Frage an Anette Niemeyer von Anne K. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Wieso unterstützen die Sie in ihrem Programm Privatschulen, stehen die Grünen für ein amerikanisiertes Bildungssystem, bei dem der "wohlhabende" Mittelstand sich an Privatschulen anmeldet und der Rest zur staatlichen Restschule geht?
Wie stehen Sie zur Orientierungsstufe?
Gruß
Anne Kuhn
Sehr geehrte Frau Kuhn,
vielen Dank für Ihre Frage, die mir zeigt, dass Sie das Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen genau studiert haben. So werden Sie sicher auch bemerkt haben, dass uns das Thema Bildung besonders wichtig ist. Und das nicht nur, weil das Wissen und Können der Menschen für die Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns entscheidend ist, sondern weil wir uns für die Kinder und Jugendlichen unseres Landes stark machen. In der Schule werden Grundlagen für deren weiteren Lebensweg gelegt. Und damit meine ich neben dem klassischen Schulwissen vor allem auch politische Bildung, Lernmethoden und soziale Fähigkeiten. Der Entwicklung des Schulsystems kann gar nicht genug Aufmerksamkeit (ideell und finanziell) gewidmet werden.
Mir ist die Stärkung der öffentlichen Schulen besonders wichtig. Meine Kinder besuchen bzw. besuchten beide öffentliche Schulen. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, warum Eltern Privatschulen für ihre Kinder wählen (und das in steigender Anzahl). Das ist deren Eigenständigkeit mit Personalhoheit und eigenen Konzepten. Die Konkurrenz sollte deshalb nicht verteufelt, sondern als Ideengeber und Ansporn für das öffentliche Schulsystem verstanden werden. Unserer Schulen müssen mehr Eigenständigkeit erhalten bis hin zur Personalauswahl. Moderne Unterrichtsformen sollten Standard werden. Der Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer muss weitaus mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Und nicht zuletzt sollten die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler und der Eltern erweitert werden. Moderne staatliche Schulen kommen den Kindern aller sozialen Gruppen zugute..
Dem längeren gemeinsamen Lernen wird nach meiner Auffassung die Zukunft gehören, denn nur so ist die individuelle Förderung jeder Schülerin und jedes Schülers möglich. Eine frühzeitige Aufteilung der Kinder dagegen fördert soziale Ausgrenzung und führt zu vergebenem Wissenspotential. Die mit diesem Schuljahr im Hauruck-Verfahren eingeführte Orientierungsstufe gegen erheblichen Widerstände von Eltern und Lehrerverbänden könnte auf diesem Weg eher schaden als nutzen.
In Mecklenburg-Vorpommern sollte deshalb schnellstens ein breiter öffentlicher Diskussionsprozess zum zukünftigen Schulsystem stattfinden, aus dem sich erst dann im Konsens und nach intensiver Vorbereitung die konkreten Schritte ableiten lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Anette Niemeyer