Frage an Angelika Graf von Rainer H. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Graf,
prinzipiell begrüße ich es, dass die Schulden des dt. Staates, Länder und Kommunen reduziert werden sollen.
Dafür wurde bereits die Schuldenbremse eingeführt.
Jetzt soll in den kommenden Monaten der sogenannten „Fiskalpakt“ im Bundesrat beschlossen werden.
Im Artikel 4 des „Fiskalpakt“ steht, dass, wenn ein Land mehr verschuldet ist als die 60% des BIP muss das entsprechende Land diese Überschuldung innerhalb von 20 Jahren zurückfahren. Das sind 5% pro Jahr und macht in Deutschland ca. 30 Mrd. aus, die in den kommenden 20 Jahren pro Jahr eingespart werden müssen – ohne weitere Neuverschuldung! Hierzu kommen in den kommenden 3 Jahren auch noch die Kosten an der Beteiligung des ESM hinzu (pro Jahr ca. 4,2 Mrd.).
Jetzt frage ich Sie:
1. Wie und vor allem wo wollen sie die erforderlichen Einsparungen in Höhe von ca. 35 Mrd. /30 Mrd. pro Jahr einsparen, wenn Deutschland es selbst in sehr guten Einnahmezeiten wie in 2011 und vermutlich 2012 noch nicht einmal schafft, einen ausgeglichenen (keine neuen Schulden) Haushalt umzusetzen?
2. Werden wir uns auf einen EU-Soli einstellen müssen oder wird im Sozialbereich gekürzt oder die Renten (wie in Griechenland)?
3. Werden sie diesem Vertrag zustimmen und mit welcher Begründung (denn in Deutschland gibt es bereits eine Schuldenbremse)?
Mit freundlichen Grüßen
R. Hoppenstedt
Sehr geehrter Herr Hoppenstedt,
vielen Dank für Ihre Abgeordnetenwatch-E-Mail vom 7. April 2012.
Ich weiß noch nicht, ob ich dem von der schwarz-gelben Bundesregierung vorgeschlagenen Fiskalpakt zustimmen werde. Ich habe Ihnen ja bereits in meiner letzten Mail an Sie die Gründe dafür genannt. Ich bin weiterhin der Ansicht, dass Sparen alleine Europa nicht aus der Krise bringt, sondern diese erstmal sogar verschlimmert - das kann ja jeder gerade in Griechenland sehen. Die Haushaltskonsolidierung mit vernünftigem Sparen - Abbau von unsinnigen Subventionen, effizientere Verwaltungen, Stopp von Verschwendung - muss von Wachstumsmaßnahmen für Europa ergänzt werden.
Es darf also nicht nur um die Ausgabenseite gehen, es muss auch um die Einnahmenseite gehen. Für so ein Wachstumspaket für nachhaltige Investitionen brauchen wir eine Finanztransaktionssteuer als Finanzierung und damit auch eine Beteiligung der Finanzwirtschaft an den Krisenkosten. Bisher hat die Bundeskanzlerin - abgesehen von wachsweichen Willensbekundungen - aber leider nichts in dieser Richtung auf den Weg gebracht und sich auch noch nicht gegenüber der SPD-Bundestagsfraktion geäußert, ob sie den Fiskalpakt mit den von uns geforderten Zusatzmaßnahmen verbinden will.
Ihre Berechnung bezüglich der notwendigen Einsparungen stimmt so nicht. Sie unterstellen, dass das Bruttoinlandsprodukt in den nächsten zwanzig Jahren gleich bleiben würde, tatsächlich hatten wir in den vergangenen zwanzig Jahren aber ein kräftiges Wachstum in Deutschland. Es ist zu erwarten, dass sich dieser Kurs fortsetzt. Wegen Ihrer Frage zu Einsparungen: Den Vorschlag der SPD für einen „Nationalen Pakt für Bildung und Entschuldung“ - der sich mit der Mischung aus Einsparungen, Schuldenabbau und Investitionen in die Zukunft auch ein Stück weit auf Europa übertragen lässt - finden Sie nochmal hier. Anders als die Bundesregierung haben wir klare Vorschläge gemacht: http://www.spd.de/scalableImageBlob/17144/data/finanzkonzept_2011_09_05-data.pdf
Sie haben Recht, dass der Fiskalpakt nicht zur Politik der schwarz-gelben Bundesregierung passt. Tatsächlich will die Bundesregierung in diesem Jahr sogar die Neuverschuldung verdoppeln - trotz Rekordeinnahmen. Es ist daher nicht glaubwürdig, wenn die Bundeskanzlerin in der EU Wasser predigt und sich und ihrer Koalition aber immer mehr Wein nachschenkt. Aktuell sind ja sogar noch etliche weitere Neuausgaben in der Diskussion, welche die Bundeskanzlerin und ihre schwarz-gelbe Koalition allesamt mit neuen Schulden bezahlen möchten - Betreuungsgeld, Rentenbonus, Pendlerpauschale, Steuersenkungen. Das ist verantwortungslos, denn es handelt sich um ungedeckte Schecks zu Lasten der kommenden Generationen und es geht zudem um dauerhafte Ausgaben, die auch dann anfallen, wenn die Konjunktur nicht mehr so gut läuft. Die Aufschwungsdividende wird sozusagen von Schwarz-Gelb mehr als verfrühstückt, statt endlich den Haushalt zu sanieren.
Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts verfolgen CDU, CSU und FDP offensichtlich gar nicht mehr. Die Aufgabe der Haushaltskonsolidierung wird daher von der nächsten Bundesregierung in Angriff genommen werden müssen. Die SPD ist es gewohnt, den schwarz-gelben Scherbenhaufen aufzuräumen, das mussten wir ja auch unter Rot-Grün nach 16 Jahren Helmut Kohl. Wir werden uns dieser Aufgabe auch bei der Bundestagswahl 2013 stellen und haben mit dem „Nationalen Pakt für Bildung und Entschuldung“ entsprechende Vorschläge vorgelegt.
Mit freundlichen Grüßen
Angelika Graf