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Andreas Lämmel
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Frage von Annett M. •

Frage an Andreas Lämmel von Annett M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Lämmel,

als Mitarbeiterin bei der Deutschen Post AG, GB Vertrieb BRIEF Öffentlicher Sektor Außenstelle Dresden, verfolge ich die Mindestlohndebatte für die Briefdienstbranche seit vielen Wochen. Mit Verwunderung habe ich zur Kenntnis nehmen müssen, dass ihre Fraktion, allen voran die Kanzlerin Frau Angela Merkel, die Zusage von Meseberg zurückgezogen hat. Hatte man doch auf der Kabinettsklausur in Meseberg die die Einführung eines Post-Mindestlohns zum 1. Januar 2008 beschlossen.
Mit welcher Begründung hat ihre Fraktion die Entscheidung getroffen, das Thema von der Tagesordnung zu nehmen?
Mit der Deutschen Post werden täglich ca. 90% aller Briefsendungen bearbeitet, befördert und zugestellt, d. h. das ca. 10% der Wettbewerb (Lizenznehmer) zustellt. Wie kann ihre Fraktion da behaupten, das weniger als 50 % der Mitarbeiter die im Geltungsbereich des mit ver.di und dem Arbeitgeberverband vereinbarten Tarifvertrags zu Grunde zu legen sind?
Sie verhindern als Mitglied ihrer Fraktion, dass Kolleginnen und Kollegen die momentan in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt werden, zumindest in den Genuss eines Mindestlohns kommen können, und nicht noch parallel zur 40 Stundenwoche noch Geld über Harz IV beziehen müssen, was auch unseren Haushalt erheblich entlastet. Nein ´es kann noch weiter reichende Folgen haben, es sind 32.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze bei der Deutschen Post in Gefahr. Herr Dr. Zumwinkel hat am 19.11.07 in der F.A.Z. gesagt, dass er überdenken muss, den auslaufenden Schutz der betriebsbedingten Beendigungskündigung zum 31.03.08 evtl. nicht zu verlängern, da er das Instrument der Kündigung braucht, um zu erwartende Umsatzeinbußen aufzufangen. Können sie als vom Volk gewählter Abgeordneter, es mit ihrem Gewissen vereinbaren, dass tarifierte Arbeitsplätze evtl. wegfallen und der Missbrauch des Lohndumpings vorangetrieben wird.

Munzig

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Munzig,

vielen Dank für Ihre Zuschrift vom 28. November 2007 zum Thema Mindestlohn in der Postbranche.

Zuerst möchte ich Ihnen sagen, dass ich Hochachtung vor Ihrer und der Arbeit Ihrer Kollegen habe und selbstverständlich dafür bin, dass jeder ein auskömmliches Einkommen hat. Die „wesentlichen“ Arbeitsbedingungen im Postbereich sind in der Sozialklausel der Postgesetzes (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3) festgeschrieben. Missbrauch und Lohndumping, für die ich selbstverständlich nicht bin, würden also schon jetzt zum Verlust der notwendigen Beförderungslizenz führen. Gleichwohl kann aus der Sozialklausel nicht hergeleitet werden, dass alle Wettbewerber Löhne auf dem Niveau der Deutschen Post AG bezahlen müssen.

Die Deutsche Post AG kann aus mehreren Gründen höhere Löhne als ihre Konkurrenten zahlen:

- Sie erwirtschaftet bis heute einen Monopolgewinn aufgrund von erhöhten Preisen, die ein Monopolist wegen seiner schieren Marktmacht durchsetzen kann.

- Sie hat aufgrund der größeren Beförderungsmenge geringere Lohnstückkosten.

- Sie profitiert im Gegensatz zu ihren Konkurrenten von der Mehrwertsteuerbefreiung für flächendeckende Universaldienste, wobei anzumerken ist, dass viele Konkurrenten auch schon eine flächendeckende Zustellung in jeder Ecke Deutschlands garantieren, ohne in den Genuss der Mehrwertsteuerbefreiung zu kommen.

- Die Wettbewerber müssen erst noch Netz und Kundenstamm aufbauen.

Trotz dieser Vorteile hat die Deutsche Post AG seit 1998 rd. 2000 Filialen geschlossen und fast 35.000 Vollzeitarbeitsstellen abgebaut, während im Gegenzug viele kleine und mittelständische Wettbewerber ein bundesweites Filialnetz mit mehr als 16.500 Stationen aufgebaut und 46.000 neue Arbeitsplätze geschaffen haben. In der Anhörung, die der Deutsche Bundestag am 5. November 2007 durchgeführt hat, wurde vom Verband der Post-Konkurrenten auch noch mal hervorgehoben, dass man durchaus mit einem Branchen-Mindestlohn – etwa in Höhe des von der SPD geforderten gesetzlichen Mindestlohns von 7,- Euro/h – leben könnte. Der vom Arbeitgeberverband Postdienste e.V. (AGP) und ver.di ausgehandelte Tarifvertrag sah demgegenüber Mindestlöhne zwischen 8,- und 9,80 Euro/h (gestaffelt nach Regionen) vor. Nach einer Studie der Bundesnetzagentur liegt der durchschnittliche Stundenlohn bei den Wettbewerbern der Deutschen Post dahingegen bei 8,30 Euro.

Zum 1. Januar 2008 läuft das Post-Monopol aus. Die Post hat mit dem AGP eigens einen Verband gegründet, ohne die künftigen Wettbewerber daran zu beteiligen und quasi einen „Vertrag zu Lasten Dritter“ geschlossen, von dem übrigens die Beschäftigten der Deutschen Post selbst nicht erreicht werden, da für sie ein eigener Haustarifvertrag gilt. Damit wollte sie auf einem sehr effektiven Umweg Ihre Monopolstellung auch nach Wegfall des Briefmonopols sichern.

Der Arbeitgeberverband der neuen Brief- und Zustelldienste e.V. in dem die Konkurrenten der Deutschen Post AG vereinigt sind, rechnete bei einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung des zwischen Ver.di und AGP ausgehandelten Tarifvertrages AUF ALLE POSTDIENSTE (auch Zeitungsboten, Paket- und Kurierdienste, die nur gelegentlich Briefe zustellen) damit, dass 50.000 Arbeitsplätze bei Brief- und Zustelldiensten sowie 200.000 Jobs im Handel und anderswo verloren gehen würden.

Eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Tarifvertrages nach Aufnahme einer Branche ins Entsendegesetz sieht als Vorraussetzung vor, dass dieser Tarifvertrag die Mehrheit der Beschäftigten in diesem Bereich (>50 %) erfasst. Zwar liegen Sie richtig, wenn Sie sagen, dass dieses Kriterium bei der Briefzustellung erfüllt ist. Der ausgehandelte Tarifvertrag sollte sich aber nicht nur auf die Briefzusteller sonder auf die gesamte Postbranche erstrecken. Und hier sieht es mit den Mehrheitsverhältnissen anders aus: Die amtlichen Statistiken weisen im Wirtschaftszweig „Postverwaltung und private Post- und Kurierdienste“ zum 30. September 2005 rund 414.600 Beschäftigte aus. Der zwischen Post und ver.di ausgehandelte Tarifvertrag erreicht aber nur 119.000 Arbeitnehmer.

Deswegen begrüße ich es, dass das Kabinett auf Drängen der Union am 19. September beschlossen hat, nur die BRIEFDIENSTLEISTUNGEN und nicht alle POSTDIENSTLEISTUNGEN ins Entsendegesetz aufzunehmen. Wie Sie sicherlich heute Morgen in den Nachrichten gehört oder in der Zeitung gelesen haben, liegt mittlerweile auch ein entsprechend modifizierter Tarifvertrag zwischen ver.di und dem AGV vor, in dem der Geltungsbereich auf Betriebe beschränkt wird, die "überwiegend" Briefsendungen befördern. Erst diese neue Vereinbarung gewährleistet, dass über 50 Prozent der Mitarbeiter in der Zustellerbranche vom Tarifvertrag erfasst werden.

Die Koalition will noch bis Jahresende das Entsendegesetz ausweiten, damit der jetzt ausgehandelte Tarifvertrag bis zum Jahreswechsel für allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Ich denke dass damit sowohl Ihrem Anliegen als auch dem öffentlichen an fairen Wettbewerbsbedingungen im Briefmarkt genüge getan wird.

Mit freundlichen Grüßen,
Andreas Lämmel