Frage an Andreas Schwarz von Axel F.
Sehr geehrter Herr Schwarz,
voraussichtlich werden die Abgeordneten der Regierungsparteien, somit auch Sie, am Freitag für die Aufnahme weiterer Verhandlungen stimmen.
- Alexis Tsipras hat sein Volk aufgefordert, am 05.07. gegen weitere Sparmaßnahmen zu stimmen. Das Ergebnis der Verhandlungen vom vergangenen Wochenende bezeichnet er sinngemäß als aufgezwungen und bezweifelt dessen Sinn. Die Entwicklung der letzten 200 Jahre und Rhetorik der letzten Monate lassen bezweifeln, dass die griechische Regierung sich an die Vereinbarungen hält.
- Privatisierung öffentlicher Infrastruktur ist kein Allheilmittel weil es üblicherweise nur auf Rosinenpickerei hinausläuft. Äußerst zweifelhaft ist außerdem, dass durch den Verkauf öffentlichen Eigentums tatsächlich die angestrebten 50 Mrd EUR zu erzielen sind, da dieser Wert wohl in den Büchern stehen mag aber nie objektiv geprüft wurde.
- Durch die Nichtbeistandsklausel ist nicht nur nicht vorgesehen sondern ausdrücklich verboten, dass ein Land für die Verbindlichkeiten eines anderen eintritt. Nichts anderes soll aber wider besseren Wissen wegdefiniert werden.
Es offenbart sich immer mehr, dass eine zu enge Bindung inkompatibler Partner auf Dauer keinen Bestand haben kann. Bekanntermaßen wurde Griechenland nur aufgrund geschönter Daten in die Währungsunion aufgenommen, womit die Grundlage dafür von Anfang an nicht gegeben war und jeder Vertrag auf anderer Ebene damit gegenstandslos wäre.
Dass Frieden und Wohlstand in Europa gefährdet sind wenn Griechenland aus der Währungsunion ausscheidet ist schwer nachvollziehbar. Länder wie Polen, Norwegen, Schweiz und Türkei zeigen, dass es auch ohne übermäßig starke Bindungen funktioniert.
Was überzeugt Sie, dass das Ziel erreicht wird, dass durch diese wieder mal allerletzte Hilfe Griechenland in die Lage versetzt werden soll, langfristig ohne fremde Hilfe auskommen und noch dazu Altschulden zurückzahlen zu können?
Wie leiten Sie daraus ab, zum Wohle Ihres Volkes zu handeln?
Sehr geehrter Herr Fork,
vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Griechenland.
Ihr Unverständnis und Ihr Misstrauen kann ich durchaus verstehen. Die vergangenen Monate und Jahre waren geprägt von kleinen Fortschritten, aber auch von vielen Rückschritten. Darunter hat vor allem das Vertrauen gelitten. Dieses Vertrauen, nicht nur in Griechenland, sondern vor allem in das Friedensprojekt Europa, gilt es nun wieder herzustellen. Der Bundestag hat am vergangenen Freitag beraten, welcher Weg dafür der Beste ist.
Die griechische Regierung hat nun endlich einem Maßnahmenkatalog zugestimmt, der weit über das hinausgeht, was bisher auf dem Tisch lag. Ein Großteil der Maßnahmen wurde durch das griechische Parlament bereits umgesetzt, bevor der Bundestag zusammenkam. Das ist eine neue Qualität.
Ziel der europäischen Sozialdemokratie war und ist es, Griechenlands Verbleib im Euro sicherzustellen. Ein so genannter Grexit klingt vielleicht wie die einfachste Lösung, ist aber rechtlich höchst schwierig und in seinen finanziellen Folgen unkalkulierbar. Ich bin mir sicher, dass für Europa ein Grexit die teuerste Lösung wäre - politisch und finanziell.
Am Freitag hat der Bundestag noch nicht über ein drittes Hilfsprogramm beraten, sondern lediglich über die Aufnahme von Verhandlungen zu einem dritten Programm. Dabei gilt: Solidarität ist keine Einbahnstraße. Die griechische Regierung hat zugesichert, dass wichtige Reformen sofort umgesetzt werden, sonst wird es auch nicht zu einem dritten Hilfsprogramm kommen, über welches nun verhandelt werden wird. Zu diesen Reformen gehören eine Vereinfachung des Mehrwertsteuersystems und etwa erste Rentenreformen.
Gleichzeitig wird die europäische Familie ein Investitionsprogramm aus europäischen Fonds aufstellen, das mit einem Volumen von 35 Mrd. Euro der schwächelnden griechischen Wirtschaft endlich den entscheidenden Impuls geben soll, um die wirtschaftliche Talfahrt zu beenden. Nichts desto trotz liegt ein langer und mühsamer Weg vor allen Beteiligten.
Dieser Kraftanstrengung, die vor allen Europäern liegt, ist sich der Deutsche Bundestag sehr bewusst. Eine Kraftanstrengung insbesondere für die Menschen in Griechenland, aber auch für die europäischen Steuerzahler. Deshalb war die Abstimmung am Freitag für niemanden ein leichter Schritt. Die SPD-Bundestagsfraktion und ich sind jedoch davon überzeugt, dass wir Deutsche unseren Anteil am Zusammenhalt Europas leisten müssen.
Herzliche Grüße nach Neunkirchen a. Brand
Ihr Andreas Schwarz