Frage an Andreas Schmidt von Gerhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schmidt,
ab 2011 muss ein Teil der Kirchensteuerpflichtigen bei der Versteuerung von Kapitalerträgen auf einen Steuerbescheid und auf eine Rechtsbehelfsbelehrung auch dann verzichten, wenn ein Widerspruch gewollt ist.
Wird bei Kirchenwünschen im Bundestag nicht geprüft, ob eine Regelung verfassungswidrig ist?
Es geht um die Ausführung des Unternehmensteuerreformgesetzes ab Bestehen der staatlichen Datenbank, also ab 2011.
Für die Zeit ab 2011 ist der in § 51a Einkommensteuergesetz eingefügte Absatz 2e maßgeblich:
Dort wird ein umfassender verpflichtender(!!!) Quellensteuerabzug festgeschrieben.
Die Gesetzesbegründung bestätigt das Problem:
Sobald beim Bundeszentralamt für Steuern die Daten über die Religionszugehörigkeit verfügbar sind, wird ein zwingendes(!!!) Quellensteuerabzugssystem eingeführt.
Das bis zur Einführung des Systems den Kirchensteuerpflichtigen eingeräumte Wahlrecht(Abzugsverfahren oder Veranlagung durch das Finanzamt) stellt sich vor diesem Hintergrund als eine Übergangslösung für einen begrenzten Zeitraum dar.
Wenn der persönliche Steuersatz höher als der Steuersatz bei der Abgeltungssteuer ist, gibt es ab 2011 für diese Personen nicht mehr die Möglichkeit der Veranlagung durch das Finanzamt
und somit auch bei der angekoppelten Kirchensteuer nicht die Möglichkeit des Widerspruchs.
Die Folge: Das Grundrecht der Rechtsweggarantie wird diesen Menschen verwehrt.
Muss der Bundespräsident die Unterschrift verweigern, wenn einer gesetzlichen Regelung die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben steht?
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
vielen Dank für Ihre Frage vom 5. Juli dieses Jahres zum Thema Steuerrecht.
Selbstverständlich wird jede Regelung seitens des Deutschen Bundestages vor ihrem Beschluß auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung begutachtet. Die mit Ihrer Frage, ob beispielsweise "Kirchenwünsche" nicht auf Verfassungswidrigkeit geprüft würden, verbundene Unterstellung weise ich daher entschieden zurück.
Sie beziehen sich offensichtlich auf den am 25. Mai 2007 vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Entwurf eines Unternehmenssteuerreformgesetzes, dem der Bundesrat in seiner 835. Sitzung am 6. Juli 2007 zugestimmt hat.
Einen Verfassungsverstoß im Sinne eines Verstoßes gegen Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) sehe ich in der vom Deutschen Bundestag beschlossenen Regelung nicht. Zudem halte ich die zu diesem Punkt vorliegende Begründung (Bl. 71 des Gesetzesentwurfes), welche Sie ja teilweise zitieren, für tragfähig. Ihre Argumentation – kein Widerspruchsverfahren, also Verstoß gegen Artikel 19 IV GG – halte ich im übrigen für dogmatisch bedenklich. Die Rechtsweggarantie des Artikel 19 Abs. 4 GG schützt den Zugang eines jeden Bürgers zu den Gerichten. Bei einem Widerspruchsverfahren handelt es sich aber um ein verwaltungsinternes Verfahren. Das Widerspruchsverfahren fällt daher bereits nicht in den Schutzbereich von Art. 19 Abs. 4 GG.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Schmidt MdB