Frage an Andreas Otto von Peer S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie stehen sie zum Moscheebaukonflikt in Pankow-Heinersdorf?
Sehr geehrter Herr Stayn,
seit mehreren Monaten gibt es öffentliche Diskussionen um das Bauvorhaben der Ahmadiyya Muslim Jamaat im Bezirk Pankow, bzw. im Ortsteil Heinersdorf.
Als Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen und als Fraktion in der BVV haben wir von Anfang an zu vermitteln versucht und mit den unterschiedlichen Partnern den Dialog aufgenommen. Mit der evangelischen Kirchengemeinde Heinersdorf, mit der Ahmadiyya-Gemeinde, mit der Bürgerinitiative gegen die Moschee und mit anderen Personen in Pankow und darüber hinaus. Unser Bürgermeisterkandidat für Pankow, Herr Jens-Holger Kirchner, hat in seiner Eigenschaft als Vorsteher der BVV sehr große Anstrengungen unternommen, Gespräche und Kontakte zu fördern.
Ziel unserer Vermittlungsversuche ist es, die Ahmadiyya-Gemeinde und die zum Teil kritische Einwohnerschaft von Pankow einander näher zu bringen.
Grundsätzlich gibt es keinen Grund, die Ahmadiyya-Gemeinde davon abzubringen, auf ihrem Grundstück ein Gebäude zu religiösen Zwecken zu errichten. Eine Bauvoranfrage an das Bezirksamt Pankow hat ergeben, dass der Bau in der Tiniusstraße zulässig ist. Darüber hinaus – ohne dass es baurechtlich irgendwie relevant ist – hat das Bezirksamt sich bei der Senatsverwaltung für Inneres erkundigt, ob die Ahmadiyya-Gemeinde auffällig oder gar gefährlich ist. Die Antwort war eindeutig: Die Ahmadiyya-Gemeinde ist seit langer Zeit in Deutschland beheimatet und als friedlich bekannt.
In der Debatte werden immer wieder praktische Folgen der Realisierung des Vorhabens diskutiert. Ich nehme all diese Fragen ernst und habe mich damit befasst. Nachfolgend die wichtigsten Thesen und meine Position:
1. These:
In Heinersdorf wohnen keine Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde, sie ist nicht gesellschaftlich verankert und darf dort deshalb nicht bauen.
Antwort:
Das ist zunächst ein Problem der Ahmadiyya-Gemeinde selbst. Sie hat sich für einen Standort entschieden, und sollte sich um eine Verankerung im Ortsteil bemühen. Es wäre schön, wenn die Ortsansässigen, zum Beispiel die evangelische Kirchengemeinde, durch Dialog diese Bemühungen befördern. Möglicherweise sind Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde konservativer als viele Heinersdorfer. Doch auch konservative Menschen haben ein Recht auf eine eigene Meinung. Ein friedliches Miteinander von Bürgerinnen und Bürgern sollte möglich sein.
2. These:
In Heinersdorf fallen die Grundstückspreise, wenn eine Moschee gebaut wird.
Antwort:
Diese These unterstellt, dass Heinersdorf ein prosperierender Ort ist, in dem die weitere wirtschaftliche Entwicklung durch die Ansiedlung einer Moschee abrupt endet oder gefährlich beeinträchtigt wird. Die Realität sieht aber anders aus. Wer sich heute im Ortsteil umsieht, entdeckt neben sehr schönen Wohnhäusern, dem grünen Charakter insgesamt und mehreren Gewerbebetrieben eine ganze Anzahl leerstehender Gebäude und unsanierter Bestände. Der Durchgangsverkehr wird allgemein beklagt.
Ich denke, dieser Ortsteil kann neue Impulse gut gebrauchen. Die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde gelten als gebildet und bürgerlich. Vielleicht siedeln sich in Zukunft auch direkt Angehörige der Gemeinde in Heinersdorf an und werden wirtschaftlich tätig. Sinkende Grundstückspreise entstehen allenfalls durch den Image-Schaden, den die Auseinandersetzungen der letzten Monate verursacht haben oder der wissentlich oder unwissentlich gerade herbeigeführt wird.
3. These:
Durch den Moschee-Bau am nördlichen Stadtrand wird die Silhouette Berlins vollständig dominiert. Wer von Norden den Autobahnabzweig Pankow stadteinwärts fährt, sieht neben dem Fernsehturm nur noch Moschee. Berlin sieht aus wie Istanbul.
Antwort:
Das Minarett der Moschee ist mit 12 m Höhe geplant. Die Berliner Traufhöhe liegt bei 22 m. Selbst gegenüber dem geplanten Standort steht ein Gebäude mit über 12 m Höhe. Die Moschee ist ein eher bescheidenes Bauwerk in der Größe von drei Einfamilienhäusern. Die Gefahr einer Dominanz der Berliner Silhouette ist in keinem Fall gegeben.
4. These:
Die Moschee passt sich baulich nicht in den Ort Heinersdorf ein.
Antwort:
Die Moschee, so wie das Vorhaben im Bauausschuss der BVV präsentiert wurde, ist weder besonders groß, noch besonders auffällig. Das Gebäude wird eine moderne, sachliche Form und Gestaltung aufweisen. Das Grundstück liegt nicht etwa im Zentrum des alten Dorfes Heinersdorf, sondern am Rand, quasi an der Autobahn. Zur umgebenden Bebauung zählen ein altes Bahnbetriebswerk, mehrere Tankstellen, ein Kentucky Fried Chicken-Imbiss mit Werbeturm und auf der anderen Seite in Richtung Dorf mehrere Wohn- und Gewerbeobjekte. Die Moschee wird nicht auffälliger als andere Gebäude in der Umgebung sein. Das Minarett, also der Turm, soll 12 m hoch sein und wird weder für das Rufen eines Muezins verwendet noch für entsprechende Lautsprecherübertragungen. Insofern kann nicht davon die Rede sein, das Vorhaben passe sich nicht ein.
5. These:
Die Verkehrsbelastung in Heinersdorf steigt sehr stark an durch den Besuch der Gläubigen in ihrer Moschee.
Antwort:
Nach Auskunft der Ahmadiyya-Gemeinde werden mehrmals täglich Gebetsveranstaltungen durchgeführt. Die Gemeinde hat ca. 200 Mitglieder, die jedoch nicht alle täglich kommen. Der größte Andrang herrscht freitags.
Das Grundstück befindet sich nah am S-Bahnhof Pankow-Heinersdorf. Insofern ist eine gute ÖPNV-Anbindung gegeben. Kraftfahrzeuge können die Moschee direkt von der Prenzlauer Promenade durch Abbiegen in die Tiniusstraße erreichen. Die Belastung des Ortskernes von Heinersdorf steigt dadurch nicht signifikant. Um die Situation in der Tiniusstraße für die Anwohner selbst zu verbessern, hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der BVV am 28.6.2006 folgenden Antrag mit dem Ziel einer Verkehrsberuhigung gestellt: Das Bezirksamt wird beauftragt, die Ausweisung der Tiniusstraße als verkehrsberuhigte Zone zu prüfen und der Bezirksverordnetenversammlung zur Tagung im September Gestaltungsvorschläge zu unterbreiten.
Leider ist der Antrag zunächst in den Verkehrsausschuss überwiesen worden. Ich gehe jedoch von einer Verabschiedung im September aus.
Sehr geehrter Herr Stayn,
ich hoffe, dass ich einige Aspekte der Diskussion versachlichen konnte und will zum Abschluß meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass in unserem Bezirk ein friedliches Zusammenleben möglich ist. Dazu müssen sich alle verändern, die die hierher kommen und jene, die schon immer hier leben.
Mit freundlichem Gruß
Andreas Otto