Werden Sie für eine allgemeine Impfpflicht stimmen?
Sehr geehrter Herr Hunko,
ich bin 2x geimpft und werbe dafür, dass sich so viele Menschen wie möglich gegen Corona impfen lassen. Ich muss aber auch sagen, dass ich froh bin, in einem Land zu leben, wo ein Staat nicht einfach bestimmen kann, dass sich die Bevölkerung mit einem Medikament impfen lassen muss, welches nur per Notzulassung im Einsatz ist und wo sich die Hersteller aus Haftungsrisiken haben rausschreiben lassen.
Eine Pflicht zu impfen kann nicht in Frage kommen. In einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft muss die Impfquote durch Argumentation erhöht werden.
Ich kann zukünftig nicht für eine Partei / eine/n Abgeordnete/n stimmen, die in dieser für mich übergeordneten Frage, entgegen meiner Interessen stimmt und bitte Sie daher, die Frage der Grundrechte nicht entsprechend der Tagespolitik auszulegen, sondern als nicht verhandelbar anzusehen.
Ronny S. aus Aachen
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage zu einer möglichen Impfpflicht. Ich habe mich wie Sie für die Impfung entschieden und bin dennoch gegen die Einführung einer allgemeinen COVID-19-Impfpflicht.
Bei den in Deutschland verfügbaren Impfstoffen gegen Covid-19 handelt es sich um Vakzine mit neuartigem Verfahren und bedingter Zulassung, die abhängig von Alter und Vorerkrankungen einen relevanten Schutz vor schweren Verläufen und einen begrenzten Schutz vor Weiterverbreitung des Virus gewährleisten. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wies darüber hinaus zurecht darauf hin, was die Impfstoffe nicht leisten können: eine umfängliche Immunisierung und darüber eine Ausrottung des Virus. Die Impfung ist deshalb für bestimmte Bevölkerungsgruppen sinnvoll. Die Abwägung zwischen Risiko und Nutzen stellt sich je nach individuellen Merkmalen aber unterschiedlich dar. Deshalb muss die Impfung eine individuelle Entscheidung bleiben.
Diese Position der Freiwilligkeit hat im Januar auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates mit überwältigender Mehrheit betont (https://pace.coe.int/en/files/29004/html) – auch um Vertrauen zu schaffen und eine höhere Akzeptanz zu erreichen.
Viele historische Erfahrungen und auch aktuelle Ländervergleiche zeigen, dass autoritäre Maßnahmen wie etwa eine Impfpflicht nicht geeigneter zur Pandemiebekämpfung sind. Das Ziel einer höheren Impfquote insbesondere in den Risikogruppen ließe sich auch mit deutlich milderen Mitteln erreichen. Statt einer Impfpflicht brauchen wir aufsuchende niedrigschwellige Angebote, insbesondere bzgl. Risikogruppen. Das Bundesland Bremen (https://taz.de/Gesundheitssenatorin-ueber-Impfpflicht/!5818583/) aber auch andere europäische Länder haben ohne Verpflichtung hohe Impfquoten erreicht.
Darüber hinaus brauchen wir endlich eine verlässliche und transparente Datenerhebung, sowie eine Stärkung des öffentlichen Gesundheitssystems und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Entlohnung der Pflegekräfte. Das würde auch das Vertrauen in die Corona-Politik signifikant erhöhen.
Mit freundlichen Grüßen
Andrej Hunko