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Andreas Lämmel
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Frage von Jörg R. •

Frage an Andreas Lämmel von Jörg R. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Lämmel,

Grundlage des Kapitalismus ist freies Unternehmertum. Dies schließt Vorteile durch guten Profit, aber auch Nachteile wegen des unternehmerischen Risikos auf dem freien Markt ein.

In wirtschaftlich guten Zeiten hörte man immer wieder die Forderung, der Staat solle sich weitgehend aus dem Wertschöpfungsprozess heraushalten, bürokratische Hürden abbauen (Stichwort "Deregulierung") und ansonsten alles den Kräften des Marktes überlassen.
So wurden gewinnbringende kommunale Firmen und Firmenanteile privatisiert und Gesetze entbürokratisiert, was immer das heißen mag.

Nun wird, im Gefolge einer beginnenden Finanz- und Wirtschaftskrise, die weder der Steuerzahler als "kleiner Mann" noch der Staat zu verantworten haben, der Ruf nach ebendiesen sehr laut. Erst waren es die Banken, die notleidend sind, nun die Autoindustrie. Es würde mich nicht wundern, wenn morgen die chemische oder holzverarbeitende Industrie um Steuergelder nachfragten, um eigene wirtschaftliche Fehlentscheidungen von gestern (natürlich auch mit "Rationalisierungsprogrammen", das sind erfahrungsgemäß meist Massenentlassungen) zu korrigieren.

Fragen: Halten Sie die Ansicht, dass Gewinne privatisiert, Verluste aber sozialisiert werden müssen, für richtig und angemessen?
Nachdem in den USA schon Banken verstaatlicht wurden: Wohin geht die Reise; Richtung Sozialismus? (Etwas polemisch: VEB Opel?)
Sind Staatsgelder dazu da, Aktienkurse zu stützen und die Philosophie des "shareholder value"?

Mit freundlichem Gruß und Dank für Ihre Mühe

Jörg Reutler

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Reutler,

vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de vom 17.11.2008, die ich gerne beantworte.

Sie werfen eine sehr wichtige Frage auf, nämlich: Wie weit darf der Staat in einer Marktwirtschaft sektorale Wirtschaftspolitik betreiben und durch selektive Entscheidungen eingreifen? Diese ordnungspolitische Frage gilt es zu klären, wenn über Staatsbürgschaften oder staatliche Kredite für einzelne Unternehmen diskutiert wird. Das Beispiel Opel hatten Sie schon angesprochen. Die Frage stellt sich vor allem im Zeitpunkt der Rezession, in der mehr Unternehmen als sonst um ihr Überleben kämpfen müssen.

Fakt ist: Die Autohersteller leiden in besonderer Weise unter der Kaufzurückhaltung infolge der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise – mehr als andere Branchen. Andererseits wird von einigen großen Unternehmen jetzt auch versucht, selbst verursachte Strukturprobleme, die schon länger existierten aber jetzt durch die schwierige wirtschaftliche Lage erst richtig zum Vorschein kommen, allein auf äußere, nicht selbst verschuldete Einflüsse zu schieben. Meine Meinung ist: Bevor nicht, wie bei Opel, diese Strukturprobleme gelöst sind, darf es keinen Cent vom Staat geben.

Das Problem an Hilfen für einzelne Unternehmen ist immer die damit verbundene Wettbewerbsverzerrung gegenüber anderen Unternehmen, insbesondere der gleichen Branche. Deswegen stehe ich dem sehr kritisch gegenüber. Andererseits müssen bei der Entscheidung über die staatliche Rettung von Unternehmen auch andere Aspekte mit einbezogen werden.

Zum Beispiel hängt an einem Aus für den Chiphersteller Qimonda aus meinem Dresdner Wahlkreis eben noch mehr dran als nur die Insolvenz des Unternehmens selbst. Sachsen hat den Aufbau des Hightech-Clusters Dresden bis jetzt erfolgreich gefördert. Ein Aus für die Chip-Industrie in Dresden bedeutet auch einen ernormen Rückschlag für den Halbleiter-Standort Europa, weil die Wettbewerber von Infineon/Qimonda auf dem Weltmarkt alle außerhalb Europas sitzen. D. h. auch technologiepolitische Fragen sind von der Entscheidung mitberührt, ebenso wie natürlich sozialpolitische.

Ich denke, dass die Politik in dieser Frage oft nur die Wahl zwischen Pest und Cholera hat. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass Hilfen für einzelne Unternehmen die absolute Ausnahme bleiben müssen. Sie sind ein ordnungspolitischer Sündenfall und nur durch äußerst wichtige andere Gründe zu rechtfertigen. Und: staatliche Hilfen darf es nur gegen angemessene Gegenleistungen, wie z. B. eine Standortgarantie und unter der Bedingung geben, dass das betroffene Unternehmen eine realistische Zukunftsperspektive hat. So kann auch weitestgehend verhindert werden, dass dem Staat und damit dem Steuerzahler durch sein finanzielles Engagement Verluste entstehen.

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Lämmel