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Anette Kramme
SPD
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Frage von Rolf W. •

Frage an Anette Kramme von Rolf W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr verehrte Frau Abgeordnete,

eine von den Nürnberger Nachrichten durchgeführte online-Umfrage, ob die erneute, jetzt vorgesehene Diätenerhöhung für Bundestagsabgeordnete zu Recht erfolgt, wird von 88,1 % der Umfrageteilnehmer (bei insg. 865 Antwortenden) verneint.

Sicher ist die Umfrage nicht repräsentativ, das Ergebnis aber ist vom Tenor her eindeutig. Werden Sie als gewählte Staatsbürgervertreterin die in Umfragen, öffentlichen Diskussionen, Medienkommentaren und Leserbriefen zu Tage tretende, eindeutig klare und entrüstete Ablehnung dieses Abgeordnetenvorhabens zum Anlass nehmen, den Bürger(un)willen, stellvertetend für diese, in der vorgesehenen Bundestagsentscheidung kund zu tun und gegen diese Diätenneuerhöhung stimmen?

Mit freundlichen Grüßen
Rolf Wank

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wank,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Wie Sie sicherlich der Presse entnommen haben, wird es auf Anregung der SPD-Fraktion eine weitere Anpassung der Diäten im Zuge des Bundesbesoldungsanpassungsgesetzes 2008/2009 nicht geben. Nichtsdestotrotz möchte ich einige allgemeine Anmerkungen machen.

Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schreiben vor, dass die Höhe der Entschädigung durch Gesetz festgelegt werden muss. Die Übertragung der Entscheidung über die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an eine unabhängige Kommission oder die automatische Anpassung der Entschädigung ist daher ausgeschlossen. Der Bundestag und damit die Abgeordneten selbst müssen entscheiden. Selbst über die Höhe des einem zustehenden Geldes zu entscheiden, ist nicht einfach. In den vergangenen 30 Jahren hat es auch 13 Nullrunden für die Abgeordneten gegeben.

Es war richtig, dass die Abgeordneten wegen der in den letzten Jahren angespannten wirtschaftlichen Lage die Entschädigung und die Altersentschädigung seit dem Jahre 2003 nicht angehoben haben. Jetzt wächst die Wirtschaft. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Löhne und Gehälter steigen allmählich wieder. Die jüngsten Tarifabschlüsse in der Metallindustrie bringen eine Lohnsteigerung um 4,1 Prozent, der Abschluss in der Chemiebranche sieht Lohnerhöhungen von 3,6 Prozent vor und das Baugewerbe hat sich auf eine Erhöhung von 3,1 Prozent geeinigt.

Angesichts der positiven wirtschaftlichen Entwicklung ist auch eine Anhebung der Entschädigung möglich und vertretbar. Die Frage ist dabei, was ist angemessen? Was ist angemessen für einen Wahlkreisabgeordneten oder eine Wahlkreisabgeordnete, die die Interessen von ca. 250.000 Bürgerinnen und Bürgern vertreten? Was ist angemessen für jede und jeden der über 600 Abgeordneten, die in unserem Land darüber entscheiden, ob deutsche Soldaten ins Ausland geschickt werden (Beispiel Kosovo, Afghanistan) oder nicht (Beispiel Irak). Was ist angemessen für die Abgeordneten, die über die Zukunft unserer Kranken- und Rentenversicherung, über die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik und darüber entscheiden, welche Steuern wir zahlen sollen. Was ist angemessen für eine 70- bis 80-Stunden-Woche?

Der Bundestag hat nunmehr in 2007 eine Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung verabschiedet. Die Entschädigung der Abgeordneten soll sich an dem Gehalt anderer Amtsinhaber mit ähnlicher Verantwortung und Belastung orientieren. Als Richtgröße sollen die Bezüge von Bürgermeistern kleiner Städte und Gemeinden mit 50 bis 100 Tausend Einwohnern gelten. Sie erhalten als kommunale Wahlbeamte auf Zeit eine Vergütung der Besoldungsgruppe B6. Als vergleichbar wurden auch die einfachen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, etc.) angesehen, die bei der Ausübung ihres Amtes ähnlich wie Abgeordnete unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Sie erhalten eine Vergütung nach der Besoldungsgruppe R6. Auch ein Unterabteilungsleiter in einem Bundesministerium beispielsweise verdient wie ein Abgeordneter.

Um die Abgeordnetenentschädigung auf diese Vergütung anzuheben wurde entschieden, die Entschädigung in zwei Schritten anzuheben: Zum 1. Januar 2008 wurde die Abgeordnetenentschädigung um 330 Euro auf 7.339 Euro und zum 1. Januar 2009 um 329 Euro auf 7.668 Euro angehoben. Das entspricht dem Stand von R6 im Jahr 2007. Diese Abgeordnetenentschädigung ist wie alle Einkommen (Lohne, Gehälter) zu versteuern. Bei der Einführung der Pflegeversicherung in Deutschland wurde vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Feiertag gestrichen. Da die Abgeordneten jeden Tag Abgeordnete sind, konnte man ihnen natürlich keinen Feiertag streichen, deshalb wurde das ausgezahlte „Gehalt“ entsprechend reduziert. Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, ein dreizehntes Monatsgehalt oder ähnliches bekommen Abgeordnete im Übrigen nicht.

Zugleich wurde die Steigerungsrate für die Altersversorgung von 3 auf 2,5 Prozent pro Mandatsjahr abgesenkt. Während früher ein Abgeordneter nach 8 Mandatsjahren bereits 35 Prozent der Abgeordnetenentschädigung als Altersversorgung erhielt, waren es nach 1995 nur 24 Prozent, seit 2008 sind es nur noch 20 Prozent.

Gerne stehe ich Ihnen für weitere Fragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Anette Kramme

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