Frage an Andrea Lindlohr von Bayram T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Lindlohr,
ich möchte Ihnen gerne als Mitglied der Union of European Turkish Democrats (UETD) in Stuttgart ein paar Fragen stellen. Erst aber einmal zur UETD selber.
Die UETD, mit Hauptsitz in Köln, wurde im Jahr 2004 als unabhängige Organisation der Zivilgesellschaft ins Leben gerufen. Wir hatten die Ehre, zur Eröffnungsveranstaltung in der Villa Turca, namhafte Gäste wie den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, den türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan, Mitglieder des deutschen Bundestages und des türkischen Parlaments zu empfangen.
Inegration ist keine Einbahnstraße, es muss gefordert und gefördert werden. Dies ist uns wohl bewußt. Deshalb hat die UETD einen 10 Punkte Plan für die Integration der türkischen Bevölkerung sowohl an die Mehrheitsgesellschaft als auch an die türkischen Staatsbürger selber aufgestellt (zu ersehen unter: www.uetd.org). Ich bitte Sie um eine Stellungnahme zu einigen der Forderungen an die Mehrheitsgesellschaft:
1. Bilinguale Spracherziehung: Sprache ist Grundbedingung und Motor der Integration. Die Beherrschung der Muttersprache ist Grundlage für die Erlernung einer weiteren ("Mutter")Sprache. Kinder mit Migrationshintergrund sollten deswegen ziemlich früh an die türkische als auch an die Sprache und Kultur des Landes in dem sie leben herangeführt werden. Bilinguale Spracherziehung sollte bereits im Kindergarten beginnen und in der Grundschule und weiterführenden Schule fortgesetzt werden.
2. Nur die doppelte Staatsbürgerschaft wird der doppelten kulturellen Identität von Menschen mit Migrationshintergrund gerecht. Wie stehen Sie dazu (auch wenn es nicht in Ihrem Einflußbereich steht)?
3. Interkulturelle Öffnung der Verwaltung: der öffentliche Dienst soll bei der Ausbildungsplatzvergabe auf eine Ausgewogenheit bei der kulturelen Vertretung eine Vorreiterrolle spielen.
4. Anerkennung des Islams als Körperschaft d. öffentl. Rechts
Sehr geehrter Herr Tasdögen,
mit Ihnen bin ich der Meinung, dass Integration keine Einbahnstraße sein kann. Ich möchte, dass Migratinnen und Migranten durch gleiche Rechte und
gleiche Pflichten selbstverständlicher und zugehöriger Teil unserer gemeinsamen Gesellschaft sind, möglichst auch der politischen Gemeinschaft als Staatsbürger. Gegen den diskriminierenden und dummen ´Fragebogen´ haben meine Partei und ich mich persönlich stets gewandt.
Zu Ihren Fragen:
1. Es ist ein Problem, dass Kinder aus Migrantenfamilien zunehmend keine Sprache ausreichend beherrschen. Dennoch möchte ich daraus nicht die Konsequenz ziehen, die Herkunftssprachen durch durchgehenden bilingualen Unterricht an den Schulen hervorzuheben. Das Erlernen der deutschen Sprache für alle Kinder muss im Mittelpunkt unserer Schule stehen und ist
zentral für die Integration und die Chancen der Kinder. Das ist die vordringliche Aufgabe unserer Schulen und auch eine Aufgabe der Eltern. Zudem ist türkisch beileibe nicht die einzige Herkunftssprache der Kinder
an unserer Schulen, und warum afghanische Kinder dem nachstehen sollten, halte ich für schwierig zu begründen. Natürlich ist das Bedürfnis von Migranten, die Heimatsprache nicht zu verlieren, wichtig - das würde mir auch so gehen. Aber diese Kultur müssen die Familen aus allen Nationen der Welt, die hier leben, vordringlich selber pflegen. Darüberhinaus halte ich es aber für anregenswert, dass eine wichtige Sprache des auch europäischen Kulturraums wie türkisch als Wahl-Fremdsprache als Angebot an alle Jugendlicher eines Klassenverbandes wie spanisch oder russisch an Schulen angeboten wird.
Auf mich wirkt der muttersprachliche Unterricht wie die letzten verbliebenen ´Gastarbeiter´-Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Teil einer fernen Zeit - der Zeit, in der die deutsche Mehheitsgesellschaft die Augen davor verschlossen hat, dass wir ein Zuwanderungsland für Menschen aus aller Welt sind, sondern sich der Illusion hingab, dass lediglich einige ´Gastarbeiter´ aus ein paar weniger anderen Ländern hier wohnen, die weder eine Familie begründen noch hier
alt werden werden - eine Illusion, die sehr schädlich war.
2. Die doppelte Staatsbürgerschaft sollte nach meiner Meinung in mehr Fällen von Deutschland hingenommen werden, um Härten bei Herkunftsländern mit problematischen Rechtsordnungen zu vermeiden. Dass nur sie Migranten gerecht wird, sehen die Migranten in meinem sozialen Umfeld zumeist nicht so.
3. Die interkulturelle Kompetenz der Verwaltung zu stärken ist sehr wichtig. Eine verpflichtende Quote ist in Deutschland grundrechtlich nicht möglich. Ein Schulsystem, dass die Kinder nicht so früh sortiert, ist anch meiner Meinung in wichtiger Schritt dahin, dass mehr Kinder aus Migrantenfamilien durch ihre Schulabschlüsse auch in die Lage versetzt werden, eine Verwaltungsausbildung anzutreten oder sich durch ein Studium auch für den höheren Dienst zu qualifizieren.
4. Es wäre sehr begüßenswert, wenn der Islam in Deutschland ein Körperschaft des öffentliches Rechts würde. Dazu müssten sich die deutschen Muslime auf eine dazu notwendige Orgamisationsform einigen. Dazu sollte die Politik signalisieren, dass sie dies wünsch und eine Anerkennung anstrebt, was ich hiermit gerne tue.
Mir freundlichen Grüßen,
Andrea Lindlohr