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Andreas Lämmel
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Frage von Thomas S. •

Frage an Andreas Lämmel von Thomas S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Lämmel,

Der ESM-Vertrag gleicht einer Art "Ermächtigungsgesetz":

Art. 8, Abs. 1 Das genehmigte Stammkapital beträgt 700 Milliarden EUR.
Art. 10, Abs. 1 [...] Der Gouverneursrat kann beschließen, das genehmigte Stammkapital zu verändern und Artikel 8 [...] entsprechend zu ändern.

Das Stammkapital (und damit Deutschlands Anteil) kann nach belieben (!) erhöht werden.

Art. 32 Abs. 3 Der ESM, sein Eigentum, seine Mittelausstattung und seine Vermögenswerte genießen unabhängig davon, wo und in wessen Besitz sie sich befinden, Immunität von gerichtlichen Verfahren jeder Art [...]
Art. 32 Abs. 4 Das Eigentum, die Mittelausstattung und die Vermögenswerte des ESM genießen [...] Immunität von Durchsuchung, Beschlagnahme, Einziehung, Enteignung und jeder sonstigen Form des Zugriffs durch vollziehende, gerichtliche, administrative oder gesetzgeberische Maßnahmen.
Art. 35 Abs. 1 Im Interesse des ESM genießen der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats, die stellvertretenden Mitglieder des Gouverneursrats, die Mitglieder des Direktoriums, die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums sowie der Geschäftsführende Direktor und die anderen Bediensteten des ESM Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen.

Der ESM und seine Mitarbeiter befinden sich in einem rechtsfreien Raum!!!

Der ESM erhält beliebig viel Geld. Was mit dem Geld geschieht, unterliegt keiner Kontrolle. Gerichtsbarkeit und demokratische Legitimation sind nicht vorhanden. Mit dem ESM-Vertrag wird ein "Ermächtigungsgesetz" installiert. Werden Sie dem ESM-Vertrag am 29. Juni zustimmen? Können Sie den Wählern und Wählerinnen verdeutlichen, warum sie in den Artikeln und dem ESM insgesamt keine Probleme sehen?

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Steiding

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Steiding,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordnetenwatch. Zunächst gehe ich auf Ihre konkreten Fragen zur Immunität und der Rolle des Bundestages ein.
Die Immunitätsregelungen im ESM-Vertrag für den ESM selbst, sein Vermögen sowie seine Amtsträger und Bediensteten sind bei Internationalen Finanzinstitutionen üblich. Die Tätigkeit des ESM beinhaltet äußerst komplexe rechtliche Vorgänge, welche regelmäßig mit erheblichen Risiken behaftet sind. Durch die Regelungen soll der ESM und sein Vermögen vor unberechtigtem Zugriff Dritter geschützt werden. Das ist im Interesse der ESM-Mitgliedsstaaten und damit auch des deutschen Steuer¬zahlers. Die persönliche Immunität der Amtsträger und Bediensteten kann durch den Gouverneursrat des ESM, in dem die Finanzminister der Mitgliedstaaten der Eurozone ver¬treten sind, bzw. den Geschäftsführenden Direktor aufgehoben werden. Dadurch wird Missbrauch entgegengewirkt. Vergleichbare Regelungen gelten u. a. für den IWF und die Welt¬bank. Das die Immunität für die Mitglieder dieser Gremien Grenzen hat, ist spätestens seit der Verhaftung des ehemaligen IWF-Direktors Dominique Strauss-Kahn bekannt.

Im parlamentarischen Verfahren haben wir umfangreiche Mitwirkungsrechte für den Deutschen Bundestag verabschiedet. Das deutsche Mitglied im ESM-Gouverneursrat ist je nach Abstimmungsgegenstand an das Votum des Haushaltsausschusse oder des gesamten Plenums gebunden. Jeder Mitteleinsatz des ESM oder eine mögliche Kapitalaufstockung benötigen damit die Zustimmung des Bundestages. Abweichungen bei bereits vereinbarten Konsolidierungs- oder Reformprogrammen sind mindestens vom Haushaltsausschuss des Bundestages zuzustimmen. Der deutsche Gesetzgeber behält somit die Entscheidungshoheit über weitere Risiken. Aufgrund der Kapitalzusammensetzung und der damit verbundenen Verteilung der Stimmrechte des ESM kann keine Entscheidung ohne Zustimmung Deutschlands getroffen werden.

Die bisherige Entwicklung der Eurozone zeigt, dass die Grundlagen der Währungsunion nicht ausreichend sind. Die Volkswirtschaften der Eurozone haben sich sehr unterschiedlich entwickelt. Aus meiner Sicht ist die maßlose Verschuldung und die unzureichende Wettbewerbsfähigkeit einiger Mitgliedsstaaten des Euros die zentrale Ursache der aktuellen Eurokrise. Daher sind die Konsolidierung der Staatsfinanzen dieser Staaten, die Stärkung ihrer wirtschaftlichen Basis sowie die Einhaltung der Wachstums- und Stabilitätskriterien des Maastrichter Vertrages der grundlegende Ansatz zur Behebung der gegenwärtigen Probleme.

Der ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) ist ein Teil dieser Maßnahmen. Er dient zur Unterstützung von Mitgliedsstaaten, die sich nicht selbstständig am Kapitalmarkt finanzieren können und soll diese bei ihren Konsolidierungs- und Reformmaßnahmen zu unterstützen. Weiterhin können Mittel des ESM zu Rekapitalisierung von Banken eingesetzt werden, allerdings nur über eine Haftung des Sitzstaates für diese Mittel.
Der weitere Teil zur Stärkung der Eurozone ist der Fiskalpakt. Er verpflichtet 25 EU-Mitglieder, auch jene die nicht der Eurozone angehören, zu strengerer Haushaltsführung und wirtschaftlicher Koordinierung. Künftig wird die Wirtschafts- und Sozialpolitik innerhalb der EU stärker überwacht und koordiniert, damit sich die wirtschaftlichen Ungleichgewichte nicht noch stärker ausprägen. Fiskalpakt und ESM gehören zusammen.

Die Zustimmung zum ESM war eine schwere Entscheidung für mich. Dem deutschen Steuerzahler werden damit große finanzielle Risiken zugemutet. Beim aktuellen Zustand der Eurozone bestehen auch ohne den ESM Risiken für Deutschland. Alternativen wie die Insolvenz bestimmter Euro-Länder oder eine Vermehrung der Geldmenge um Schulden über eine Inflation abzubauen scheiden aus meiner Sicht aus. Die finanziellen und politischen Folgen sind unkalkulierbar. Gläubiger europäischer Staatsanleihen, die Banken in Europa sowie weltweit, Versicherungen und Rentenkassen wären gefährdet. Es geht mir dabei nicht um die Banken oder Versicherungen als solche, sondern um die Einlagen, Ersparnisse, Riesterverträge oder Lebensversicherungen unserer Bürger. Auch die Investitionen deutscher Unternehmen in Staaten der Eurozone und unser Exportmärkte in der Eurozone wären akut gefährdet, mit dramatischen Folgen für den Wohlstand Deutschlands. Die Errichtung des Rettungsschirmes soll dieses Szenario und seine unabsehbaren Kosten verhindern. Auch politisch ist das Ausscheiden eines Euro-Landes riskant. Würde dies doch zeigen, dass die Europäer nicht in der Lage sind, in Notlagen die Eurozone zusammenzuhalten.

Die Bundesregierung muss nun auf die Umsetzung der Konsolidierungs- und Reformmaßnahmen, die Einhaltung des Fiskalpaktes sowie eine angemessene Beteiligung privater Gläubiger an der Euro-Stabilisierung drängen. Ein unbegrenzte und automatische Mithaftung deutschen Steuergeldes für Schulden anderer Staaten darf es nicht geben. Die Krisen-Staaten der Eurozone müssen nun wirksame Strukturreformen unternehmen und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken.
Die Errichtung des ESM ist mit Risiken für den deutschen Haushalt verbunden. Eine Unterlassung der ESM-Errichtung birgt jedoch gänzlich unkalkulierbare Risiken für den Wohlstand Deutschlands. Alle weiteren in Brüssel gefassten Beschlüsse können ohne Befassung im Deutschen Bundestag nicht umgesetzt werden. Damit ist eine Sicherheitslinie gezogen worden die es verhindert das andere Entscheidungen treffen die wir nicht wollen.

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Lämmel