Frage an Andreas Waldowsky von Gabriele W. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Waldowski,
wie sinnvoll finden Sie die Studiengebühren?
Eigentlich war ich Verfechter der Gebühren-Einführung in der Annahme, dass die Studenten bessere Studienbedingungen vorfinden würden, größeres Bildungsangebot, leerere Lehrsäle, pflichtbewusstere Professoren. Jetzt drängt sich mir aber der Verdacht auf, dass lediglich kürzere Studienzeiten erzwungen werden sollen, um die Kosten der Bildung zu reduzieren.
Sehr geehrte Frau Wintschnig,
ich bin kein Fachmann für Hochschulpolitik und so antworte ich ihnen ein wenig laienhaft. Mir ging es wie Ihnen. Auf der einen Seite weiß ich auch noch aus eigenen Studientagen, dass die Studienbedingungen schon seit langem in vielen Bereichen miserabel sind und die Universitäten dringend neue Gelder brauchen. Auf der anderen Seite ist mir auch klar, dass in allen Bereichen der Bildung vom Kindergarten bis zum Abitur nicht minder miserable Verhältnisse herrschen. Deshalb konnte ich es sehr gut nachvollziehen, dass viele Bundesländer einen Schwerpunkt in der vorschulischen Bildung gesetzt haben. Nicht erst seit dem Pisa-Schock ist bekannt, dass viele Kinder mit schwierigem bildungsfernen häuslichen Umfeld mit so großen Handikaps in die Grundschule kommen, dass schließlich etwa 10% eines Jahrganges nicht mal einen Schulabschluss schafft, von der Möglichkeit zu studieren ganz zu schweigen. Für diese Kinder hat sich in den letzten Jahren sehr vieles zum Besseren gewandelt und dafür sind erhebliche finanzielle Mittel aufgewandt worden. Und dies reicht noch lange nicht aus: Die Aufgaben von Erziehern und Erzieherinnen sind noch anspruchsvoller geworden, aber deren Bezahlung ist nach wie vor ausgesprochen bescheiden. Pisa hat zudem festgestellt, dass etwa ein Viertel aller Schüler im Leseverstehen und im mathematischen Verständnis so erhebliche Lücken hat, dass sie damit den Anforderungen der Berufswelt lange nicht gerecht werden. Auch hier besteht noch erheblicher Förderbedarf und dies geht nur durch intensivere Betreuung in kleineren Klassen.
Im Hochschulbereich scheint es hingegen möglich, dass alle Studierenden einen stärkeren Beitrag zu den Ausbildungskosten leisten, da sie ja auch in der Regel nach dem Studium überdurchschnittlich gut verdienen. Sinn der Studiengebühren ist ein besserens Studium durch eine bessere finanzielle Ausstattung aller Fachbereiche, nicht nur der, die durch Drittmittel gut ausgestattet sind. Zudem hat das Studium einen anderen Wert, wenn es kostenpflichtig ist, und verpflichtet Lehrende wie Studierende zu mehr Zielstrebigkeit.
Mittlerweile zeigt sich aber, dass die Studiengebühren keine positiven Effekte haben. Die Zahl der Studierenden ist rückläufig. Insbesondere Abiturienten aus Nichtakademikerhaushalten entscheiden sich jetzt vermehrt für eine Berufsausbildung. Die Stipendienprogramme, die für Begabte eingerichtet werden sollten, sind nur ansatzweise eingerichtet worden. Damit maschieren wir zurück in längst vergangene Zeiten, wo der Beruf des Vaters und nicht die Begabung für den Werdegang der Kinder ausschlaggebend war. Diese Entwicklung ist für Hochtechnologieland wie Deutschland ganz fatal. Nicht minder fatal ist, dass Studierende der unterschiedlichsten Hochschule darüber klagen, dass die Studienbedingungen keinesfalls besser geworden sind. Ein Bekannter, Dozent an einer Hamburger Hochschule, berichtet mir hinter vorhehaltener Hand, dass man dort gar nicht genaus wisse, was man mit den Studiengebühren anfangenm soll, und dass sein Fachbereich aufgefordert worden sei, möglichst schnell Investitonen von diesem Geld zu tätigen, damit es nicht sinnlos rumliege.
Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen mit Studiengebühren, halte ich es für nur folgerichtig, dass die GAL fordert, die Studiengebühren unverzüglich abzuschaffen. Dies ist bekanntlich auch die Forderung des SPD-Bürgermeisterkandidaten Michael Naumann, so dass ein rot-grüner Senat nach der Wahl sofort eine neue und soziale Hochschulpolitik einleiten wird.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Waldowsky