Haushalts oder eben neue Schulden gegenfinanziert werden. Umso beachtlicher ist es daher meiner Meinung nach, dass Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) es geschafft hat, die Neuverschuldung auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung zu reduzieren. Bis spätestens 2011 soll dann zum ersten Mal seit 1969 in Deutschland wieder ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden. Der Bundeshaushalt wird durch die geplante Verlängerung des Arbeitslosengeldes für Ältere nicht belastet, weil sich die Arbeitslosenversicherung aus den Beiträgen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Arbeitsgeber finanziert. Aufgrund der positiven Situation am Arbeitsmarkt ist die Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes aber auch ohne eine Beitragserhöhung möglich. Es bleibt sogar noch Spielraum für die erwähnte Beitragssenkung in der Arbeitslosenversicherung zum 1. Januar 2008. Mit einem Volumen von 2,4 Mio. Euro im Jahr hat die geplante Diätenerhöhung übrigens nur eine sehr geringe Auswirkung auf den Haushalt.

In der Familienpolitik halte ich es für wichtig, Familien die Kinderbetreuung in Anspruch nehmen wollen, ebenso zu unterstützen wie die Familien, die das nicht wollen. Für Familien, bei denen im Sinne des Alleinernährer-Modells nur ein Elternteil erwerbstätig ist, greift bereits seit Jahrzehnten das milliardenschwere Ehegattensplitting, von dem wiederum Familien, in denen beide verheirateten Eltern erwerbstätig sind, gar nicht oder nur geringfügig profitieren. Eine bisherige Benachteiligung von Familien, die das Alleinernährer-Modell leben ist also nicht vorhanden, es sei denn diese sind unverheiratet. Ein Problem ist aber der Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen, insbesondere für unter 3jährige Kinder. Nachdem die rot-grüne Bundesregierung den Ausbau der Kleinkinderbetreuungsmöglichkeiten mit dem so genannten Tagesbetreuungsausbaugesetz bereits gestartet hatte, wird dieser Kurs nun auch in der Großen Koalition zugunsten der Wahlfreiheit von Familien fortgesetzt. Denn eines ist ja klar – wenn es vor Ort keine Kinderbetreuungsmöglichkeiten gibt, dann können Eltern auch nicht wählen, ob sie ihre Kinder zeitweise betreuen lassen oder nicht. Für mich ist es selbstverständlich, dass wir diese Familieninfrastruktur aufbauen. Ich sehe darin keine Benachteiligung von irgendjemandem sondern eher den Abbau einer bisher bestehenden Benachteiligung.

Über eine Erhöhung des Kindergeldes, die frühestens 2009 denkbar ist, wird noch verhandelt. Eine Erhöhung um 5 Euro würde die Steuerzahler rund 1 Mrd. Euro kosten, eine Erhöhung um 50 Euro also rund 10 Mrd. Euro. Dieses Geld könnte dann natürlich nicht für den Schuldenabbau verwendet werden und muss auch erstmal erwirtschaftet werden. Der Grund weswegen wir zunächst den Ausbau der Kleinkinderbetreuung auf die Tagesordnung gesetzt haben und die Frage des Kindergeldes erst danach diskutiert wird, hat neben dem akuten Mangel an Kleinkinderbetreuungsmöglichkeiten auch damit zu tun, dass die deutsche Familienpolitik im internationalen Vergleich relativ viel Geld direkt an Familien überweist, aber relativ wenig in familienfreundliche Infrastruktur investiert. Dieses Rezept ist offenbar nicht sehr erfolgreich und bedarfsgerecht für die Familien, wenn man sich mal unsere niedrige Geburtenrate anschaut. Der Ausbau einer familienfreundlichen Infrastruktur – dazu gehört für mich auch die Gebührenfreiheit von Kinderbetreuung, die in SPD-geführten Bundesländern, wie zum Beispiel Rheinland-Pfalz, bereits schrittweise eingeführt wird – muss also meiner Meinung nach zunächst Vorrang haben, zumal wir bereits das im SPD-Wahlmanifest vorgeschlagene Elterngeld zugunsten der Familien durchgesetzt haben. Dennoch stehe ich einer Erhöhung des Kindergeldes grundsätzlich positiv gegenüber, zumal die letzte Erhöhung schon etwas her ist, während vieles zwischenzeitlich teurer geworden ist. Die rot-grüne Bundesregierung hatte das Kindergeld während ihrer Regierungszeit immerhin um insgesamt fast 40 Prozent erhöht.

Anders als eine Erhöhung des Kindergeldes lehne ich dagegen das von der CSU geforderte Betreuungsgeld kategorisch ab. Das Betreuungsgeld würde dazu führen, dass gerade Familien mit niedrigen Einkommen regelrecht zum Verzicht auf Kinderbetreuung gezwungen würden, weil es das Betreuungsgeld ja nach Wunsch der CSU nur geben soll, wenn die Kinder keine Betreuungseinrichtung besuchen oder vorher aus der Betreuung abgemeldet werden. Kinderbetreuung kann aber auch frühkindliche Förderung leisten und zum Beispiel Sprachkenntnisse schon vor Schuleintritt und damit auch die späteren Bildungs- und Berufschancen des Kindes verbessern. Das ist besonders für die Kinder wichtig, deren Eltern eine solche frühkindliche Förderung nicht leisten können. Diesen Eltern darf man keine Prämie anbieten, auf eine solche Förderung der Kinder zu verzichten. Vor dem Hintergrund, dass die CSU erst vor kurzem die Sätze für das Landeserziehungsgeld in Bayern gekürzt hat und ein Landesbetreuungsgeld, wie es das zum Beispiel in Thüringen gibt, in Bayern nicht einführen will, erscheint mir der angebliche Einsatz der CSU für ein Betreuungsgeld ab 2013 aber ohnehin eher symbolischer Natur und nicht ganz ernst gemeint zu sein.

Mit freundlichen Grüßen
Angelika Graf