Frage an Angelica Schwall-Düren von Thomas K. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Schwall-Düren,
fast täglich liest der Bürger und Steuerzahler neue Horrormeldungen über die Folgen der Entwicklungen in der Finanzwelt und der Realwirtschaft, allgemein umschrieben mit dem Begriff Finanzkrise. Da ist die Rede von von drohenden Insolvenzen bei Banken und Firmen, von dem drohenden Verlust von hunderten, sogar tausenden von Arbeitsplätzen in allen Bereichen unser Wirtschaft. Weitere Meldungen lassen erahnen, dass wir derzeit noch nicht am Ende dieser Entwicklung stehen. Zumindest sagt mir mein Verständnis vom Finanzwesen, dass es die Natur verschiedener Anlageformen ist, an Laufzeiten gebunden zu sein. Daraus folgernd wird auch in den nächsten Wochen, Monaten oder sogar Jahren immer wieder Wertberichtigungsbedarf für Anlagen aus der "Immobilienblase" in den USA resultieren. Allein bei der HypoRealEstate entstand 3 mal in kurzen Abständen ein für mich kaum vorstellbarer Wertberichtigungsbedarf.
Sie werden sich wundern, dass ich meine Anfrage dem Stichwort Kinder und Jugend zuordne. Derzeit ist es so, dass "unsere" Politiker in Berlin das Geld des Steuerzahlers - als unter anderem meines - mit beiden Händen unter den Bittstellern verteilt; Geld im übrigen, dass die Regierung und auch der Steuerzahler eigentlich nicht hat. Geld, welches sich die Bundesregierung im Namen der Steuerzahler am Finanzmarkt erkaufen muss (auf Kosten der kommenden Generationen).
Noch vor nicht mal einem halben Jahr war die Euphorie der Politiker, der Wähler und Steuerzahler nahezu grenzenlos. Die Wirtschaft florierte, schuf neue Arbeitsplätze, Deutschland war wieder mal Exportweltmeister. Der deutsche Finanzminister sparte, was das Zeug hielt, einen ausgeglichenen deutschen Haushalt der öffentlichen Hand fest im Blick.
Wie können Sie die jüngste Entwicklung der Staatsausgaben mit Ihrer Verantwortung für Ihre und unsere Kinder vereinbaren?
Gehört nicht derjenige bestraft, der sich verzockt? Warum werden unsere Kinder, die zukünftige Steuerzahler, bestraft?
Sehr geehrte Herr Kemming,
vielen Dank für Ihre Frage. Die Bundesregierung tut, was in ihren Kräften steht, um die Finanzmärkte zu stabilisieren, die Wirtschaft am Laufen zu halten und Arbeitsplätze zu sichern. Diesen Zielen ordnen sich die Maßnahmen unter. Das Bankensystem hat eine Schlüsselrolle, die gesichert werden muss: Wenn systemrelevante Banken fallen, können sie den gesamten Bankensektor gefährden. Die Auswirkungen auf die Kreditversorgung der Wirtschaft, auf Sparguthaben, Altersvorsorge und auf Arbeits- und Ausbildungsplätze wären verheerend! Wir dürfen die Banken nicht einfach so zusammenbrechen lassen.
Im konkreten Fall der Hypo Real Estate Holding AG (HRE) galt es, eine Abwägung zu treffen: Wären die Konsequenzen für die Bürgerinnen und Bürger aus einer Zahlungsunfähigkeit, also dem "Untergang" der Hypo Real Estate Gruppe, noch tragbar oder nicht mehr akzeptabel, so dass ein Einschreiten des Staates notwendig und verhältnismäßig ist? Die Bundesregierung hat in dieser Frage entschieden, dass die Rettung der Hypo Real Estate Holding AG erfolgt, da eine Zahlungsunfähigkeit dieses systemrelevanten Instituts, mit großer Wahrscheinlichkeit Zahlungsunfähigkeiten anderer Bankinstitute nach sich gezogen hätte. Im Rahmen dieser Rettung fließen keine finanziellen Mittel aus dem laufenden Haushalt des Bundes oder der Länder. Auch kauft der Bund keine Hypothekenkredite oder Portfolio.
Im Rahmen einer gemeinschaftlichen Rettungsaktion werden private Banken in Deutschland, aber auch die europäische Zentralbank und die Bundesbank, der HRE zusätzliche Liquidität zur Verfügung stellen. Die Bundesregierung sichert einen erheblichen Teil möglicher Ausfallrisiken mit einer Bürgschaft ab. Dieser Schritt erfolgt in enger Abstimmung mit der Bundesbank, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und mit anderen Regierungen in Europa. Die Übernahme der Bürgschaft ist nicht gleichbedeutend mit einer Übernahme von Verlusten.
Ferner plädieren Sie in Ihrer Anfrage für eine "Bestrafung derjenigen, die sich verzockt" haben. Es gilt jetzt zunächst die Folgen der Fehlkalkulationen zu begrenzen, um dann im nächsten Schritt, Auflagen zu finden, die zukünftig für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik von Finanzunternehmen sorgen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits im vergangenen Frühjahr gesetzliche Regeln bezüglich überzogener Managervergütungen und deren steuerlicher Abzugsfähigkeit oder der Bindung des Unternehmenshandels an das Wohl der Allgemeinheit erarbeitet und beschlossen. Jetzt endlich konnten wir einige unserer Forderungen in der Koalitionsarbeitsgruppe mit der CDU/CSU-Fraktion vereinbaren. Falls Sie an Details interessiert sind, können wir Sie gerne über den Stand der Arbeiten informieren.
Ich bedaure sehr, dass wahrscheinlich auch die nachfolgenden Generationen die Auswirkungen der Finanzkrise spüren werden. Um diese Folgen so gering wie möglich zu halten, haben wir einen erheblichen Aufwand in das Krisenmanagement gesteckt. Einfach nichts zu unternehmen hätte weitaus schlimmere Folgen gehabt. Die Sanierung erfolgt auch im Interesse unserer Kinder: Wenn heute V?ter und Mütter Arbeitsplätze verlieren, hat das heute und morgen negative Konsequenzen.
Mit freundlichen Grüßen,
Angelica Schwall-Düren