Frage an Andreas Storm von Dieter P. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Verehrter Herr Storm,
fast zeitgleich mit Ihrer Zustimmung zur Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr wird in der "Zeit" eine UNODC-Statistik über den Auswuchs des dortigen Schlafmohnanbaus berichtet. Danach wuchs der Anbau 2007 um 17% gegenüber 2006, gegenüber 2001um über 400%!
M.W. sind wir gem. internationaler Abkommen verpflichtet, weltweit gegen den Drogenanbau vorzugehen. Verstößt die Bundeswehr da nicht permanent gegen diese Ver- pflichtung ? Ein solches Vorgehen würde den Taliban doch auch den Geldhahn für ihre Waffenkäufe zudrehen. Fördert die Bundeswehr durch ihre Mohnanbau-Duldung nicht auch das eigenen Risiko?
Ich kann mir das nicht erklären. Können Sie dies ?
Freundliche Grüße
Dieter Pütter
Sehr geehrte Herr Pütter,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 15. Oktober 2007 über das Medium www.abgeordnetenwatch.de, in der Sie den Anbau von Schlafmohn in Afghanistan ansprechen.
Das Konzept der Bundesregierung, welches auf den zwei Mandaten ISAF und OEF beruht, für das Engagement in Afghanistan, sieht einen verstärkten zivilen Wiederaufbau, eine verstärkte Unterstützung für den Aufbau und die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte und die Fortführung des militärischen Engagements zur Absicherung des Aufbaus vor.
Im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten hat sich Afghanistan mit der Hilfe vom Ausland sehr positiv verändert. Es gibt bereits eine gewählte Regierung und ein Parlament, in dem auch Frauen vertreten sind, und eine Verfassung für Demokratie und Bürgerrechte existiert. Mit unserer Unterstützung entstehen Überlandleitungen und Wasserkraftwerke zur Stromversorgung von 500.000 Menschen im Norden Afghanistans. Unser Ziel ist es alle 29 Millionen Einwohner mit frischem Wasser und Strom zu versorgen.
Der Anbau von Schlafmohn zur Opiumherstellung zählt dennoch zu den größten Problemen in Afghanistan, da er unsere Fortschritte bei der Friedenstabilisierung und beim Wiederaufbau des Landes untergräbt. Die hohen Einkünfte aus der Drogenwirtschaft verfestigen außerstaatliche, mafiöse und terroristische Machtstrukturen sowie die bis in hohe Regierungskreise hineinreichende Korruption. Das Netz von Abhängigkeiten der Bauern und der ganzen Region von Drogenökonomie, von Zwischenhändlern, Drogenbaronen und Warlords ist schwer zu durchbrechen, deshalb ist die Drogenbekämpfung nicht von einem Tag auf den anderen möglich.
Wesentlicher Eckpfeiler für den Erfolg der Drogenbekämpfung in Afghanistan ist daher das Gelingen des Aufbaus einer drogenfreien Wirtschaft, einer korruptionsfreien Verwaltung und Reduzierung der Armut – insbesondere im ländlichen Raum. Das Drogenproblem reicht in alle Bereiche des Staatswesens hinein. Daher kann es keine schnelle Lösung geben. Nur ein langfristiges, entschlossenes und ganzheitliches Vorgehen gegen die Drogenökonomie kann zum Erfolg führen.
Es ist wichtig, die alternative Entwicklung der Auslandswirtschaftlichen Produktionsfelder durch den Anbau von Weizen, Zucker, Safran oder Rosen weiterzufördern. Ebenso von Bedeutung ist die Unterstützung beim Know-How von Anbautechniken bis hin zur Vermarktung und Export, damit in Afghanistan ein Ersatz für den Schlafmohnanbau entsteht und die Afghanen für sich und ihre Familie sorgen können.
Der Kampf gegen den Rauschgifthandel funktioniert nicht nur in Kooperation mit den Drogentransitländern Russland, Ukraine, Pakistan, Türkei und den zentralasiatischen Staaten, denn auch die Zusammenarbeit mit den Verbraucherländern in Europa, welche stärker gegen den Konsum vorgehen müssen, ist von hoher Priorität.
In den vergangenen Jahren wurden seitens der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft in diesem Bereich erhebliche Anstrengungen unternommen, so etwa beim Aufbau des Ministeriums für Drogenbekämpfung, bei Aufbau und Ausbildung von spezialisierten Polizeieinheiten und einer Anti-Drogeneinheit und bei der der Schaffung alternativer Einkommensmöglichkeiten.
Doch der Kampf gegen Drogenhandel zeigt Wirkung: Durch regionale Initiativen, wirtschaftliche Anreize für die Landbevölkerung und den Aufbau staatlicher Strukturen für mehr Sicherheit, konnte die Zahl drogenfreier Provinzen in diesem Jahr von 6 auf 13 erhöht werden. Die UN Drogenbehörde hat der afghanischen Regierung das Ziel gesetzt, im Jahr 2008 fünf weitere opiumfreie Provinzen zu schaffen – dann wäre ca. die Hälfte des Landes drogenfrei.
Mit Mikrokrediten kann die Abhängigkeit der Bauern von den Drogenbossen verringert werden und Selbstständigkeit erzeugt werden. Für ihre landwirtschaftlichen Produkte benötigen die Bauern Möglichkeiten zur Bewässerung, zur Lagerung und zum Transport. Erst die Nutzungsmöglichkeiten von Wasser, Strom und Straßen befähigt sie zur aktiven Teilnahme am afghanischen Markt. Deshalb ist ein gesicherter Aufbau der Infrastruktur sehr wichtig.
Ein vorzeitiger Abbruch des Afghanistan Engagements würde die afghanische Bevölkerung erneut einem Schicksal überlassen, an dessen Ende Unterentwicklung, Bürgerkrieg und Schreckenherrschaft stehen. Afghanistan darf nicht erneut zu einem Rückzugsraum für den internationalen Terrorismus werden, von daher ist die Bundesregierung entschlossen, ihren zivilen und militärischen Einsatz für die Stabilisierung und den Wiederaufbau Afghanistans fortzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Andreas Storm, MdB