Frage an Andreas Lämmel von Frank E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lämmel,
seit 1990 bin ich Unternehmer im Mittelstand. Bisher habe ich CDU und somit auch Sie gewählt. Das vorab.
In meinem Umfeld erlebe ich seit geraumer Zeit eine zunehmende Politikverdrossenheit, der auch ich mich kaum noch erwehren kann. Das Verhalten der Politiker auf allen Ebenen wird als entweder nach persönlichen Interessen handelnd oder mit wenig Sachverstand empfunden.
Unerklärlich z. Bsp. sind die Versuche der aktuellen Gesundheitsreform - an Sinnlosigkeit kaum zu überbieten.
Wie zum Großteil mit Steuergeldern umgegangen wird, ist auch kaum noch nachvollziehbar.
Dies Alles führt aus meiner Sicht zu der Erkenntnis, das dieses Gesellschaftsmodell eigentlich gescheitert ist. Trotz persönlicher wirtschaflicher Erfolge meinerseits in den vergangenen Jahren darf einen verantwortungsbewußten Bürger der Blick für das Gesamte nicht verlorengehen. Und der ist mehr als betrüblich.
Gerade Frau Merkel wird als wenig empfindsam für die Probleme der Menschen vor allem im Osten wahrgenommen.
Meine Frage an Sie: Was wollen Sie gegen die allgemeine Politikverdrossenheit und die sich daraus möglicherweise abzeichnenden Probleme in Zukunft tun?
MFG F. E.
Sehr geehrter Herr Ebert,
vielen Dank für Ihre Zuschrift vom 31. August 2008, die Sie mir über diese Plattform geschickt haben.
Zuerst einmal freut es mich, dass Sie sich als mittelständischer Unternehmer der CDU nahe fühlen. Die zunehmende Politikverdrossenheit, die Sie konstatieren, hat, denke ich, keine allgemeine, leicht zu erklärende Ursache. Ein Verweis auf die generelle „Abgehobenheit“ der Politiker „dort oben“ hilft leider nicht weiter. Wenn etwas verändert werden soll, dann muss um Sachfragen gestritten werden. Sie haben lediglich einen konkreten Punkt angesprochen: Die Gesundheitsreform. Gerne äußere ich mich dazu.
Die Einführung des Gesundheitsfonds wurde mit dem am 2. Februar 2007 verabschiedeten GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) beschlossen. Aktuell sorgt der festzulegende Einheitsbeitrag, für den der Schätzerkreis eine Höhe von 15,5% empfohlen hat, für Unmut. Allerdings ist die Erhöhung von dem aktuellen Durchschnittssatz von 14,9% auf diesen Wert keine Folge des Fonds an sich sondern der durch die Gesundheitsreform verbesserten medizinischen Leistungen sowie der besseren Vergütung von Ärzten und Krankenhäusern.
Ich gehe davon aus, dass die heute besonders günstigen sächsischen Krankenkassen (wie die IKK Sachsen und die AOK Sachsen) Ihren Mitgliedern ab 2009 einen Bonus ausschütten können. Dies ist nämlich die andere Seite des Einheitsbeitrages, der in Wirklichkeit ein Einheitsbeitrag nur für die Arbeitgeber ist, nicht für die Arbeitnehmer. Die Erhöhung des durchschnittlichen Krankenkassenbeitrags wird außerdem kompensiert durch die am 5. Oktober 2008 vom Koalitionsausschuss beschlossene Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags gleichzeitig zum 1. Januar 2009 von 3,3% auf 2,8%.
Ich teile insgesamt Ihre Einschätzung nicht, dass die Gesundheitsreform sinnlos ist, auch wenn in einer anderen politischen Konstellation eine aus unserer Sicht notwendige stärkere Abkopplung der Gesundheitskosten von den Arbeitskosten möglich gewesen wäre. So halte ich z. B. das mit dem GKV-Modernisierungsgesetz verbundene Vertragsarztrechtsänderungsgesetz zur Behebung der ostdeutschen ärztlichen Unterversorgung für ein zentrales Element auch aus sächsischer Sicht.
Der andere Punkt, den Sie erwähnen, nämlich den saloppen Umgang mit Steuergeldern, unterlegen Sie mit keinem konkreten Beispiel, so dass ich darauf nicht eingehen kann.
Ich habe im Übrigen nicht den Eindruck, dass die Bundeskanzlerin als unempfindlich für die Probleme der Menschen im Osten wahrgenommen wird. Ich selbst setze mich in Berlin aktiv für die Belange der neuen Bundesländer und speziell meines Bundeslandes Sachsens ein. Hier eine Auswahl an Dingen, die wir erfolgreich auf den Weg gebracht haben:
- Forderungssicherungsgesetz, seit Jahren von Sachsen über den Bundesrat immer wieder in das parlamentarische Verfahren eingebracht, jetzt endlich verabschiedet
- Abwehr der geplanten Kürzung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ über das vorgesehene Niveau in der mittelfristigen Finanzplanung. Die neuen Bundesländer profitieren zu 6/7 von diesem Investitionsförderungsinstrument
- Verlängerung der Investitionszulage für Investitionen in den NBL über das Jahr 2009 hinaus, d. h. bis 2013
- Zwei Mittelstandsentlastungsgesetze zum Bürokratieabbau (das Dritte wird noch in dieser LP verabschiedet)
- Einführung eines Pfändungsschutzes auf die Altersvorsorge von Selbstständigen
Dies sind natürlich alles nur Beispiele. Hier eine Lösung für alle Probleme der Zukunft aufzuzeigen, wie ich Ihre Bitte verstehe, ist beim besten Willen auf diesem Wege nicht möglich. Was die sächsische Perspektive angeht, so möchte ich Ihnen jedoch zur Lektüre das Grundsatzpapier der MIT Sachsen (Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Sachsen), deren Landesvorsitzender ich bin, zur Neuausrichtung einer mittelstandsfreundlichen Wirtschaftspolitik zur Lektüre empfehlen, dass ich mit erarbeitet habe und das am 24. November 2007 beschlossen wurde. Sie finden das Papier im Anhang.
Zu guter Letzt: Gegen Politikverdrossenheit praktiziere ich unter anderem folgende Dinge: So viel wie möglich direkten Kontakt mit den Bürgern im Wahlkreis suchen, Schülerklassen und interessierte Dresdner Bürger nach Berlin einladen und über die Arbeitsweise des Parlaments berichten, über geeignete Kommunikationsmittel zur Willensbildung und zum Streitgespräch einladen (Interessierten sende ich gerne meinen Newsletter „Berliner Rundschau“ zu) und Einsatz für die Belange meines Wahlkreises in Berlin. Ein Patentrezept gegen Politikverdrossenheit habe ich aber nicht. Haben Sie eines?
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Lämmel