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Andreas Lenz
CSU
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Frage von Jens M. •

Frage an Andreas Lenz von Jens M. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Lenz,

im März 2019 wurde das Thema Duogynon bei einem Fachgespräch im Bundestag diskutiert. Duogynon war ein hormoneller Schwangerschaftstest der Firma Schering, deren Rechtsnachfolger nach der Übernahme nun Bayer ist. Duogynon steht bis heute im Verdacht, schwere Missbildungen beim ungeborenen Leben verursacht zu haben. Seit 2010 haben sich 631 Menschen beim „Netzwerk Duogynon“ gemeldet. Die Menschen berichteten von Missbildungen bei Neugeborenen, Totgeburten und unerwünschten Abgängen. Beim BfArM sind aktuell 517 solcher Fälle registriert.

Einer dieser Fälle betrifft mich persönlich, ich schreibe Ihnen als vom Duogynon-Skandal Betroffener. Zeit meines Lebens leide ich und mit mir meine Familie an den Folgen von Duogynon. Aufgrund meiner Behinderung, Spina bifida und Hydrocephalus, entstanden meiner Familie in meiner Kindheit und Jugend nicht nur enorme Mehrkosten, sie waren und sind auch enormem psychischem und physischem Druck ausgesetzt. Nur durch den unermüdlichen Einsatz meiner Familie und Freunde war und ist es mir möglich, ein einigermaßen unbeschwertes Leben zu führen. Als nunmehr Erwachsener trage ich die Mehrkosten für meine Behinderung nun weitestgehend selbst. Was ich nun allerdings neben einer finanziellen Wiedergutmachung erwarte, ist eine öffentliche Entschuldigung der Firma Bayer als Rechtsnachfolgerin der Firma Schering sowie ein Eingeständnis der deutschen Behörden ihrer Mitschuld. Dies sind sie den Opfern und ihren Angehörigen schuldig. Die Zeit drängt, denn die meisten Mütter der Duogynon-Opfer sind bereits im fortgeschrittenen Alter und verdienen seelische Genugtuung und Seelenfrieden.

In kurzen Worten möchte ich Ihnen den aktuellen Stand beschreiben. Unter dem folgenden Link können Sie ggf. weitere Informationen einsehen: https://www.magentacloud.de/share/llby5x7-vh#$/

In den letzten Jahren lief in England eine Untersuchungskommission zu den Auswirkungen dieses Präparats, das dort unter dem Namen Primodos vermarktet wurde. Diese Kommission kam zu dem Schluss, dass das Medikament schon 1967 hätte vom Markt genommen werden müssen. Zudem wurde weitere Fehler der Behörden aufgezeigt. Die sogenannte Cumberledge-Kommission kritisierte auch den letzten Bericht (EWG) aus dem Jahre 2017 und machte nun mehrere Vorschläge. So sollte sich die englische Regierung bei den Betroffenen entschuldigen und eine Regelung für Entschädigungszahlungen finden. Daraufhin hat sich der englische Gesundheitsminister bei den Betroffenen entschuldigt. Die ehemalige Premierministerin Theresa May forderte die Regierung auf, nun Ausgleichszahlungen an die Betroffenen zu überdenken. Premierminister Boris Johnson will sich mit den Interessensvertretern der Primodos-Opfer treffen. Auf SKY wurde die Dokumentation „Bitter Pill“ ausgestrahlt. In dieser Dokumentation wird der aktuelle Sachstand dieses Medikamentenskandals in Großbritannien detailliert aufgezeigt Diesen beeindruckenden Film und die Ergebnisse der Kommission finden Sie unter dem oben angegebenen Link.

Was passierte in Deutschland? In Deutschland wurde seit Jahren auf das Ergebnis in England gewartet. Bislang fanden keine Gespräche mit Bayer, dem BfArM oder dem BMG statt. Auch ein Richter forderte Bayer bereits 2010 zu einer Mediation auf. Die Firma Bayer verweigerte allerdings die Aufklärung und nutzte die Einrede der Verjährung, um vor Gericht zu gewinnen. Vor einigen Jahren konnten wir vom „Netzwerk Duogynon“ im Landesarchiv in Berlin alte Unterlagen der Firma Schering einsehen. Dort gab es viele Hinweise auf ein Fehlverhalten von Schering und den deutschen Behörden. Mehr dazu finden Sie unter dem oben angegebenen Link. Den aktuellen Stand in Deutschland spiegeln ein Bericht der Sendung „Kontrovers“ des Bayerischen Rundfunks sowie ein Artikel in der Augsburger Allgemeinen. Beides ist ebenfalls unter dem oben angegebenen Link zu finden. Mehr Informationen kann Ihnen auch der Berichterstatter Ihrer Fraktion, Herr Stephan Pilsinger, geben.

Es gab absolut keine Notwendigkeit, schwangere Frauen einer solchen Gefahr auszusetzen. Zudem hätte nach dem Contergan-Skandal ein Medikament, das im Verdacht steht, Missbildungen auszulösen, sofort vom Markt genommen werden müssen. Duogynon war so hoch dosiert, als würde man in etwa zwei Monatsrationen hormoneller Antibabypillen als Einmalgabe einnehmen. Ich fordere zusammen mit allen Mitgliedern des „Netzwerk Duogynon“ eine Anerkennung der Schädigungen und eine Übernahme der Verantwortung. Außerdem muss nun zeitnah auch eine finanzielle Wiedergutmachung in Deutschland erörtert werden, denn viele Betroffene leben am Rande des Existenzminimums. Anfang September bietet sich hierzu die erste Gelegenheit, wenn das Thema im Gesundheitsausschuss bzw. im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Bundestages behandelt werden wird. Bitte unterstützen Sie uns und unser Anliegen!

Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Vielen Dank und herzliche Grüße aus Ihrem Wahlkreis,
Jens Möllenhoff

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Möllenhoff,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihre offenen Schilderungen!

Die Zeit kann leider nicht zurückgedreht werden, aber nach mehr als 40 Jahren gebührt den Betroffenen eine detaillierte Aufarbeitung des Sachverhalts. Ich unterstütze hierbei die Initiative meines Kollegen Stephan Pilsinger, der im Rahmen einer überparteilichen Initiative den Verdacht prüfen will, ob Duogynon bei Neugeborenen zu schweren Missbildungen und Fehlgeburten geführt hat. Es ist geplant, dass der Familienausschuss diesen Sachverhalt im September behandelt, alle weiteren Schritte werden im Anschluss daran festgelegt.

So viel in aller Kürze.

Ich wünsche Ihnen und allen Betroffenen weiterhin alles erdenklich Gute!

Bei Rückfragen können Sie sich jederzeit direkt an mich wenden, via Email: andreas.lenz@bundestag.de

Freundliche Grüße

Andreas Lenz

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