Frage an Andreas Lenz von Ernst G.
Sehr geehrter Herr Dr. Lenz!
Wie Spiegel online berichtet, will die EU das Freihandelsabkommen CETA auch ohne Zustimmung der nationalen Parlamente in Kraft setzen. Ist CETA erst in Kraft, können Konzerne Deutschland vor privaten Schiedsgerichten verklagen, wenn sie ihre Investitionen durch deutsche Gesetze zum Umwelt- oder Sozialschutz bedroht sehen. Bitte teilen Sie mir mit, ob der Bericht des Spiegel zutrifft, und auch, ob in CETA Regelungen enthalten sind, die Konzernen und Banken Rechte einräumen, Gesetzesvorlagen zu „regulieren“, bevor sie das deutsche Parlament beschließt. (Regulatorische Kooperation)
Wundert es Sie, dass ein Großteil der Briten für einen Austritt Englands aus der EU gestimmt hat, wenn nationale Parlamente auf diese Weise entmachtet werden?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ernst Grill
Sehr geehrter Herr Dr. Grill,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu CETA und TTIP. Entsprechend der Rechtsauffassung aller Mitgliedstaaten hat sich die Kommission dafür entschieden, CETA nicht als reines EU-Abkommen („EU-only“), sondern als sog. gemischtes Abkommen einzustufen, weil es auch Bereiche betrifft, die in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fallen. CETA wurde mittlerweile am 30. Oktober 2016 durch Kanada und die Europäische Union unterzeichnet. Zuvor hatten auch alle Mitgliedstaaten der EU das Abkommen unter-zeichnet. Der Rat hat den Entwurf des Beschlusses zum Abschluss zusammen mit dem Text des Abkommens dem Europäischen Parlament zur Zustimmung zugeleitet.
Im Bereich Investitionsschutz setzt CETA richtungsweisende Maßstäbe. Dabei wer-den zukünftig von Betrieben getätigte Investitionen vor willkürlichen politischen Entscheidungen, wie beispielsweise Zwangsenteignungen, geschützt. Für CETA wurde außerdem ein modernes Regelwerk zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten umgesetzt. Anstatt der traditionellen nichtöffentlichen Schiedsgerichte mit Schiedsrichtern, die ad hoc von den jeweiligen Streitparteien benannt werden, sieht CETA ein stehendes, öffentlich legitimiertes Investitionsgericht vor, dessen Richter von den CETA-Vertragsparteien ernannt werden. Die Verfahren sind transparent und es gibt eine Berufungsinstanz. Insgesamt ist dies ein moderner Standard, an dessen Ausgestaltung Deutschland maßgeblich mitgewirkt hat. Auch der von Ihnen angesprochene Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, das sogenannte "right to regulate", bleibt mit CETA erhalten.
Ergänzend hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit der kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland am 18. September 2016 eine Zusatzvereinbarung beschlossen. In dieser gemeinsamen Erklärung gehen Gabriel und Freeland auf die gemeinsame Handelspolitik und CETA ein. Dabei betonen sie die Bedeutung von Investitionsschutzbestimmungen mit rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren, den Erhalt der hohen Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge, aber auch das Nachhaltigkeits-kapitel in CETA, das beispielsweise den Schutz von Arbeitnehmerrechten berücksichtigt. Konkret werden dabei beispielsweis die ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert und angewendet.
Es sind u.a. Schutzvorschriften für die öffentliche Daseinsvorsorge, Verbraucher- und Umweltschutz sowie Arbeitsmarktklauseln vorgesehen, die gewährleisten, dass es hier nicht zu Standardabsenkungen kommt.
Ich habe die Verhandlungen sowohl zu CETA als auch zu TTIP kritisch und kon-struktiv begleitet. Glauben Sie mir, ich habe und werde auch zukünftig in diesem Zusammenhang nichts einfach durchwinken. Ich verfolge jede Verhandlungsrunde und versuche anhand der Protokolle die Entwicklung zu beurteilen. Ich gebe Hinweise an die Kommission und die zuständige Kommissarin. Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne unter andreas.lenz@bundestag.de zur Verfügung.
Freundliche Grüße
Andreas Lenz