Frage an Andreas Schockenhoff von Konstantin K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schockenhoff,
die große Koalition hat jetzt das BKA-Gesetz beschlossen. Es soll am kommenden Mittwoch dem Bundetag zur Abstimmung vorgelegt werden. Wieso liegt das Gesetz dem interessierten Bürger nicht irgendwo zum Durchlesen bereit? Beim letzten Entwurf musste es erst heimlich dem Blog netzpolitik.org zugespielt werden, bevor es an die Öffentlichkeit gelangte. Meine Fragen zum Gesetz muss ich daher auf verschiedenen Quellen aufbauen, denen gemeinsam ist, dass sie nur mutmaßen oder zu Ohren bekommen haben, was wirklich im Gesetz steht.
Erklären Sie mir bitte, wie demokratisch es ist, ein Gesetz bewusst unter Verschluss zu halten, während große Teile der Bevölkerung erhebliches Interesse daran haben?
Erklären Sie mir bitte, was es mit Bekämpfung von Terrorismus zu tun hat, wenn Journalisten gegenüber dem BKA ihre Quellen offen legen sollen, obwohl sie bisher das Recht hatten dies zu verweigern.
Erklären Sie mir bitte, warum die Verfasser des Grundgesetzes so viel Wert auf die strikte Trennung der Kompetenzen von Länder- und Bundesbehörden legten und warum diese mit dem neuen BKA-Gesetz teilweise wieder aufgehoben werden indem ein Bundes-Geheimdienst, vergleichbar mit dem amerikanischen FBI, aufgebaut wird?
Erklären Sie mir bitte, für wie wirksam Sie es halten, wenn die ausspähenden Beamten und ihre Kontrolleure, die sie zum "Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung" anhalten sollten, aus der ein und der selben Behörde stammen?
Erklären Sie mir bitte, für wie rechtstaatlich Sie es halten, wenn der Staat seine Bürger schon heimlich durchsucht (sowohl online als auch real)?
Erklären Sie mir bitte, warum Sie es nicht für lächerlich halten, dem Bundestrojaner ein (kosmetisches) voräufiges Ablaufdatum in 12 Jahren zu verpassen? Sollte es nicht selbstverständlich sein, dass Gesetze regelmäßig auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden?
und zuletzt: Werden Sie dem Gesetz kommende Woche zustimmen, sich enthalten oder es ablehnen?
Sehr geehrter Herr Klein,
vielen Dank für Ihre Zuschrift zum BKA-Gesetz über Abgeordnetenwatch. Sie erheben darin den Vorwurf, das der Gesetzentwurf im Vorfeld nirgends zugänglich war. Diese Aussage muss ich korrigieren: Wie alle anderen Behandlungsgegenstände des Deutschen Bundestages war auch dieser Gesetzentwurf ab Einbringung in den Bundestag öffentlich einseh- und lesbar, u. a. im Internet über http://dip21.bundestag.de/dip21.web/bt und über www.cducsu.de. Es kann also überhaupt nicht von einem bewussten "unter Verschluss halten" die Rede sein.
Da Ihre Frage, wie Sie selber schreiben, auch im Weiteren vor allem auf Mutmaßungen und Behauptungen beruht, ist es schwierig, eine Antwort zu geben. Ich will es dennoch versuchen:
Ich denke, uns allen muss es ein Bedürfnis sein, die Menschen in unserem Land vor terroristischen Angriffen zu schützen. Deshalb wird die Gefahrenabwehr im Bereich des internationalen Terrorismus optimiert. Diese Aufgabe übernimmt das BKA, dem dazu natürlich auch die erforderlichen Befugnisse erteilt werden müssen. Diese Befugnisse orientieren sich weitgehend an den Befugnissen der Bundespolizei und der Polizei der Länder im Bereich der Gefahrenabwehr. Mit dieser Entscheidung werden zukünftig praktische Hindernisse in der Aufspaltung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern, vor allem wenn es um Fälle hoher terroristischer Bedrohung geht, vermieden.
Die von Ihnen angesprochene so genannte Online-Durchsuchung darf nur unter strengen Voraussetzungen und grundsätzlich nur auf richterliche Anordnung verwendet werden, um terroristische Gefahren für hochrangige Rechtsgüter abzuwehren. Die im Gesetzesentwurf vorgelegte Regelung ist in vollem Umfang mit dem Grundgesetz im Einklang. Gerade im Hinblick auf die technische Fortentwicklung der Kommunikations- und Informationstechnik ist dieser Punkt eine Anpassung an die Realität.
Das Gesetz berücksichtigt vollständig die Vorgaben der jüngsten Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts. So wird es für Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete ein absolutes Auskunftsverweigerungsrecht geben und der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung wird ebenfalls geschützt. Dies wird durch die Einbindung des Datenschutzbeauftragten des Bundeskriminalamtes bei der Auswertung der Daten, die bei der Online-Durchsuchung gewonnen werden, gewährt.
Die Novelle des BKA-Gesetzes stellt damit einen großen Baustein in der Sicherheitsarchitektur des Bundes dar, dem ich selbstverständlich zugestimmt habe.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Andreas Schockenhoff