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Andreas Lämmel
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Frage von Michael G. •

Frage an Andreas Lämmel von Michael G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Lämmel,

Sie vertreten Dresden im Deutschen Bundestag. Meine Frage ist recht einfach:
In welchem Verhältnis stehen die geplanten Überwachungs- und Kontrollgesetze (z.B. die geheime Online-Durchsuchung) zum erwarteten Ergebnis? Ich darf anmerken, dass wir in unserem Land in den letzten Jahren seit 2001 keinen einzigen erfolgreich durchgeführten Terroranschlag hatten, der eine Totalüberwachung, wie sie von Bundesinnnenminister Dr. Schäuble angestrebt wird, auch nur im entferntesten der gegenwärtigen Situation angemessen erscheinen lässt.
Wie erklären Sie sich den Abbau des Rechtsstaates, der im Grundgesetz ja verankert ist? Warum darf das Grundgesetz in diesem Falle missachtet werden? Und welche Möglichkeiten bestehen, diesem absurden Vorhanden endlich einen Riegel vorzuschieben?
Ich darf gewiss an den Artikel 20 des Grundgesetzes erinnern, wonach das Volk den demokratischen Rechtsstaat notfalls mit allen Mittel verteitigen kann, um einen neuerlichen Machtmissbrauch zu verhindern - ich verweise dabei auf die Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Im Moment jedenfalls sehe ich im Abbau des demokratisch-sozialen Rechtsstaat eine größere Gefahr als im internationalen Terrorismus. Denn auch wenn im Irak täglich hunderte Menschen durch Selbstmordattentäter getötet und verletzt werden, so ist dies nicht die hiesige Situation. Überdies glaube ich nicht, dass man den Terrorismus, sollte er auf Deutschland überschwappen, durch die Installation des totalen Polizeistaates in irgendeiner Weise verhindert werden kann ...

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Giertz,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage vom 2. April diesen Jahres zu den Plänen von Bundesinnenminister Schäuble für eine Änderung des Grundgesetzes, um den Bundeskriminalamt (BKA) für verdeckte Online-Durchsuchungen eine klare Rechtsgrundlage zu geben. Ich bitte Sie herzlich um Verständnis dafür, dass ich erst heute dazu komme, Ihnen zu antworten. Die Fülle der Eingaben an mein Bundestagsbüro verzögert mitunter ungewollt deren Beantwortung.

Noch vor der Sommerpause will der Bundesinnenminister einen Gesetzentwurf dazu vorlegen. Jörg Ziercke, der Präsident des BKA, forderte ebenso wie Heinz Fromm, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), dass der Gesetzgeber das Fahndungsmittel der Online-Durchsuchung ermöglichen müsse. Was die Frage von Online-Durchsuchungen angeht, wird im BKA derzeit die technische Umsetzbarkeit einer solchen Maßnahme im Rahmen eines Entwicklungsprojektes geprüft. Dies ist noch nicht abgeschlossen.

Sehr geehrter Herr Giertz, ich nehme Ihre Befürchtungen hinsichtlich einer überzogenen Überwachung sehr ernst. Ich bitte Sie in diesem Zusammenhang aber zu bedenken, dass nach dem deutschen Strafprozessrecht repressive Ermittlungsmaßnahmen, zu denen auch verdeckte Online-Durchsuchungen zählen, nur im Rahmen eines Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens durchgeführt werden dürfen. Die Einleitung eines solchen Verfahrens setzt nach § 152 der Strafprozessordnung voraus, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen. Liegt ein solcher Anfangsverdacht nicht vor, sind sowohl offene als auch verdeckte strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen unzulässig. Mit anderen Worten: Eine „verdachtslose“ Online-Durchsuchung – etwa in Gestalt einer umfassenden Rasterung von Internetcomputern – wäre auch nach einer eventuellen Gesetzesänderung nicht gerechtfertigt.

Der zusätzliche Nutzen von Online-Durchsuchungen, der mit anderen Instrumenten nicht erreicht werden kann, kann im Einzelfall darin bestehen, dass bei einer „offenen“ Durchsuchung und Auswertung sichergestellter Computerdateien der Betroffene vorab von den gegen ihn geführten Ermittlungen in Kenntnis gesetzt wird. Hierdurch wird in der Regel eine weitere Erforschung des Sachverhalts und eine Aufdeckung der Täterstrukturen erschwert oder gar vereitelt. Denn endgültig gelöschte Dateien, die sich nur im Arbeitsspeicher des Rechners befinden, können im Nachgang einer Beschlagnahme von Datenträgern nicht wiederhergestellt werden; ebenso ist der Zugriff auf verschlüsselte Inhalte nur schwer möglich. Während eine „offene“ Durchsuchung eher am Ende eines Ermittlungsverfahrens steht, kann daher die Online-Durchsuchung in einem Stadium, in dem das Ermittlungsverfahren dem Beschuldigten noch nicht bekannt ist, dazu dienen, Ermittlungsansätze auch im Hinblick auf weitere Tatbeteiligte oder Tatplanungen zu gewinnen.

Sehr geehrter Herr Giertz, selbstverständlich würde eine entsprechende Gesetzesänderung, die im Moment diskutiert wird, nicht zu einer Totalüberwachung führen. Dazu reichen a) die gesetzlichen Grundlagen nicht aus und b) ist die im Internet vorhandene Datenmenge viel zu groß, als dass eine Handvoll Ermittler des BKA die Ressourcen für eine auch nur annähernd flächendeckende Überwachung hätten. Sicherlich stehen Freiheit und Sicherheit mitunter in einem Spannungsverhältnis zueinander und es bestehen im Parlament und in der Bevölkerung unterschiedliche Meinungen darüber, wie diese beiden Werte im Einzelfall zu gewichten sind. Konsens scheint aber für mich zu sein, dass auch und gerade der demokratische Rechtsstaat seine Bürger – insbesondere vor terroristischen Anschlägen – schützen muss. Deswegen hielte ich es nicht für sinnvoll, das Instrument der verdeckten Online-Durchsuchungen von Vornherein zum Tabu zu erklären. Denn: Vorsorge ist besser als Nachsorge.

Mit Bitte um Verständnis für meine Position verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen

Ihr Andreas Lämmel