Frage an Andreas Lämmel von Michael K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lämmel,
am 03.07.09 lehnten Sie neben fast allen Mitgliedern Ihrer Fraktion den Gesetzentwurf (BT-Drs. 16/11885) zur Änderung des Bundeswahlgesetzes ab und entschieden sich damit für die Durchführung der Bundestagswahl 2009 mit verfassungwidrigem Wahlrecht.
Als CDU-Abgeordneter meines Wahlkreises bitte ich Sie um eine Stellungnahme, mit welchem Recht Sie und Ihre Partei trotz besseren Wissens eine Wahl durchführen wollen, die gegen geltendes deutsches Recht verstößt.
Wenn Ihnen schon das Bundesverfassungsgericht sagen muss, dass Sie widerrechtlich handeln, sollten Sie wenigstens den Anstand besitzen, dieser Entscheidung im Sinne Ihrer Wähler zu folgen und einer Gesetzesänderung zustimmen.
Soll ich zur nächsten anstehenden Wahl einem Politiker meine Stimme geben, der offenen Auges gegen die Verfassung verstößt?
Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kochte
Sehr geehrter Herr Kochte,
vielen Dank für Ihre Nachricht auf abgeordnetenwatch.de. Zur Aufarbeitung vieler angelaufener Fragen - auch Ihrer - komme ich arbeits- und wahlkampfbedingt erst jetzt. Dafür bitte ich Sie um Verständnis.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 3. Juli 2008
festgestellt, dass das Bundeswahlgesetz punktuell gegen das Grundgesetz verstößt, weil ein Zuwachs an Zweitstimmen zu einem Verlust an Sitzen der Landeslisten oder ein Verlust an Zweitstimmen zu einem Zuwachs an Sitzen der Landeslisten führen kann (Phänomen des sogenannten negativen Stimmgewichts). Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung hat das Bundesverfassungsgericht übrigens nicht die Überhangmandate an sich für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, bis spätestens zum 30. Juni 2011 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.
Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hatte dazu kurz vor Ende der letzten Wahlperiode einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes eingebracht. Diesen Gesetzentwurf habe ich, wie Sie erwähnt haben, abgelehnt. Ich hatte dafür im Wesentlichen folgende Gründe:
- Das Bundesverfassungsgericht hat bewusst eine längere Zeitvorgabe für die Änderung des Wahlrechts gesetzt, weil es sich hierbei um eine schwierige und komplexe Aufgabe handelt, in die grundsätzliche Erwägungen einfließen müssen. Diese Änderung soll mit ausreichend Zeit in der neuen Legislaturperiode diskutiert werden.
- Der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen wird der föderalen Fairness nicht ausreichend gerecht.
- Die Kandidatenaufstellung zur Bundestagswahl war zu dem Zeitpunkt der Einbringung des Gesetzentwurfes schon vollzogen. Es ist ein wichtiger Grundsatz, nicht in ein laufendes Verfahren einzugreifen.
Nicht nur die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sondern auch die Bundestagsfraktionen von SPD und FDP haben den Gesetzentwurf abgelehnt. In der neuen Legislaturperiode werden wir das Wahlrecht gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ändern und diese Neurungen vorab interfraktionell - also mit der Opposition abstimmen.
Durch das Ergebnis der Bundestagswahl hat sich die Diskussion über vermeintlich illegitime Überhangmandate insofern erübrigt, als dass CDU/CSU und FDP im Deutschen Bundestag auch ohne Überhangmandate über die Mehrheit der Sitze verfügen würden.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Lämmel