Frage an Andreas Trunschke von Andy B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Dr. Trunschke.
Ich habe ein paar Fragen, die ich kurz formulieren will.
Wie gedenken sie die zum Teil grotesk anmutenden Versprechungen ihrer Partei, bezüglich des allumfassenden Sozialstaates realistisch finanzieren zu können?
Befürchten sie nicht, dass die von ihre Partei angedachten Steuererhöhungen, zu einer riesigen Kapitalflucht führen würden und somit letztlich dem Wirtschaftsstandort enormer Schaden zugefügt würde?
Wie stehen sie zum Vorwurf, Gysi und Lafontaine seien letztlich ausschließlich Populisten, die beide in der Regierungsverantwortung versagt hätten?
Wie erklären sie sich, dass sowohl Gysi als auch Lafontaine zu den Zeitpunkten in den sie in Verantwortung standen, starke Einschnitte in die Sozialen Sicherungssystem forderten, diese heute allerdings als „soziale Schweinereien“ bezeichnen?
Und von ihnen persönlich wüßte ich gern, ob sie SED-Mitglied waren und wie sich zum Unrechtsregime der DDR stellen?
Ich bedanke mich bereits im Vorraus fuer ihre Muehen!
Sehr geehrter Herr Bacher,
dass wir ungedeckte Versprechungen machen, kann man zwar fast täglich in Zeitung lesen, einen Beweis habe ich dagegen bisher nicht gefunden. Ich halte die Behauptungen der anderen Parteien für Wahlkampfgetöse. Tatsächlich ist unser Wahlprogramm mit einem Steuerprogramm verbunden, das immerhin 64 Mrd. Euro einbrächte. Ich sehe zwei Hauptgründe für die defizite in den öffentlichen Haushalten. Erstens die Massenarbeitslosigkeit. Dadurch sind die Sozialsysteme überbelastet. Unser Programm zielt daher vor allem auf den Abbau dieser Arbeitslosigkeit ab. Zum einen soll die Binnennachfrage angekurbelt werden. Erklärter Maßen ist diese das Hauptproblem unserer Volkswirtschaft. In diese Richtung zielen auch die Vorschläge zur Erhöhung des Kindergeldes und der Angleichung des ALG II. Es muss vor allem bei den unteren Einkommen nachgebessert werden, da diese vor allem das zusätzliche Geld in den Konsum geben. Die Vorschläge der anderen Parteien, die letztlich auf eine weitere Drosselung der Binnennachfrage zielen, halte ich für kontraproduktiv. Der zweite Grund besteht in einer gigantischen Umverteilung von unten nach oben, die erst durch Schwarz-Gelb, dann verschärft durch Rot-Grün vorgenommen wurde. Die Kassen sind nicht leer, sondern leer gemacht worden. Die Steuergeschenke brachten bei den unteren Einkommen eine geringe Entlastungen, die durch erhöhte Gebühren längst wieder aufgefressen wurden. Die Vorschläge der PDS zielen allesamt auf eine wieder stärkere Beteiligung der Reichen an der Finanzierung des Gemeinwesens. Dabei bleiben wir oft deutlich hinter dem international üblichem und dem Stand, den es selbst einmal in Deutschland gab. Die Gefahr einer Kapitalflucht sehe ich nicht, jedenfalls nicht wegen der Vorschläge der PDS. Zum Beispiel wollen wir bei der Vermögenssteuer eine Besteuerung, die weit unter der in den USA bleibt. Nach unserem Konzept kämgen ca. 25 Mrd. Euro zusammen; wenn es wie in den USA gemacht würde ca. 40 Mrd. Euro. Sie werden zugeben, auch in den USA sind die meisten Unternehmen und Reichen mit ihrem Kapital noch im Land. Außerdem setzen wir uns für die Einführung der sogenannten Tobin-Steuer ein, die nicht nur weiteres Geld bringen würde, sondern die Möglichkeiten der Kapitalflucht verringern würde.
Mir hat die Art und Weise, wie Lafontain und Gysi ihre Posten verlassen haben, nicht gefallen. Allerdings sehe ich es nicht als Flucht aus der Verantwortung. Lafontain war länger als fast alle jetzt amtierenden Politiker in Ämtern. Damals hatte er zu entscheiden, ob er den Kurs von Schröder mitmacht, den er nicht teilt, oder ob er Schröder stürzt. Für letzteres gab es weder die Möglichkeit, vermutlich war er dazu auch zu loyal. Letztlich müssen sie das ihn selbst fragen. Was Gysi betrifft, so würde ich mir wünschen, auch andere Politiker nehmen Verfehlungen so ernst, daraus die Konsequenz zu ziehen, sich teilweise oder zeitweise aus der Politik zurückzuziehen. Ich sehe gerade die Verantwortung, die er wahrgenommen hat, als Grund für die Niederlegung seines Postens.
Wenn eine linke Partei sich am Abbau sozialer Standards beteiligt, ist das immer ein Problem. Ich selbst bin vielfach mit dem Kurs gerade der Berliner PDS sehr unzufrieden und habe dazu mehrfach Artikel veröffentlicht. Allerdings sehe ich auf der anderen Seite auch, dass die Möglichkeiten auf Landesebene sehr begrenzt sind. Erstens sind sie an die Bundesgesetze gebunden und könnten höchstens entscheiden, sich aus der Regierungsverantwortung zurückzuziehen oder Gesetze zu brechen. Zweitens haben sie auf die entscheidenden Stellschrauben wie die Steuern keinen Einfluss. Das liegt auf Bundesebene. Schließlich will ich meine Berliner Genossen so weit in Schutz nehmen, dass sie versuchen, die Wirkungen z.B. von Hartz IV für die Betroffenen abzumildern, soweit sie dazu einen Spielraum haben.
Ich selbst war Mitglied der SED. Mit der Wende begann ich, politisch zu arbeiten. Vorher war ich in keiner Funktion. Ich habe bereits zu DDR-Zeiten sehr viel und heftig an der DDR kritisiert, allerdings damals nicht alles gesehen, was mir heute als kritikwürdig erscheint. Merhmals wollte man mich aus der SED ausschließen. Allersdings blieb meine Kritik meist im Rahmen der SED, denn ich hatte viele Genossen um mich, die das ähnlich wie ich sahen. Ich hoffte lange, dass wir gemeinsam etwas verändern können. Dennoch würde ich die DDR auch heute nicht als Unrechtsregime bezeichnen, sondern als einen Staat, in dem es viel Unrecht gab, auch Unrecht, das in keiner Weise erklärbar oder entschuldbar ist. Über die Einleitung der Wende war ich sehr froh und erhoffte mir damals eine bessere DDR. Die BRD schien mir aufgrund der vielen sozialen Probleme, wegen des Umgangs mit ehemaligen Nazis keine Alternative zu sein. Heute sehe ich viele Vorteile der BRD, zum Beispiel den Rechtsstaat, und dennoch möchte ich mich weiter sowohl für Freiheit als auch für soziale Gerechtigkeit und Solidarität engagieren. Die soziale Kälte und die schrittweise Einschränkung der bürgerlichen Grundrechte durch die anderen Parteien will ich nicht hinnehmen, sondern im Rahmen des Grundgesetzes um eine andere Politik kämpfen. Ich bin für einen Ausbau der Demokratie z.B. durch Volksentscheide oder neuere Formen wie den bürgerhaushalt, für den ich mich sehr engagiere. Deshalb bin ich in der Linkspartei.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Trunschke