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Andreas Lämmel
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Frage von Marcel W. •

Frage an Andreas Lämmel von Marcel W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Lämmel,

ich hatte Ihnen schon vor der Abstimmung über die Vorratsdatenspeicherung eine persönliche eMail geschickt - der Inhalt bezog sich auf meine persönlichen Erfahrungen mit dem Unrechtsstaat DDR und meine Vermutung, dass Sie als ein Wendemitglied des Neuen Forums sicher ähnliche negative Erlebnisse unter einem autoritären Staat und seinem überall mitlauschenden Staatsicherheitsapparat Stasi hatten.

Bisher hatten Sie wahrscheinlich keine Zeit, Ihre Sicht der Dinge darzulegen und überzeugend zu argumentieren, warum Sie mit solchen hundertprozentig vorliegenden negativen Erfahrungen dennoch für die Einführung der pauschalen Vorratsdatenspeicherung gestimmt haben.

Eine sorgfältige Abwägung von Vorteilen (das BKA spricht in einer eigenen Studie von einer möglichen Erhöhung der Verbrechensaufklärungsquote um ca. 0,07%) und Nachteilen (die Bürger werden nicht mehr unbefangen kommunizieren und sich bewegen, sie werden nicht mehr in vollem Umfang Ihre bürgerlichen Rechte wahrnehmen. Der Fall des Berliner Soziologen hat es mir selbst vor Augen geführt. Mein Kollege traute sich nach dem Lesen eines Zeitungsartikels über die Umstände und das Verhalten des BKA nicht, mit der Suchmaschine Google nach einigen der ihm unbekannten Fachwörter zu suchen - er hatte plötzlich Angst, er könnte auch ins Visier des BKA kommen, wie es dem Berliner Wissenschafftler passierte) kann es wohl nicht gewesen sein.

Ich und sicher viele Andere Ihrer Wähler sind gespannt, welche überzeugenden Argumente Sie zur Zustimmung bewegen konnten.

In Hoffnung auf eine baldige Antwort,
Ihr Bürger Marcel Wappler

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Wappler,

vielen Dank für Ihre Zuschrift auf http://www.abgeordnetenwatch.de/ vom 12. November 2007, in der Sie die Umsetzung der EU-Richtlinie zur „Vorratsspeicherung“ durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung (BT-Drs. 16/5846; 16/6979) kritisieren, das vom Deutschen Bundestag am 9. November verabschiedet wurde. Ich habe für den Gesetzentwurf gestimmt und begründe Ihnen im Nachfolgenden auch gerne, warum.

Seit geraumer Zeit habe ich – aber auch andere Kollegen – einen enormen täglichen Email-Eingang zum Thema „Vorratsdatenspeicherung“. Die Beantwortung von Bürgeranschreiben ist mir sehr wichtig. Allerdings war das bei den zu diesem Thema eingehenden Emails nicht immer ganz einfach, da in der überwiegenden Mehrheit der Anschreiben, die Petenten entweder Ihre Anschrift (und sei es nur der Ort, damit ich erkennen kann, ob es ein Bürger/eine Bürgerin aus meinem Wahlkreis ist) nicht angaben oder teilweise nicht mal ihren vollständigen Namen. Sicher haben Sie Verständnis dafür, dass ich bei der Beantwortung von Emails, gewisse formale Kriterien als Vorraussetzung erachte. Wenn aber Ihre erste Email-Zuschrift – obwohl sie diese formalen Anforderungen erfüllt hat – dabei „untergegangen“ sein sollte, so bitte ich dafür vielmals um Entschuldigung.

Doch nun zur Beantwortung Ihrer eigentlichen Frage: Ja, ich habe meine persönlichen Erfahrungen mir dem Unrechtsstaat der DDR gemacht und war Mitglied des Neuen Forums. Ich halte aber den Vergleich, den Sie zwischen den Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und den „Schnüffelmethoden“ der Stasi für abenteuerlich und nicht haltbar und zwar aus folgenden Gründen:

- Die gespeicherten Verbindungsdaten werden ausschließlich zur Strafverfolgung eingesetzt, nicht zum Bespitzeln von Bürgern und Bürgerinnen

- Die Speicherung erfolgt nicht beim Staat (wie in der DDR) sondern bei den Telekommunikationsunternehmen

- Die Speicherungsfrist ist im Gegensatz zu DDR-Methoden auf 6 Monate beschränkt (Anmerkung: Schon nach der gegenwärtigen Rechtslage dürfen Telekommunikationsunternehmen Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken speichern. Dies betrifft z.B. alle Bürgerinnen und Bürger, die einen Einzelverbindungsnachweis bekommen)

- Gesprächsinhalte dürfen im Gegensatz zur Bespitzelung in DDR-Zeiten nicht gespeichert werden, nur Verbindungsdaten

- die Telekommunikationsunternehmen haben den Strafverfolgungsbehörden dann und nur dann (!) Auskunft über die gespeicherten Daten zu erteilen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten oder von Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen wurden, geht. Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft ist an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft.

Nach meiner festen Überzeugung, handelt es sich bei der beschlossenen Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten um eine aus dem Strafverfolgungsinteresse des Staates gebotene Maßnahme. Dieser wurde aber in einen vernünftigen Ausgleich mit dem Grundrechtsschutz der Bürger gebracht. Die von mir oben erwähnten gesetzlichen Einschränkungen zeugen von dem rechtsstaatlichen Charakter dieser Maßnahme. Im Übrigen musste die EG-Richtlinie Nr. 2006/24/EG vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von den Nationalstaaten bis 15. September zwingend in nationales recht umgesetzt werden, was mit dem nun beschlossenen Gesetz geschehen ist. Bei der Speicherfrist von 6 Monaten in Deutschland handelt es sich um die Mindestspeicherfrist nach der Richtlinie. Andere EU-Länder haben sich für eine wesentlich längere Speicherfrist entschieden und auch in den Verhandlungen über die Richtlinie auch eine wesentlich längere Mindestspeicherfrist (z.B. 24 Monate) gedrängt. Dies konnte aber von der deutschen Regierung abgewehrt werden.

Sehr geehrter Herr Wappler, wenn Sie weitere Fragen haben, stehe ich auch gerne zu einen persönlichen Gespräch in Dresden zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Lämmel