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Frage von Peter Claus L. •

Frage an Andreas Dressel von Peter Claus L. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Dr. Dressel,

mit Interesse habe ich im Hamburger Abendblatt gelesen, dass Sie eine Große Anfrage zum Thema ´Gewaltverbrechen von Jugendlichen in Hamburg´ an den Senat gestellt haben.
Sie werfen laut Abendblatt dem Senat vor ´zu wenig die Ursachen zu bekämpfen´ und fordern ´mehr Einsatz gegen Waffen und Alkohol´.

Meine Fragen dazu:
Wie sieht Ihr Konzept gegen Jugendkriminalität für Hamburg aus?
Ist das Waffenverbot für St. Pauli und St. Georg ein falscher Weg?

Zusatzfrage:
Wollen Sie einen Wahlkampf à la Roland Koch in Hessen?

Herzliche Grüße,
Peter Claus Lamprecht

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lamprecht,

Vielen Dank zunächst für Ihre Frage - und eine Klarstellung vorweg: Einen Wahlkampf wie in Hessen à la Koch will keiner in Hamburg. Aber das Thema Jugendgewalt ist etwas, das angesprochen gehört. Und ein CDU-geführter Senat, der 2001 angetreten ist, die Jugendgewalt zu reduzieren, muss sich fragen lassen, warum es heute mehr und nicht weniger Jugendgewalt gibt. Das ist meine Aufgabe als Oppositionspolitiker.

Mein Aufgabe ist auch, ergänzende Konzepte vorzulegen. Und das haben wir getan. Leider hat die CDU-Fraktion unsere Vorschläge komplett abgelehnt in der Bürgerschaft.

Das waren und sind unsere Essentials:

1. Gewalteskalationen vorbeugen: Anti-Gewalt-Trainings schon in der Frühphase einer kriminellen Karriere, nicht erst bei Intensivtätern; Entwaffnungsstrategie insbesondere bei Jugendlichen für die ganze Stadt – nicht nur für den Hansaplatz und den Kiez.

2. Alkohol wirkt wie Brandbeschleuniger bei Jugendgewalt. Ladenschlussgesetz verschärfen, um den offenen Straßenverkauf von Alkohol abends und nachts einzudämmen. Möglichkeit, zeitlich und räumlich beschränkte Alkoholverbote an Brennpunkten zu verhängen. Mehr Jugendschutzkontrollen. Mehr Prävention.

3. Gewaltpräventive Medienpolitik: Mehr Medienfrüherziehung; verlässliche Kontroll- und Sicherheitsstandards für Videoverleihautomaten, Verbot von Killerspielen und Gewalt verherrlichender Videos.

4. Gewaltpräventionsarbeit in Kitas und Schulen stärken: Gewaltprävention muss bereits in der Kita beginnen; weitere Stärkung der Gewaltprävention an Schulen.

5. „Cop wirklich 4 You“: Das „Cop4U“-Programm ist dahingehend umzustellen, dass die Polizeibeamtinnen und -beamten diese Aufgabe nicht als zusätzliche Funktion, sondern mit ausreichenden zeitlichen Kapazitäten als wesentlichen Teil ihres Dienstes versehen können. Dies würde notwendigerweise eine Reduzierung ihres sonstigen Aufgabenspektrums erfordern.

6. Die Eltern notfalls in die Verantwortung zwingen: Das Familienrecht ist so zu überarbeiten, dass familiengerichtliche Maßnahmen hinsichtlich schwerwiegend verhaltensauffälliger, insbesondere straffälliger Minderjähriger erleichtert werden. Die Erziehungsberechtigten müssen zur Inanspruchnahme von Jugendhilfeleistungen verpflichtet werden. Als ultima ratio bleibt – mit neuem Konzept und neuem milieufernen Standort – die Geschlossene Unterbringung.

7. Haus des Jugendrechts: Pilotversuch ab 2009. Nach Stuttgarter Vorbild sollen die Jugendsachbearbeiter der Polizei, die Jugendstaatsanwaltschaft und die Jugendgerichtshilfe zusammengefasst werden, um so ein effektives Fallmanagement und eine Beschleunigung der Verfahren zu ermöglichen.

8. Strafe muss der Tat auf dem Fuße folgen: Ermittelte Täter müssen binnen einen Monats angeklagt und verurteilt werden. Zügige Verfahren sind gerade bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität von elementarer Bedeutung. Mit verbindlichen Verfahrensleitlinien zwischen Staatsanwaltschaft und Gerichten soll dafür Sorge getragen werden, dass das vereinfachte Jugendverfahren bzw. das beschleunigte Verfahren wesentlich intensiver in geeigneten Fällen zur Anwendung kommt. Wenn ein Intensivtäter erst Monate später vor dem Richter steht, ist auch die strengste Strafe für die Katz. Strafe muss der Tat wirklich auf dem Fuße folgen.

9. Das Jugendstrafrecht wird weiterentwickelt – d.h.: -Das vereinfachte Jugendverfahren sowie auch das beschleunigte Verfahren für Heranwachsende ermöglichen eine rasche gerichtliche Reaktion und müssen verfahrensmäßig besser flankiert werden. Konsequente Anwendung des Jugendarrestes als wichtiges Instrument klarer Grenzsetzung, um kriminelle Karrieren in geeigneten Fällen zu stoppen. Ein bis zu dreimonatiges Fahrverbot soll im Jugendstrafrecht zu einer eigenständigen, nicht auf Taten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr beschränkten Sanktion ausgebaut werden. So eine Anordnung kann nachhaltige erzieherische und auch „Denkzettel“-Wirkung erzielen. In bestimmten extremen Einzelfällen und unter strengen Voraussetzungen soll die nachträgliche Sicherheitsverwahrung auch für Jugendliche und Heranwachsende verhängt werden.
10. Der Jugendstrafvollzug ist entlang des SPD-Vorschlags auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Ein guter Behandlungsvollzug ist der beste Opferschutz von morgen.

11. Aktive und Aktivitäten bündeln: Die verschiedenen Ansätze präventiver und repressiver Bekämpfung der Jugendgewalt müssen in geeigneter Weise gebündelt, die Akteure aus den staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen kontinuierlich vernetzt sein. Dafür sollen die bezirklichen Fachkommissionen gestärkt und eine zentrale, mit angemessenen personellen Ressourcen ausgestattete Einrichtung geschaffen werden (z.B. nach dem Vorbild der Berliner „Landeskommission gegen Gewalt“). Im Bereich Jugendgewalt arbeiten noch zu viele Stellen ahnungslos nebeneinander her.

12. Strenges Controlling: Sämtliche laufenden Programme (etwa der Innenbehörde, der Sozialbehörde und der Bildungsbehörde) im Bereich der Jugendgewalt sollen qualifiziert evaluiert und die Ergebnisse der Bürgerschaft und der Öffentlichkeit vorgelegt werden. Der Senat muss der Bürgerschaft halbjährlich über den Fortschritt berichten.

Meine Maxime lautet: Konsequent gegen die Ursachen, konsequent gegen die Erscheinungsformen von Jugendgewalt. Und alle Maßnahmen begleitet von einem effizienten Controlling. Das ist der Schlüssel gegen die anhaltend hohe Jugendgewalt, die immer neue Opfer schafft und die Bürger verunsichert.

Leider ist zu befürchten, dass das bisherige Senatskonzept zur Jugendgewalt alleine keine Trendwende bringen wird. Wir wollen mehr.

Noch zum Waffenverbot für zwei eng begrenzte Bereiche: Das ist nicht der falsche Weg. Er reicht nur nicht. Die Zahlen zeigen, dass wir die Problematik mit den Hieb- und Stichwaffen auch in anderen Stadtteilen haben. Deshalb wollen wir stärkere Anstrengungen gegen Waffen in der ganzen Stadt.

Beste Grüße
Ihr

Dr. Andreas Dressel