Frage an Andreas Storm von Konrad F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Storm,
der Chaos Computer Club veröffentlichte am 13. Februar 2009 einen Vertragsentwurf der geheim zwischen dem BKA und einigen deutschen Internet Service Providern (ISPs) geschlossen werden sollte [1]. In diesem werden die ISPs verpflichtet Domains auf einer Liste, die vom BKA gestellt wird, für die Kunden der ISPs zu blockieren. All dies erfolgt geheim und ohne gesetzliche Grundlage. Die bisher von Familienministerin von der Leyen vorangetriebenen Bemühungen der Internetzensur sind nach Aussagen von Experten [2], die im Unterausschuss Neue Medien eingeladen wurden, im allgemeinen wirkungslos.
Kinderpornographische Inhalte sind nicht zu dulden und müssen ohne jede Frage bekämpft werden, aber die hier vorgeschlagenen Maßnahmen lassen sich sehr einfach vom technisch Versierten umgehen, bieten aber eine große Gefahr als Zensurmittel zu dienen. Dieser momentane Aktionismus der anscheinend ohne technisches Grundwissen fahrlässig oder vielleicht sogar bewusst geplant ist, stellt einen Angriff auf die Grundpfeiler der Demokratie dar. Es scheint , als habe der "Kampf gegen Terror" ausgedient und nun werde der "Kampf gegen Kinderpornographie" genutzt, um Überwachungs- und Kontrollwahn zu rechtfertigen und Gesetzen zur Stärkung der kommerziellen Inhalteanbieter durchzupeitschen.
Ich würde gerne Ihren Standpunkt mit entsprechender Begründung zu der geheimen Internetzensur durch das BKA und zukünftige Maßnahmen hören.
Herzliche Dank und viele Grüße
Dr. Konrad Förstner
[1] http://ccc.de/updates/2009/filter-pm
[2] http://www.heise.de/newsticker/Experten-betrachten-geplante-Kinderporno-Sperrmassnahmen-als-wirkungslos--/meldung/132482
Sehr geehrter Herr Dr. Förstner,
vielen Dank für Ihre Anfrage über die Internetplattform www.abgeordentenwatch.de , in der Sie das Thema Sperrung kinderpornografischer Inhalte im Internet angesprochen haben.
Im Austausch mit der Arbeitsgruppe Innen der CDU/CSU - Bundestagsfraktion kann ich Ihnen zum Sachstand folgendes mitteilen:
Um eine gesetzliche Verpflichtung der Internetzugangsanbieter zur Sperrung kinderpornografischer Webseiten vorzunehmen, wird ein zweistufiges Verfahren angestrebt. In einem ersten Schritt soll die Sperrung auf vertraglicher Grundlage zwischen den Internetzugangsanbietern und dem Bundeskriminalamt erfolgen. In einem zweiten Schritt sollen dann entsprechende gesetzliche Regelungen geschaffen werden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass in Einzelfällen bereits heute der Zugangsanbieter zu entsprechenden Sperren aufgrund geltenden Rechts verpflichtet werden kann.
Gesperrt werden soll der Zugang zu Webseiten, die vom Bundeskriminalamt in einer tagesaktuell erstellten Liste als solche mit kinderpornografischem Inhalt identifiziert wurden. Soweit ein Nutzer versucht, auf eine gesperrte Seite zuzugreifen, erscheint statt der gewünschten Webseite eine standardisierte so genannte Stopp-Seite, die den Nutzer darüber in Kenntnis setzt, dass er im Begriff war, auf eine Seite mit kinderpornografischem Inhalt zuzugreifen, und ihm eine Adresse zur Kontaktaufnahme mit dem BKA nennt.
Eine Sperrung stellt nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 3 GG gemäß Bundesverfassungsgerichtsentscheidung Band 87, Entscheidung 209, Stelle 230 (BVerfGE 87, 209, 230) keine unzulässige Zensur dar. Unzulässig ist allein ein staatliches Eingreifen vor der eigentlichen Veröffentlichung, die so genannte Vorzensur. Hier geht es jedoch um die Sperrung des Zugangs zu existierenden und damit der Öffentlichkeit bereits zugänglichen Angeboten im Internet. Es ist staatlichen Behörden daher unbenommen, das Anbieten solcher verabscheuungswürdigen und nach deutschem Recht strafbaren Inhalte zu unterbinden.
Jedem Inhaltsanbieter steht es frei, für den Fall in dem er von einer Sperrung betroffen ist und meint, dies sei zu Unrecht geschehen, da die von ihm angebotenen Inhalte nicht rechtswidrig seien, gegen die Sperrung vorzugehen. Das listenführende Bundeskriminalamt wird dazu verpflichtet sein, eine Dokumentation vorzuhalten, mittels derer der Nachweis geführt werden kann, dass die in der Liste geführten Seiten kinderpornografische Schriften enthalten.
Die Sperrung erfolgt durch den Internet-Service-Provider gegenüber seinem Kunden. Sie ist damit Teil des Vertragsverhältnisses zwischen dem Service-Provider und seinem Kunden und stellt keinen öffentlich-rechtlichen Rechtsakt dar. Sollte ein Kunde der Auffassung sein, ihm sei der Zugriff auf unbedenkliche Seiten zu Unrecht verweigert worden, müsste er sich zivilrechtlich gegen seinen Internet-Service-Provider wenden.
Ich hoffe Ihnen mit diesen Ausführungen weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Storm MdB