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Anette Kramme
SPD
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Frage von Heinrich V. •

Frage an Anette Kramme von Heinrich V. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Kramme,

der Justiz- und Psychiatrieskandal Gustl Mollath ist Ihnen doch sicherlich nicht verborgen geblieben, oder?

Was können Sie dazu beitragen, dass Herr Mollath schnellstens aus der Bayreuther Forensik entlassen wird?

Wie man der heutigen Rheinischen Post entnehmen kann, wurde gestern im Bundestag ein Gesetz verabschiedet, welches eine Zwangsbehandlung mit schlimmsten Nervengiften ab sofort wieder möglich macht. Siehe: http://bit.ly/104m49Y

Haben Sie im Bundestag dafür gestimmt?

Bitte gebe Sie mir kurzfristig Antwort.

Mit freundlichen Grüßen nach Bayreuth

Heinrich Vetter

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Vetter,

persönlich kann ich kaum etwas tun für Herrn Mollath. Grundlage unserer
Demokratie ist die Gewaltenteilung. Das Grundgesetz garantiert die
richterliche Unabhängigkeit. Und es ist richtig und wichtig, dass die
Rechtsprechung vor jeglicher Einflussnahme durch Exekutive und
Legislative geschützt wird.

Aufgrund der in den Medien veröffentlichten Tatsachen gibt es aber
hinreichend Anhaltspunkte, die ein Wiederaufnahmeverfahren
rechtfertigen. Die Staatsanwaltschaft hat ein solches ja bereits
angekündigt und ich hoffe, dass dieses zügig kommt.

Zu Ihrer zweiten Frage:

Der Deutsche Bundestag hat am 17. Januar 2013 den Entwurf eines Gesetzes
zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche
Zwangsmaßnahme in 2. und 3. Lesung verabschiedet. Auch die
SPD-Bundestagsfraktion hat für den Gesetzentwurf in geänderter Fassung
gestimmt.

Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Die Behandlung
gegen den ausdrücklichen Willen des Patienten stellt einen erheblichen
Grundrechtseingriff dar. Allerdings kann das Fehlen einer solchen
Möglichkeit im Rahmen des Betreuungsrechtes dazu führen, dass Betroffene
einen schwerwiegenden gesundheitlichen Schaden nehmen. Uns war es daher
besonders wichtig, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Recht auf
freie Selbstbestimmung auf der einen Seite und dem Schutz vor einer
erheblichen gesundheitlichen Gefährdung auf der anderen Seite zu schaffen.

Es ist uns gegen den anfänglichen Widerstand der Koalitionsfraktionen
gelungen, die Durchführung eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens
durchzusetzen. Neben einem erweiterten Berichterstattergespräch mit
externen Sachverständigen, haben wir darüber hinaus die Durchführung
einer öffentlichen Anhörung unter Teilnahme von Betroffenen erreichen
können sowie diverse interne Berichterstattergespräche durchgeführt. Im
Zuge dieser Beratungen konnte die SPD-Bundestagsfraktion einige wichtige
Änderungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs der Koalition durchsetzen.
Dieser wies in seiner Ursprungsfassung deutlich zu geringe Hürden für
die Anwendung medizinischer Zwangsmaßnahmen auf. Auf diese Weise konnten
wir die Rechte der Betroffenen deutlich gestärkt werden.

Die Durchführung einer medizinischen Zwangsmaßnahme wird auf eine neue
gesetzliche Grundlage gestellt und nur mit einer richterlichen
Genehmigung möglich sein. Sie darf nur als letztes Mittel zur Abwendung
eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens, der durch keine
andere zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann, angeordnet werden.
Auch muss zuvor versucht worden sein, den Betreuten von der
Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen, um seine
freiwillige Zustimmung zur Behandlung zu erreichen.

Wir haben uns auch für die Stärkung der Rechte der Betreuten im
gerichtlichen Verfahren eingesetzt. Im Verfahren wird den Betroffenen
zukünftig immer ein Verfahrenspfleger zur Seite gestellt und Gutachten
von Sachverständigen zur Bewertung der Maßnahme eingeholt. Der
Sachverständige soll nicht der behandelnde Arzt sein. Falls die Maßnahme
über 12 Wochen hinaus erfolgen soll, ist eine externe Begutachtung
erforderlich. Der Arzt soll den Patienten noch nicht behandelt haben und
soll außerdem nicht Arzt in der Unterbringungsklinik sein.

Die Koalitionsfraktionen sind uns im Laufe der Beratungen in einigen
wichtigen Punkten entgegengekommen, so dass wir dem Entwurf in
geänderter Fassung zustimmen konnten.

Das Thema der medizinischen Zwangsbehandlung ist damit aber längst nicht
abschließend behandelt. Es gilt weitere Schritte insbesondere im
präventiven Bereich einzuleiten. Zum Beispiel müssen die ambulanten
Hilfesysteme ausgebaut werden, um in Krisensituationen den Betroffenen
schnell und frühzeitig helfen zu können. Darüber hinaus sollten
Patienten rechtzeitig auf die Möglichkeiten einer Patientenverfügung und
einer Vorsorgevollmacht hingewiesen werden, damit ihr tatsächlicher
Wille dokumentiert ist.

In Anbetracht der Sensibilität des Themas und des enormen öffentlichen
Interesses wird die SPD-Bundestagsfraktion diese und weitere Fragen in
ihren Arbeitsgruppen zeitnah beraten und weitergehende Vorschläge in die
politische Diskussion einbringen.

Sie können sich sicher sein, dass wir uns gerade auch für eine
Verbesserung der Situation von unter Betreuung stehenden psychisch
kranken Menschen in Deutschland einsetzen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Anette Kramme

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