Frage an Andreas Lämmel von Birger H. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Lämmel,
ich bin ein Mensch mit Behinderung, arbeite in einer WfbM, bekomme aufstockend Sozialleistungen. Zur Zeit mache ich ein Außenpraktikum, aus dem sich ein Außenarbeitsplatz entwickeln könnte, bekomme monatlich Verpflungsgeld gemäß dem zwischen Kostenträger und WfbM vereinbarten Regelsatz, und von der WfbM eine Sonderzulage von 50 €/Monat. Jetzt meine Fragen:
1. Ist es rechtens, daß vom Sozialamt - ich bekomme derzeit Erwerbsminderungsrente und aufstockende Grundsicherung (Wohngeld beantragt, aber noch nicht entschieden) - diese 50 € Sonderzulage als regelmäßige Einnahme angerechnet werden? Nach Auskunft des Begleitenden Dienstes der Werkstatt wurde dies noch bisher bei keinem anderen der Beschäftigten, die ein Praktika bzw. Außenarbeitsplatz haben, von den Sozialleistungsträgern so gehandhabt.
2. Erklären Sie mir bitte, wie man sich vernünftig und vollwertig von einem Regelsatz von 2,00 € / Tag ernähren soll, wenn die Preise außerhalb einer WfbM nunmal zum Teil für ein Mittagessen (und um dies geht es hier) deutlich höher liegen.
3. Welche Anstrengungen will die Deutsche Bundesregierung in Sachen Inklusion verfolgen, damit nicht - wie bisher - Beschäftigte, die in einer Werkstatt gearbeitet haben, ihre rentenrechtlichen Ansprüche, die sie bei Verbleib in der Werkstatt von maxmimal 20 Jahren - diese beziehen dann nämlich 80 Prozent des Durchschnittslohns eines normalen Arbeitsnehmers (fiktiver Basispunkt) - verlieren, bzw. im Alter nur eine Art Mindestrente erhalten, die deutlich niedriger liegt, wenn sie vor Ablauf dieser 20 Jahre einen Arbeitsplatz außerhalb der WfbM erhalten - was im Sinne der Inklusion wäre. Ich finde, hier muß die Deutsche Bundesregierung deutlichst nachbessern und ich sehe hier auch nicht den Gleichheitsgrundsatz gegenüber nichtbehinderten Arbeitnehmern verletzt, weil nichtbehinderte Arbeitnehmer nunmal mit deutlich weniger Einschränkungen zurecht kommen müssen als Behinderte Arbeitnehmer!
MfG
Ihr
Birger Höhn
Sehr geehrter Herr Höhn,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich wie folgt gern beantworte. Für viele Menschen mit Beeinträchtigung sind die Werkstätten für behinderte Menschen geeignete Orte, um am Arbeitsleben teilzuhaben. Die Anerkennung der Arbeitsleistung ist von großer Bedeutung.
Es ist richtig, dass Beschäftige in den Werkstätten keinen tariflichen Lohn bekommen und stattdessen einen Grundbetrag, ein Arbeitsförderungsgeld und meist eine Sonderzulage erhalten. Diese Leistungen werden mit der Sozialhilfe verrechnet. Auch bei Menschen ohne Behinderungen ist dies der Fall.
Damit allen Werkstattmitarbeitern in Zukunft mehr Netto vom Brutto bleibt, wird künftig ein geringerer Teil des Arbeitsentgelts auf die Grundsicherung angerechnet. Die Eingliederungshilfe darf nicht zur Armutsfalle werden. Ein höheres Erwerbseinkommen muss einen höheren Lebensstandard erlauben.
Deshalb wird mit dem Gesetzesentwurf zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen - oder kurz Bundesteilhabegesetz - die bisherige Eingliederungshilfe weiterentwickelt. Wir setzen so schrittweise die wesentlichen Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention um.
Der Gesetzgebungsprozess hat begonnen. Am 28. Juni 2016 hat das Kabinett den Gesetzesentwurf verabschiedet. Im Herbst dieses Jahres wird sich das Parlament damit befassen. Eine öffentliche Anhörung mit Sachverständigen wird voraussichtlich im Oktober stattfinden.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Lämmel