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Frage von Viola G. •

Frage an Andreas Dressel von Viola G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Dressel,

die Wahlbeteiligung zur Bürgerschaftswahl geht im Vergleich zu den vorherigen Jahren stetig von gerundet 71 % (2001) über 69 % (2004) und 64 % (2008) auf von vor vier Jahren 57,3 % (2011) zurück. Sie behaupten, das komplexe Wahlrecht sei dafür verantwortlich.

Gleichzeitig engagieren sich immer mehr BürgerInnen in allen Hamburger Bezirken direkt und demokratisch mit Herzblut, opfern mehrere JAHRE von ihrer Freizeit ehrenamtlich, teilweise bis zur Erschöpfung, vernachlässigen ihre Kinder, Partner, Hobbies, Arbeit und nehmen eigenes Geld in die Hand. Die Mitwirkung von BürgerInnen durch zwei Instrumente direkter Demokratie in Form von Volks- und Bürgerentscheiden ist gesetzlich ausdrücklich gewollt.

BürgerInnen des Bezirks Mitte erwirken als Ergebnis ihres Engagements einen Bürgerentscheid gegen die Seilbahn. Bürgermeister Scholz würdigt und respektiert diese Entscheidung der Bürger öffentlich positiv. BürgerInnen des Bezirks Bergedorf erwirken einen Bürgerentscheid für Windenergieanlagen bis zu einer Höhe von 100 m bei bestehenden Abständen zur Wohnbebauung. Bürgermeister Scholz und die SPD-Fraktion sind dagegen, übergehen und entwerten den Willen der BürgerInnen im Bezirk Bergedorf. Einen Kompromiss mit Vertretern der BI´s, wie sie behaupteten, hat es meiner Meinung nach nie gegeben.

Warum halten Sie BürgerInnen, die in ihrem Alltag mehr als bis 10 zählen und lesen können, für intellektuell nicht in der Lage, jeweils bis zu 5 Kreuze auf einen Wahlzettel zu machen?

Warum gibt es für die SPD BürgerInnen geringeren Wertes?

Mit freundlichen Grüßen
V. G.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Gietzelt-Fleischhauer,

Ihre Verärgerung über den Umgang mit dem Ergebnis des Bürgerentscheids zum Thema Windkraft kann ich nachvollziehen. Gleichwohl ging es hier um einen landesweit geltenden Flächennutzungsplan, wo rechtlich der Bürgerentscheid nicht verbindlich war und es auch nicht sein konnte. Dass die SPD dafür dann „ein´s auf die Mütze bekommt“, weil sie den unverbindlichen Bürgerentscheid nicht umsetzt, ist völlig in Ordnung. Aber: Dass die Bürgerentscheide nur in Bezirksfragen abschließend und verbindlich sind, darauf haben wir uns in gemeinsam mit allen Parteien und Mehr Demokratie in dieser Wahlperiode im neuen Bezirksabstimmungsdurchführungsgesetz verständigt und damit die bisherige Rechtslage bekräftigt. Das ist klar, dass das nicht jedem gefällt, aber es ist unserer Verfassungssituation als Einheitsgemeinde geschuldet.

Trotzdem haben wir ja versucht, mit der Bürgerinitiative das Gespräch zu suchen. Wir haben einige Punkte aufgreifen und in einen Zusatzantrag schreiben können, über deren Umsetzung die Initiative und wir auch wachen – aber, in der Tat ein echter Kompromiss war das nicht, das haben wir aber auch nicht behauptet. Ich finde, dass es in solchen Situationen aber immer besser ist, miteinander als übereinander zu sprechen. Und trotz verhärteter Fronten sollte man immer schauen, wo es vielleicht doch Bewegung oder Entgegenkommen geben kann. In diesem Sinne sollte man immer Kompromissmöglichkeiten ausloten – aber nicht immer kommt es zu einem für alle tragbaren Ergebnis.

Bei Landesvolksentscheiden ist die Lage anders. Und da gibt es auch kein Wackeln. Wir haben z.B. anstandslos den von uns verlorenen Volksentscheid zu den Netzen umgesetzt. Bei der vollständigen Geltung von Landesvolksentscheiden wird es natürlich bleiben. Und auch bei Bürgerentscheiden können wir uns eine erweiterte Bindungswirkung vorstellen – aber nicht ohne irgendein Quorum, so wie es das Gesetz bisher vorsieht. Und beim Bürgerentscheid Seilbahn gab es kein Gesetz – anders als eben beim Flächennutzungsplan in Sachen Windkraft – das es geboten hätte, das zwingend landesweit durch den Senat zu entscheiden; insofern konnte man da das ablehnende Votum der Bürger 1:1 in die Politik einfließen lassen.

Kurzer Hinweis noch zum Wahlrecht, dazu hatte ich auf eine andere Frage folgendes geantwortet, was ich Ihnen gerne zur Kenntnis gebe: „Wir haben uns in unserem Wahlprogramm damit befasst und festgestellt: ´Das Wahlrecht insbesondere zu den Bezirkswahlen hat sich als teilweise zu komplex herausgestellt. Die dramatisch zurückgegangene Wahlbeteiligung kann niemanden zufrieden stellen. Wir wollen einen Dialog darüber führen, ob und wie in einem breiten Konsens eine Vereinfachung oder andere Maßnahmen insbesondere zur Stärkung der Wahlbeteiligung möglich sind.´“ Nicht mehr und nicht weniger. Bei mir kommen viele Bürger an den Infostand, die sich über das Wahlrecht beklagen, über diese Beschwerden kann man nicht einfach drüber weggehen.

Beste Grüße aus dem Rathaus
Ihr
Andreas Dressel