Frage an Anette Kramme von Hans H. bezüglich Soziale Sicherung
U.a. Aktion Mensch unterstützt unsere Fluxus-Aktion für einen Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik. http://www.kunstlandschaft-spandau.de/aktion_mensch.htm
Wir verankerten Ihre Antwort auf Abgeordnetenwatch zum Thema Schwerbehinderte, aber sie geht auf unseren Problemlösungsvorschlag, dass Schwerbehinderte für ein Bürgergeld selbstbestimmt gemeinnützige Arbeit in gemeinnützigen Vereinen verrichten könnten, nicht ein.
Der Arbeitswert wird in Ihrem System beständig begutachtet, Schwerbehinderte müssen beständig durchleben, dass sie auf dem Arbeitsmarkt wie eine preisreduzierte Ware angeboten werden, die niemand will. Schwerbehinderte werden mit Hilfe von Drohungen, ihnen das Existenzminimum zu entziehen, gezwungen, in Behindertenwerkstätten zu arbeiten, in denen sie durchleben müssen, dass ein Teil der Belegschaft (sogenannte Betreuer) Arbeitslohn erhält, während sie im Sozialhilfestatus leben und arbeiten müssen und den Sozialhilfestatus durch Arbeitsleistungen gar nicht verlassen können. Es verletzt Menschenwürde.
Wir bitten Sie und Ihre Partei um einen Problemlösungsvorschlag, wie Sie nach einerWahl auf diese Grundsituation von Schwerbehinderten rasch und grundlegend reagieren wollen?
Sehr geehrter Herr Hartung,
haben Sie vielen Dank für Ihre Mail und Ihre Nachfrage.
Ich hoffe, dass Ihnen und allen, die meine erste Antwort gelesen haben, deutlich geworden ist, wie viel Bedeutung meine Fraktion und ich der Politik für Menschen mit Behinderungen beimessen. Tatsächlich habe ich beim letzten Mal Ihre Anfrage so verstanden, dass es Ihnen um ein bedingungsloses Grundeinkommen geht. Nun haben Sie Ihre Nachfrage präzisiert und selbstverständlich möchte ich Ihnen auch hierzu eine Antwort geben:
Ihre Idee, dass schwerbehinderte Menschen ein Bürgergeld erhalten für gemeinnützige Arbeit in anerkannten gemeinnützigen Vereinen ist mir tatsächlich neu und scheint mir überlegenswert. Dass das Wort "Bürgergeld" bislang fast ausschließlich im Kontext der Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen verwendet wird, erklärt meine erste Antwort.
Das von Ihnen vorgeschlagene Modell erinnert mich an arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, wo es darum geht, Menschen für sogenannte "zusätzliche" (auch gemeinnützige) Arbeiten zu entlohnen. Allerdings sind die Menschen dann nicht sozialversicherungspflichtig versichert und sie leben von Grundsicherungsleistungen.
Bei Ihrem Vorschlag stelle ich mir zwei Fragen:
1.) So gut ich Ihre Idee finde, sollten wir nicht eher versuchen, alle Menschen mit Behinderungen möglichst in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren - auch wenn wir noch weit von diesem Ziel entfernt sind? Den Inklusionsgedanken zu Ende gedacht, wäre das unser Ziel.
2.) Und wenn wir es mit Behinderungen zu tun haben, die eine Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt definitiv nicht möglich machen, wie stellen wir dann die notwendige Hilfe und Betreuung für die behinderten Menschen sicher? Zum Beispiel im Fall von gemeinnützigen Tätigkeiten: Wer bezahlt, organisiert und betreut das? Nicht alle gemeinnützigen Vereine haben von sich aus die Kapazitäten, diese organisatorische Arbeit zu stemmen. Wir müssten Dritte beauftragen, die Betreuung sicher stellen, etc.
Sie sehen, ein gut gemeinter Vorschlag zieht eine Reihe von weiteren Fragen, Konkretisierungen und Umsetzungsproblemen nach sich, die alle bedacht werden müssen.
Seien Sie aber versichert, dass wir Ihre Idee aufgreifen und für unsere weiteren Arbeiten berücksichtigen.
Zu Ihren anderen Anmerkungen:
Ihre Aussagen zu den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen teile ich so nicht. Sicherlich werden wir in diesem Bereich immer mit Unzufriedenheiten konfrontiert sein. Mir sind aber auch Fälle bekannt, wo Menschen eine mögliche Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht annehmen wollen und stattdessen die Sicherheit bevorzugen, die eine Arbeit in der Werkstatt ihnen bietet: Kranken-, Unfall-, Pflege- und Rentenversicherung.
Und zu Ihrer Frage, welche grundlegenden Änderungsvorschläge meine Fraktion im behindertenpolitischen Bereich hat, möchte ich zu den Antworten in meinem ersten Brief noch ergänzen, dass meine Fraktion im Rahmen der anstehenden Reform der Eingliederungshilfe vorgeschlagen hat, die Einführung eines Bundesteilhabegeldes zu prüfen. Vermutlich geht dieser Vorschlag am ehesten in die Richtung Ihrer eigenen Überlegungen. Allerdings haben wir die Idee eines Bundesteilhabegeldes nicht mit freiwilligen gemeinnützigen Tätigkeiten verbunden.
Freundliche Grüße
Anette Kramme