Frage an Andreas Storm von Dieter P. bezüglich Recht
Lieber Herr Storm,
wir würden ja gern CDU wählen, aber Ihre Partei
hat sich bisher geweigert, das Grundgesetz endlich
um plebiszitäre Verfahren zu erweitern.
Ist diese ablehnende Haltung in Ihrem Wahl-
programm weiterhin fixiert ? Warum halten Sie den
Bürger für unreif, für politisch unterentwickelt ?
Wodurch unterscheiden wir uns denn von den
Holländern, den Franzosen, um von den Schweizern
erst gar nicht zu reden ?
Sehr geehrter Herr Pütter,
vielen Dank für Ihre kritische Email vom 6. August 2005 zum Thema Plebiszite.
Ich halte die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land keinesfalls für unreif oder politisch unterentwickelt. Sie haben vielfältige Möglichkeiten, um sich an der politischen Willensbildung in Deutschland zu beteiligen, unter anderem auch durch Volksinitiative, Volksbegehren und Volksabstimmungen auf kommunaler und Landesebene; nicht allerdings auf Bundesebene.
Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben die Bundesrepublik Deutschland als repräsentative, parlamentarische Demokratie verfaßt. Das Grundgesetz hat damit die Grundlage für die erste stabile und erfolgreiche Demokratie in der deutschen Geschichte geschaffen. Daran halten wir fest. Eine Änderung des Grundgesetzes zur Einführung plebiszitärer Elemente auf Bundesebene streben CDU und CSU deshalb nicht an.
Für ein „Demokratie-Ranking“ in dem von Ihnen gewählten Vergleich mit den Niederlanden, Frankreich und der Schweiz eignet sich diese Frage meines Erachtens nicht. Es geht vielmehr um die Frage, welche Form der Demokratie sich bewährt. Vor allem auf Bundesebene haben wir mit der repräsentativen, parlamentarischen Demokratie die besten Erfahrungen gemacht.
Wir sind der Auffassung, daß sich Volksinitiative, Volksbegehren und Volksabstimmung auf der für den Bürger überschaubaren kommunalen und auf der Landesebene bewährt haben. Hier sind sie auszubauen. Sie eignen sich jedoch nicht für die komplexeren Verhältnisse auf der Bundesebene.
Plebiszitäre Formen der Staatswillensbildung stellen gegenüber dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren nur scheinbar ein Mehr an Demokratie dar. Gegenüber der Notwendigkeit zur Reduzierung komplexer Sachfragen auf Ja-Nein-Alternativen im Plebiszit bietet das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren ein größeres Maß an Verfahrensrationalität, Interessenausgleich und Gelegenheit zum Kompromiß. Außerdem stellt es die nach Artikel 79 Absatz 3 Grundgesetz notwendige Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung sicher, die bei nationalen Plebisziten fehlt.
Zudem haben die meisten Befürworter von Volksabstimmungen große Probleme damit, die Frage zu beantworten, wie sie sich dazu stellten, wenn solche Volksabstimmungen Mehrheiten z. B. für die Todesstrafe oder die Abschaffung des Asylrechts brächten.
Aus diesen Gründen bin ich der Auffassung, daß gegenwärtig kein Handlungsbedarf in Sachen Plebiszit auf Bundesebene gegeben ist.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen meinen Standpunkt näher dargestellt zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Storm, MdB