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Frage von Carmen F. •

Frage an Angelika Graf von Carmen F. bezüglich Finanzen

Hallo Frau Graf,

wir hier in Deutschland haben große Probleme mit der Akzeptanz der Geldertransfers innerhalb Deutschlands, dabei haben alle Bundesländer gemeinsame Grundlagen (Arbeitsstunden pro Woche, Steuersätze und letztendlich eine gewisse Zusammengehörigkeit über Sprache und Kultur).

Der ESM als Verteilungsinstrument wird aufgrund der heterogenen Grundlagen in Europa zu einer tiefen Abneigung bzw. Hass zwischen den Eurobürgern führen, sowohl in den Geberländern als auch in den Empfängerländern. Die Verabschiedung eines Dauerhaften Transferinstruments wird neben den finanziellen Problemen (es wird ja nur das vorhandene Geld der Steuerzahler in Europa gepoolt und umverteilt, eine Lösung ergibt sich dadurch nicht, der ESM schafft nur ein wenig mehr Zeit bis zum Crash) zu massiven sozialen Problemen führen!

1. Wie möchten sie einen fairen Hilfstransfer unter diesen Bedingungen sicherstellen?

Die Gewaltbereitschaft wächst bereits in einigen Ländern, bei sinkendem Lebensstandard wir diese Gewalt explodieren und das Projekt EU weit zurückwerfen. Parteien, die EUfeindlich eingestellt sind haben in den letzten Wahlen in Frankreich und Griechenland großen Zulauf bekommen.

2. Was macht unsere Regierung um diese Effekte zu begrenzen?

Der ESM schränkt ein wichtiges Demokratisches Grundrecht ein, solch eine Entscheidung darf rechtlich nur der Bürger in einem Referendum treffen. Das aufzwingen des ESM wird in Deutschland zu großer Regierungsunzufriedenheit führen, die sich auf die nächsten Wahlen 2003 drastisch auswirken wird. Sie schaffen damit extrem rechtsorientierten Parteien Schützenhilfe wie Brüning in den 20ern damals.

3. Die Unzufriedenheit, Sparpolitik und menschliche Not führte mit zum 2. Weltkrieg.
Wie möchte ihre Partei diesem Schicksal ausweichen?

4.Warum lehnen sie ein Referendum ab?

Bitte schicken sie keinen SPD Standardtext zu diesen Fragen.

MFG Carmen Fischer

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Fischer,

vielen Dank für Ihre Abgeordnetenwatch-E-Mail vom 24. Mai 2012 zum ESM.

Zu Ihren Fragen:

1. Proteste und gewalttätige Ausschreitungen in Krisenländern gibt es ja nicht wegen der geplanten Einführung des ESM, sondern vor allem wegen der Verzweiflung und Perspektivlosigkeit. Die Menschen in Griechenland sehen zum Beispiel derzeit nur die Opfer, die sie bringen sollen, sie sehen aber kein Licht am Ende des Tunnels, keinen Weg aus der Krise heraus, keine Perspektive. Man kann Menschen aber nur dann davon überzeugen, Opfer zu bringen, wenn es dafür im Gegenzug die Aussicht auf Besserung gibt. Ich glaube nicht, dass die Proteste weniger werden würden, wenn wir auf Rettungsschirme verzichten und zum Beispiel Griechenland pleite gehen lassen und das Land dann völlig im Chaos versinkt und dabei vielleicht noch eine Kettenreaktion auslöst, die andere Krisenländer wie Portugal und Spanien und am Ende ganz Europa - Deutschland mittendrin - mitreißt. Es ist verständlich, dass viele Menschen in Deutschland nicht für die Krisenländer haften wollen und die Rettungsschrime kritisch sehen. Die Alternative dazu wäre aber voraussichtlich noch wesentlich schlimmer (und teurer). Ich werbe stets dafür, nicht nur zu schauen, was die Rettungsmaßnahmen kosten und im schlimmsten Fall kosten könnten, sondern auch zu überlegen, was der Verzicht darauf auslösen und kosten könnte.

Ich stimme Ihnen aber zu, dass der ESM kein Weg aus der Krise ist. Er ist in meinen Augen nur eine Überlebenshilfe und muss dringend ergänzt werden. Die wichtigste Ergänzung, die SPD fordert dies bereits seit langer Zeit, sind Impulse für Wachstum, also entsprechende Investitionen. Nur so erhält zum Beispiel Griechenland eine Chance, aus dem derzeitigen Teufelskreis herauszukommen und damit die notwendige Perspektive. Die bisherige EU-Politik der Bundeskanzlerin bzw. der schwarz-gelben Bundesregierung hat leider nur dazu geführt, dass Griechenland nicht nur in sinnvollen Bereichen sparen muss, sondern zum Beispiel auch bei Investitionen. Wenn der Staat aufhört zu investieren, verlieren die Betriebe Einnahmen und müssen kürzen und entlassen, wodurch die bereits durch sinkende Löhne und Sozialleistungen geschrumpfte Kaufkraft noch weiter sinkt. Wenn die Kaufkraft sinkt, können die griechischen Betriebe weniger verkaufen und müssen zusätzlich entlassen oder kürzen, wodurch die Kaufkraft noch weiter sinkt, wodurch noch mehr Betriebe pleite gehen und so weiter. In der Folge verschlechtern sich die Finanzen durch diesen reinen Sparkurs sogar noch und Griechenland braucht noch mehr und noch länger europäische Hilfe. Deswegen sind Wachstumsprogramme durch die EU nicht nur der bessere, sondern auch der kostengünstigere Weg.

2. Die Bundeskanzlerin und die schwarz-gelbe Bundesregierung machen bisher den großen und historischen Fehler, allein auf Überlebenshilfe und Sparen zu setzen, wodurch die Probleme in Europa nicht gelöst, sondern nur hinausgezögert und verschlimmert werden, wodurch die Krise für alle Beteiligten schlimmer und teurer wird. Ich teile Ihre diesbezügliche Kritik. Die SPD schlägt neben den Wachstumsmaßnahmen vor, auch die Gerechtigkeitslücke endlich zumindest ein Stück weit zu schließen und den Finanzmarkt an den Krisenkosten zu beteiligen. Dazu wollen wir die Finanztransaktionssteuer einführen und ich erwarte von der Bundeskanzlerin, dass diese sich nicht nur in Sonntagsreden wohlwollend dazu äußert, sondern sie zunächst in ihrer Koalition und anschließend schrittweise in der EU durchsetzt.

3. Die SPD setzt sich für einen deutlichen Ausbau der direkten Demokratie ein. Es kann aber nicht darum gehen, nur für eine ausgewählte Entscheidung direkte Demokratie zu gestatten. Voraussetzung für den grundsätzlichen Ausbau der direkten Demokratie ist eine Verfassungsänderung, die wiederum eine politische Zweidrittelmehrheit braucht. So lange CDU und CSU sich weiterhin verweigern, kann es in diesem Punkt daher nicht vorangehen. Den SPD- Parteitagsbeschluss zu dem Thema finden Sie unter folgendem Link:
http://www.spd.de/linkableblob/21830/data/beschluss_demokratie_lang.pdf

Mit freundlichen Grüßen
Angelika Graf