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Frage von Walter M. •

Frage an Angelika Graf von Walter M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Ex-Kanzler Schröder hat ein konkretes Datum für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan genannt. Wie sehen Sie die Zukunft der deutschen Soldaten nach dem Vorfall letzte Woche(Bombardierung von Zivilisten)?

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Sehr geehrter Herr Mayer,

vielen Dank für Ihre Abgeordnetenwatch-E-Mail vom 8.9.2009.

Ich finde das, was letzte Woche in Kunduz passiert ist, ganz schrecklich - egal übrigens, wie die Befehlslage war, m.E. kann nämlich ein solcher Befehl gar nicht alleine von einem deutschen Offizier gegeben werden. Zurzeit warte ich - wie alle anderen - noch auf Berichte, die aufklären, wie es dazu kommen konnte und wie viele Zivilisten umgekommen sind. Dabei ist jeder tote Zivilist einer zuviel. Deshalb unterstütze ich, wie auch die Bundesregierung, die neue Einsatzdoktrin von ISAF General McCrystal; er hebt hervor, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: Der Schutz der Zivilisten geht vor jedweden Kampfinteressen. Ich hoffe sehr, dass es bei der Anwendung dieser Doktrin nicht zu mehr zivilen Opfern kommt.

Zur Perspektive der Bundeswehr: Ich glaube nicht, dass wir jetzt schon ein konkretes Datum im Munde führen sollten. Ich denke, wir sollten auf der nächsten Internationalen Konferenz zum „Afghan Compact“ (2010) mit dem neuen Präsidenten einen genauen Fahrplan erarbeiten. In dem sollten wir unsere weitere Zusammenarbeit definieren und Dauer und Ende unseres militärischen Engagements festlegen. Das heißt nicht „Abzug schon morgen“, sondern „Abzug mit Verstand und in Verantwortung“. Ziehen wir uns zu früh zurück, werden bald wieder Bürgerkrieg, Chaos und vielleicht die Taliban herrschen. Denn noch sind die afghanischen Polizisten und Soldaten nicht in der Lage, Sicherheit und Frieden selbstständig aufrechtzuerhalten. Damit wir dies - in unserem Interesse und im Interesse der Afghanen - bald erreichen, müssen wir unsere Anstrengungen in den deutschen Kernaufgaben: Sicherheit, Wiederaufbau und Gute Regierungsführung verstärken.

Die Bundeswehr unterstützt die afghanische Regierung zur Zeit darin, Sicherheit herzustellen, damit die afghanischen Staatsorgane und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vereinten Nationen und der zivilen Organisationen ihre Arbeit machen können. Deutschland hat zurzeit 3500 Soldaten für das ISAF Mandat nach Afghanistan entsendet. Damit sind wir der drittgrößte Truppensteller für ISAF. Die Bundeswehr trägt in Afghanistan die Verantwortung für das Regionalkommando in Nordafghanistan. Der Flughafen von Mazar-e-Sharif ist das logistische Zentrum für die internationalen Kräfte in Afghanistan. Hier organisiert die Bundeswehr den Lufttransport, dazu zählt auch die Evakuierung von verletzten oder erkrankten Soldaten aller im Norden eingesetzten Truppen aus 18 Nationen.

Deutschland leistet zur Stabilisierung in Afghanistan einen weiteren wichtigen Beitrag, der leider allzu oft in der öffentlichen Debatte vergessen wird: So stellt die Bundesregierung bis 2010 mehr als 1,1 Milliarden Euro für den zivilen Wiederaufbau Afghanistans bereit und ist damit nach den USA, Großbritannien und Japan der viertgrößte Geber Afghanistans. Mit diesem Geld wird viel erreicht, z.B. die Verbesserung der Energieversorgung (insbesondere erneuerbare Energien), der Trinkwasserversorgung (Bau von Brunnen, Staudämmen), die Verbesserung der Wirtschaftsentwicklung, der Aufbau von Bildungsstrukturen (schulische und berufliche Bildung, Hochschulzusammenarbeit), die Unterstützung der zurückkehrenden Kriegsflüchtlinge (in Kabul sind allein aus Iran und Pakistan drei Millionen Menschen zurückgekehrt).

Sehr geehrter Herr Mayer, ich hoffe ich konnte Ihnen ihre Frage
beantworten.

Mit freundlichen Grüßen
Angelika Graf