Frage an Angelika Graf von Valentin H. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Graf,
In Ihrer Antwort auf die Frage von Frau L., heißt es: "Eine komplette Legalisierung von Cannabis (...) würde den Markt drastisch erweitern und damit auf einen Schlag mehr Konsumenten zur Folge haben."
Mich würde interessieren mit welcher Studie Sie diese These stützen. Hat eine Legalisierung tatsächlich eine Erweiterung des Marktes zur Folge? Und viel wichtiger: gäbe es mehr Konsumenten?
Diesen Gedankenschritt haben Sie nämlich nicht näher erläutert und mich interessiert sehr ob eine Gesetzesänderung im Fall von Cannabis auch eine Veränderung der Prävalenzrate zu Folge hätte.
Gegenteiliges besagt nämlich der Jahresbericht 2011 der europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in dem es heißt: "[Es konnte] kein deutlicher Zusammenhang zwischen den gesetzlichen Änderungen und den Prävalenzraten des Cannabiskonsums ermittelt werden."
http://www.dbdd.de/images/2011_Pressekonferenz/emcdda_ar_de.pdf
Wie stehen Sie zu dieser Äußerung dieses Berichtes und woher wissen Sie, dass Gesetzesänderungen einen Rückgang/eine Steigerung von Konsumenten zufolge haben bzw. funktioniert hier in der Praxis was in der Theorie so einleuchtend ist?
Mit freundlichen Grüßen
N.V. Herfurth
Sehr geehrter Herr Herfurth,
vielen Dank für Ihre Abgeordnetenwatch-Email vom 26. Juli 2012 zur Legalisierung von Cannabis.
Es ist eine ausgesprochen interessante Materie, die Sie in Ihrer Frage nach tatsächlich realen Folgen durch Gesetzesänderungen am Beispiel von Cannabis ansprechen. Erfahrungen haben wir hier im Bereich von Tabak. Der Drogenbericht der Bundesregierung bestätigt, dass die Maßnahmen für einen besseren Jugend- und Nichtraucherschutz effektiv waren: "Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren rauchen laut Erhebung der BZgA in den letzten zehn Jahren deutlich weniger: 2001 lag die Raucherquote hier noch bei 27,5 Prozent. 2011 betrug sie 11,7 Prozent - der bisher niedrigste Wert." Die eingeleiteten Maßnahmen zur Verhaltens- und Verhältnisprävention und Regelungen zum Jugend- und Nichtraucherschutz - zu denen die Reduzierung der Verfügbarkeit durch höhere Preise und Kartenfunktion an Automaten gehörten - "haben in ihrer Gesamtheit deutliche Erfolge gezeigt". Als bayerische Abgeordnete kann ich zudem auf die Erfahrungen rund um das Volksbegehren für einen konsequenten Nichtraucherschutz verweisen. Ein konsequentes Nichtraucherschutzgesetz - im Übrigen ohne Ausnahmeregelungen - hat zu einer Verbesserung des Schutzes vor Passivrauch geführt. Umgekehrt haben wir es im Glücksspielbereich erlebt: Hier ist die Zahl der Geldspielautomaten in den letzten Jahren deutlich gestiegen und mit ihnen auch die Zahl der Süchtigen.
Ich verweise letztlich auf den banalen Menschenverstand, wenn ich schlussfolgere, dass eine pauschale Legalisierung von Cannabis - also eine leichtere Verfügbarkeit - nicht dazu führen wird, dass der Konsum sinkt. Denn das ist ja anscheinend Ihre Annahme. Dafür haben Sie auch keine Belege. Und das ist das Problematische an der Frage nach einer Legalisierung von Cannabis. Sie weisen selbst zurecht darauf hin, dass "in den fraglichen Ländern kein deutlicher Zusammenhang zwischen den gesetzlichen Änderungen und den Prävalenzraten des Cannabiskonsums ermittelt werden" konnte, wie es die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht schreibt. Auch verringerte Strafmaße haben nicht zu einer Abnahme der Prävalenzraten geführt. Bei dem ausgesprochen uneinheitlichem Ergebnis der Studien ist eben kein deutlicher Zusammenhang erkennbar. Wie man es dreht und wendet, es gibt keinen deutlichen und einfachen Schluss, den man ziehen kann. Aber es sollte m.E. Richtlinien geben, die die Politik vorgibt, um gesundheitliche Schädigungen im Zweifel zu vermeiden. Und auch bei Ihnen vermisse ich die Sorge um die Kinder- und Jugendschutz und die Vermeidung der Abgabe von Cannabis und anderen Rauschmitteln und -drogen an Kinder und Jugendliche beispielsweise im Umfeld von Cannabis-Clubs, die andere Parteien vorschlagen. Eine neue Langzeitstudie, die zu dem Ergebnis kommt, dass Cannabis bei einem frühen Einstieg das zentrale Nervensystem unwiderruflich schädigen und die Intelligenz senken kann, unterstützt im Übrigen auch eine entsprechende Zurückhaltung bezüglich einer Legalisierung.
Jedoch möchte ich Ihnen auch mitteilen, dass ich weiterhin sehr wohl für eine Entkriminalisierung bei den Geringen Mengen sowie für eine bundeseinheitliche Regelung in diesem Bereich werbe, weil ich es für nicht hilfreich und schlicht ungerecht halte, wenn in Bayern und in Berlin oder NRW unterschiedliche Strafmaße von den Gerichten verhängt werden und manche davon doch offenkundig unverhältnismäßig sind.
Mit freundlichen Grüßen
Angelika Graf