Frage an Andreas Apelt von Daniela R. bezüglich Recht
Hallo Herr Apelt,
ich beziehe mich auf die angefange Diskussion um "Toleranz" im Kiez. Ich bin manchmal auch genervt von der vielen Musik, den vielen jungen Leuten und dass sich alle scheinbar nur noch als "Besucher" empfinden.
Ich sehe aber auch die Vorteile, die mich bestärken genau an diesem Ort zu leben und zu wohnen. Lande ich am U2-Bhf. Eberswalder Straße, dann denke ich jedesmal, wenn ich die vielen Leute sehe, die Musik höre etc. - bin ich froh wieder in dieser lebendigen und quirligen Stadt zu sein. Das Spektrum der Leute, die man dort trifft - vom Punker bis zum Yuppie - zeigt die Vielfalt und die Toleranz mit der man sich begegnet, aber auch die Härte des Alltags. Sie gaukelt nicht die schöne heile Welt vor, dann sollte man vielleicht eher ins Reihenhaus ziehen;-) Die Atmosphäre am Kiosk zeigt mir eher, dass sich viele Leute dort treffen, miteinander ins Gespräch kommen - auch über Musik z.B. Das find ich - auch wenn es etwas lauter und störend sein mag - einen wichtigen Punkt, für den ich bereit bin, den Lärm zu akzeptieren.
Experimentelle Arbeitskonzepte, Läden die rund um die Uhr aufhaben, immer noch ein "Feierabendbier" spät in der Nacht trinken zu können -all das sind tuen dem Kiez auch gut , schaffen eine tolerante Atmosphäre und Lebensqualität - die man nirgends anders so konzentriert findet. Kurzum mein Plädoyer: Sollte man nicht statt "Null Toleranz" zu üben - was ja im Endeffekt nur die Probleme verdrängt, nicht aber löst - den direkten Dialog miteinander suchen? Sollte nicht z.B. Herr Schröter sich an den Kiosk-Besitzer direkt wenden, und ihm schildern, wie störend er das findet. Nur durch Kommunikation kann eine Öffnung und Toleranz entstehen.
Herr Apelt: Wie gehen Sie konkret mit divergierenden Interessen im Kiez um? Wie kann man die Kommunikation zwischen verschiedenen Interessen unterstützen?
Sehr geehrte Frau Riedel,
vielen Dank für die Bemerkungen und die Frage. Ich bin immer sehr froh, wenn Menschen einen Weg suchen und finden, um sich gegenseitig über ihre Auffassungen, Lebensanschauungen und Wertvorstellungen zu verständigen, für Akzeptanz und Toleranz im Umgang miteinander werben und Vorurteile abbauen. Das zeichnet ja gerade auch unseren Kiez aus, wo Menschen mit sehr unterschiedlichen Anschauungen nebeneinander leben. Eben wie Sie sagen, der Punker und der Yuppi, oder der Student und die Geschäftsfrau, der Schüler, die Großmutter und der Obdachlose. So lange dies alles friedlich verläuft gibt es keine Probleme, was auch für ein tolerantes miteinander spricht. Ich beobachte allerdings auch manchmal eine gewisse Abgrenzung, vielleicht sogar Feindseligkeit, die ich, der seit fast 3 Jahrzehnten hier wohnt, bisher nicht gekannt habe. Es beginnt damit, dass ich in Kneipen, in denen ich früher auch mit einem Anzug verkehrte, weil ich aus dem Büro kam, und es egal war, wie man am Tresen stand heute eher schief angesehen werde und endet mit Bemerkungen wie "das ist unser Kiez, haben sich wohl verlaufen". Und das von Leuten, die vor drei Jahren aus ... kamen. Also eine unangemessene Vereinnahmung von Öffentlichkeit, die allen zusteht, auf dem Helmi genauso wie auf dem Kollwitzplatz oder in jeder Kneipe. Eine Vereinnahmung, die nach meinem Verständnis dem friedlichen Miteinander abträglich ist. Während dies in bestimmten Stadtteilen schon seit Jahren üblich sein mag, wünschte ich mir, dass gerade unser Stadtteil Schule machen könnte in Berlin mit seiner Toleranz und Offenheit. Daran sollten wir auch arbeiten, denn niemand ist der Maßstab der Welt. Zur Akzeptanz von Menschen, die in der Regel immer anders denken als man selbst, zähle ich allerdings auch Umgangsformen, die ein soziales und verantwortliches Miteinander bedingen. Insofern habe ich Verständnis, wenn wie im konkreten Fall Menschen sich z.B. durch nächtlichen Lärm, Unrat in den Hausfluren, Hundekot, Schmierereien an ihrem neu gemalten Haus, etc. belästigt fühlen. Damit fängt Toleranz dort an, wo jeder die Lebenswelt seines Nachbarn, Mitbürgers etc. akzeptiert, ohne dass er sich in diese Lebenswelt einmischt, also sich nicht anmaßt nur seine Welt zu kreieren, die allein seinen Vorstellungen entspricht. Dafür ist dann wirklich die Erde zu klein um jeden Individualisten sein Leben auf Kosten anderer ausleben zu lassen. Auf seine eigenen Kosten gern.. Also am Ende bleibt dann doch wieder der berühmte Kategorische Imperativ, der auch nach 200 Jahren noch nichts von seiner moralischen Qualität und seinem Maßstab im Umgang miteinander eingebüßt hat.
Mit den besten Grüßen
Andreas Apelt