Frage an Andreas Lämmel von Anne J. bezüglich Bundestag
Sehr geehrter Herr Dr. Lämmel,
über die Online-Petition bei Change.org bin ich seit Längerem am Thema der Größe des Bundestages bzw. Anzahl der Abgeordneten interessiert: https://www.change.org/p/bundestag-der-n%C3%A4chste-bundestag-muss-kleiner-werden-jetzt-rasch-handeln. Die dort genannten Probleme ärgern mich sehr.
Daraus habe ich folgende Information bekommen: "Immer noch ist die dringend notwendige Änderung des Wahlrechts zur Verkleinerung des Bundestags nicht in Sicht und die Bundestagswahl 2021 rückt näher. Deswegen wird es wichtig, möglichst schnell zu handeln, damit eine Wahlrechtsreform auch schon für die nächste Wahl greift.
Die Vorschläge, die von den Bundestagspräsidenten Lammert und Schäuble und von verschiedenen Bundestagsfraktionen gemacht wurden, wurden jeweils von anderen abgelehnt, sodass die erforderliche Mehrheit bisher nicht zustande kam."
Was werden Sie und Ihre Partei konkret unternehmen, damit die Verkleinerung doch noch erreicht wird?
Sehr geehrte Frau Johannsen,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Wahlrechtsreform für den Deutschen Bundestag. Sie haben gefragt, was die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag konkret tut, um den kommenden Bundestag zu verkleinern.
Der Bundestag hat zu diesem Zweck eine Wahlrechtsreform verabschiedet, die von den Koalitionsfraktionen eingebracht wurde. Dies ist ein wichtiger Schritt, um ein unkontrolliertes Anwachsen des Bundestags zu verhindern. Für die Bundestagswahl im kommenden Jahr soll es zunächst bei der Zahl von 299 Wahlkreisen bleiben. Zur Bundestagswahl 2025 werden die Wahlkreise dann auf 280 reduziert – sie werden jedoch geografisch nicht zu groß abgesteckt, so dass die Bürgernähe und die lokale Repräsentanz durch Abgeordnete in den Wahlkreisen erhalten bleiben.
Die Reform setzt an drei Stellschrauben an. Die Anzahl der Wahlkreise wird von derzeit 299 auf 280 reduziert. Überhangmandate werden künftig teilweise mit Listenmandaten in anderen Ländern verrechnet und bis zu drei Überhangmandate werden ausgleichslos bleiben
Diese Maßnahmen zusammen führen dazu, dass ein weiteres Anwachsen der Größe des Deutschen Bundestages verhindert werden kann. Danach wären mit dem Wahlergebnis von 2017 sechzig Abgeordnete weniger, also statt 709 nur 649 Abgeordnete im Deutschen Bundestag vertreten.
Die Wahlreform wird in zwei Stufen vollzogen. Die Unionsfraktion war bereit, eine Reduzierung der Anzahl der Wahlkreise bereits für die nächste Bundestagswahl 2021 umzusetzen, um die Größe des nächsten Deutschen Bundestages wirksam zu begrenzen. Dem hätten weder rechtliche noch praktische Gründe entgegengestanden, wie Staatsrechtslehrer und der Bundeswahlleiter bestätigt haben. Der Kompromiss sieht nun vor, dass die Reduzierung der Wahlkreise erst zur übernächsten Bundestagswahl (2025) erfolgt. Die gesamte Wahlrechtsreform auf diese Zeit zu verschieben, war für uns keine tragbare Alternative.
Durch die Verringerung der Anzahl der Wahlkreise wird auch die Anzahl der Überhangmandate reduziert. Denn weniger Überhangmandate reduzieren den Ausgleichsbedarf zugunsten anderer Parteien. Darüber hinaus wird der sogenannte „erste Zuteilungsschritt“, der die Mindestsitzkontingente in den Ländern garantiert, modifiziert und damit eine teilweise Verrechnung von Überhangmandaten einer Partei mit Listenmandaten dieser Partei in anderen Ländern ermöglicht. Auch das reduziert den Ausgleichsbedarf. Da diese faktische Verrechnung nur teilweise erfolgen soll, wird ein „Leerlaufen“ ganzer Landeslisten ausgeschlossen und damit eine föderal ausgewogene Verteilung auch innerhalb der Parteien noch gewahrt.
Eine vollständige Abschaffung garantierter Mindestsitzkontingente kam für CDU/CSU auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht. Denn der „erste Zuteilungsschritt“ wurde als Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingeführt, um das Entstehen von negativem Stimmgewicht – also, dass eine Partei trotz mehr Stimmen weniger Sitze oder trotz weniger Stimmen mehr Sitze erhält – zu verhindern.
Ausgleichslose Überhangmandate sind ein weiteres wirksames Mittel, um den Ausgleichsbedarf zu reduzieren. Das ist auch verfassungsgemäß: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 25. Juli 2012 ausdrücklich festgestellt, dass die mit der ausgleichslosen Zuteilung von Überhangmandaten verbundene Differenzierung des Erfolgswertes – also eine Beeinflussung der proportionalen Sitzverteilung auf der Grundlage des Ergebnisses der Zweitstimmen – durch das besondere Anliegen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl gerechtfertigt werden kann. Das Bundesverfassungsgericht sieht selbst bei ausgleichslosen Überhangmandaten im Umfang einer halben Fraktionsstärke keine Verzerrung des Zweitstimmenproporzes, sondern lediglich eine durch die Bedeutung der Direktmandate zu rechtfertigende Beeinträchtigung.
Ich hoffe ich konnte Ihnen hiermit weiterhelfen.
Freundliche Grüße
Andreas Lämmel