Frage an Andreas Meihsies von Bernhard R. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Meihsies,
ich lebe in Lüneburg und trotz anhaltender Bekenntnisse zum Klima- und Umweltschutz befürworten die Politiker von CDU, SPD und FDP den Neu- und Ausbau von immer mehr Straßen, während zunehmend Bahnlinien stillgelegt werden. Bis in die 1970er Jahre sind wir regelmäßig mit dem Zug an die Elbe nach Bleckede oder in die Heide nach Salzhausen und Egestorf gefahren. Das ist nun nicht mehr möglich (außer mit selten verkehrenden Museumsbahnen), allein in Ihrem Wahlkreis wurden sechs Bahnlinien komplett oder im Personenverkehr stillgelegt (Lüneburg-Soltau, Lüneburg-Bleckede/Alt Garge, Lüneburg-Buchholz, Uelzen-Dannenberg, Dannenberg-Salzwedel, Dannenberg-Dömitz-Wittenberge). Auch der Güterverkehr ist auf diesen Linien, außer LG-Soltau, komplett versiegt. Das Land Niedersachsen will noch nicht einmal mehr einen Zuschuss für die Sicherung der noch bestehenden Bahnlinien geben, so dass der Strecke Lüneburg-Bleckede (weitere dürften bei dieser Politik folgen) der Abrissbagger droht. Sie bekennen sich gegen den Bau der A39 und für die Förderung klimaschonender Verkehrsmittel, wie es die Eisenbahn ist. Was werden Sie als Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Grüne für den Erhalt bzw. für die Reaktivierung der genannten Nebenbahnen in Ihrem Wahlkreis unternehmen? Haben diese Bahnen auch Potenzial als Entlastungsstrecken von Haupt-Bahnlinien?
Mit freundlichem Gruß
Bernhard Reinecke
Sehr geehrter Herr Reinecke,
bei unserer Politik steht die Entlastung von Mensch und Umwelt im Mittelpunkt. Auf die Verkehrspolitik bezogen heißt das auch, dass wir die Menschen vor Verkehrslärm, Luftverschmutzung, Unfallgefahren und der Zerschneidung und Versiegelung ihrer Umwelt schützen wollen. Dabei betrachten wir nicht einen Verkehrsträger isoliert, sondern Straße, Schiene und Binnenwasserstraße in einem Kontext. Insgesamt halten wir neben der Verkehrsvermeidung die Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die umweltfreundlichen Verkehrsträger Bahn und Schiff für sinnvoll. Das soll nicht heißen, dass die Anwohner an den wenigen Hauptbahnstrecken oder noch wenigeren intakten Nebenbahnstrecken über Gebühr belastet werden sollen. Zum Einen wollen wir den Erhalt des Bahnnetzes in der Fläche plus Reaktivierung bereits stillgelegter Strecken und die Verteilung der Last auf dieses in Gänze modernisierte Netz und zum Anderen wollen wir auf diesem Netz die Versorgung mit einem attraktiven vertakteten Schienenpersonennahverkehr wieder herstellen. Diese Maßnahme soll eine Alternative zur Straße bieten, die wirklich zum Umsteigen einlädt und sie begrenzt gleichzeitig ganz automatisch die Dichte des Güterverkehrs. All das gilt auch für die von Ihnen genannten Strecken, wobei ich da gerne differenzieren möchte:
Lüneburg - Soltau hat ein geringes Potential für zusätzlichen Güterverkehr, insbesondere im landwirtschaftlichen Bereich, so in der Reaktivierung des Rübentransports über die Bahn und im Holztransport. Die Strecke kann ebenfalls im Einzelfall zur Entlastung der Hauptstrecke Hamburg - Hannover dienen, beispielsweise bei Streckensperrungen oder Bauarbeiten zwischen Lüneburg und Uelzen. Viel interessanter ist aber der Personenverkehr bei einer technisch ertüchtigten Strecke, die höhere Geschwindigkeiten erlaubt. So könnte die Universität Lüneburg direkt an den Bahnhof Lüneburg angeschlossen werden (Projekt „Leuphana-Express“) und mit der Weiterführung nach Amelinghausen und Soderstorf auch der SchülerInnenverkehr zum Schulzentrum Lüneburg-Oedeme bewältigt werden. Insbesondere Amelinghausen als Heide-Tourismus-Hochburg könnte von einer umweltfreundlichen fahrplanmäßigen Eisenbahnverbindung profitieren, wobei auch Lüneburg und die Lüneburger Heide für Gäste beider Ziele dichter zusammenrückte. Das gleiche gilt für Hützel, Bispingen und Soltau mit diversen Freizeitangeboten. Zurzeit steht der Bau des an dieser Strecke liegenden Museumsbahnhofs Embsen auf der Kippe, weil die OHE nicht bereit ist, über 2016 hinaus eine Bestandsgarantie für Lüneburg - Soltau zu geben.
Lüneburg - Bleckede (- Alt Garge) muss vor dem Aus bewahrt werden. In Bleckede stehen im OHE-Ausbesserungswerk Arbeitsplätze auf dem Spiel. Im Güterverkehr gibt es auch hier in erster Linie Potential im Rüben- und Holztransport, sowie für zukünftige Gewerbeansiedlungen entlang der Strecke. Bei Instandsetzung der Strecke könnten Bleckede, Neetze, Rullstorf, Scharnebeck, Erbstorf und Ebensberg wieder per Bahn an Lüneburg angebunden werden. Bei der Planung einer Brücke über die Elbe bei Neu Darchau/Darchau sollte auch eine Ausführung als kombinierte Bahn-Straßen-Brücke mit Weiterführung der Bahnstrecke Lüneburg - Bleckede - Alt Garge nach Neuhaus geprüft werden.
Lüneburg - Buchholz verläuft fast parallel zu Lüneburg - Stelle. Die Strecke wurde im Jahr 2000 demontiert, bietet aber Potential zur Reaktivierung und somit zur Entlastung der Hauptstrecke von Hamburg nach Lüneburg. Der Landkreis Harburg hat die Voraussetzungen dafür bereits geschaffen und den Teil der Stecke auf seinem Gebiet erworben. Der Landkreis Lüneburg zeigt sich dagegen eher desinteressiert, diskutiert sogar die teilweise Überbauung mit einer westlichen Lüneburger Umgehungsstraße. Die Reaktivierung der Strecke mit dem Bau einer Kurve bei Marxen würde den Bau des dritten Gleises zwischen Stelle und Lüneburg erübrigen und die Ausfallsicherheit des Netzes verbessern. Sie böte eine gute und lärmreduzierte Alternative für den langsam fahrenden Güterverkehr, einen Gleisanschluss für das geplante Gewerbegebiet in Tangendorf und eine Angebotsverbesserung im Schienenpersonennahverkehr für die expandierenden Gemeinden entlang der Strecke.
Lüneburg - Dannenberg muss auch nach einem Aus für Gorleben als Atommülllager, erhalten bleiben. Die Ertüchtigung ist dringend geboten, um kürzere Fahrzeiten zu erzielen und eine attraktive Vertaktung mit dem Metronom in Lüneburg sicherzustellen. Ebenfalls wünschenswert ist die Einbeziehung der ganzen Strecke in den HVV und eine Durchbindung von Zügen nach Hamburg in den Hauptverkehrszeiten und im Freizeitverkehr am Wochenende. Die derzeitige Situation an der Strecke lässt kaum eine Nutzung für den Güterverkehr zu, obwohl ad hoc gerade im landwirtschaftlichen Bereich das Potential dafür vorhanden ist. Bei einem Neubau einer Elbquerung bei Dömitz und der Reaktivierung der Strecke bis Wittenberge erhielte diese Bahnstrecke ggf. zusammen mit Lüneburg - Buchholz wieder überregionalen Charakter. Die Fahrzeiten von Lüneburg und Dannenberg nach Berlin würden sich erheblich verkürzen, Dannenberg würde wieder an das Fernverkehrsnetz angeschlossen werden und die Strecke böte ein ganz bedeutendes Potential sowohl Pendler, als auch Güter von der Straße - insbesondere der B216 - auf die Schiene zu bekommen.
Uelzen - Dannenberg ist bis auf wenige Ausnahmen in gutem Zustand. Trotzdem besteht die unmittelbare Gefahr der Demontage und Verschrottung der Strecke. Der Förderverein Ostheide-Elbe-Bahn hat sich dem Erhalt der Bahn verschrieben und setzt sich in mehreren Stufen für eine Nutzung im Freizeitbereich durch Draisinen, für touristische Fahrten mit Museumszügen, sowie mittelfristig für die Wiederaufnahme des Personen- und Güterverkehrs, vorzugsweise im landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Bereich ein. Langfristig hat die Strecke auch überregional bei Wiederaufbau einer Elbquerung bei Dömitz (s. o.) und der Weiterführung von Dömitz nach Ludwigslust Potential. Sie böte dann eine schnelle und direkte Verbindung aus Richtung Hannover mit den Ostseehäfen und den touristischen Zielen an der Mecklenburgischen Ostseeküste, ohne den Umweg über das Nadelöhr Hamburg in Kauf nehmen zu müssen. Selbstverständlich würde auch die Attraktivität eines Güterverteilzentrums in Uelzen deutlich gestärkt werden.
Dannenberg - Salzwedel: Der Lückenschluss zwischen Wustrow und Salzwedel war in den Landesraumordnungsprogrammen der Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, die bis 2008 gültig waren, verzeichnet. In der jüngsten Fassung ist er wegen „fehlender überregionaler Bedeutung“ nicht mehr enthalten. Mit der Existenz einer neuen Elbquerung bei Dömitz (s. o.) und der Weiterführung nach Ludwigslust erhielte diese Strecke auch eine deutlich höhere Geltung. Insbesondere beim Bau einer Kurve in Dannenberg erhielte diese Strecke bei einer direkten Verbindung von Lüneburg nach Dannenberg, Lüchow und ggf. Salzwedel auch eine höhere Bedeutung im Schienepersonennahverkehr. Potentiell wäre so auch im Güterverkehr eine Entlastung der Hauptstrecken machbar.
Für den Erhalt und die Reaktivierung der genanten Strecken sind weit reichende Aktivitäten von Bund, DB AG, den betroffenen Bundesländern, Kreisen und Kommunen, sowie der OHE erforderlich, für die ich mich gerne einsetzen werde. 2010 wird mit dem Investitionsrahmenplan der Bundesverkehrswegeplan für die nächsten fünf Jahre konkretisiert. Hier muss von der Straße auf die Schiene umgeschichtet werden. Es muss klare Prioritäten für die Schiene geben. Auch dafür will ich mich einsetzen.
Mit freundlichem Gruß
Andreas Meihsies