Frage an Andrea Lindlohr von Tilman S. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Lindlohr,
danke, dass Sie Ihre Antworten im Kandidatencheck kommentiert haben, so erhält man Auskunft über Ihre Gedanken dazu. Zum Thema dreigliedriges Schulsystem stimmen Sie nicht zu.
Wie stellen Sie sich denn konkret vor, wie in einem anderen Schulsystem mit besonders begabten Kindern und Jugendlichen umgegangen würde? Und was hilft ein anderes Schulsystem angesichts der Tatsache, dass viele Eltern die Erziehung Ihrer Kinder dem Fernseher, Internet, Computerspielen und der "Straße" zu überlassen scheinen? Es wundert mich in diesen Fällen nicht, dass es nur zur Hauptschule reicht (und manchmal leider nicht mal dazu). Das Kind kann zwar nichts dafür, die anderen Kinder aber auch nicht, sondern die Eltern bzw. die Familien.
Mit freundlichen Grüßen
Tilman Sommer
Sehr geehrter Herr Sommer,
vielen Dank für Ihre Frage. In keinem anderen westlichen Staat hängt die Bildung der Kinder so sehr vom sozialen Status der Eltern ab wie bei uns. Das allein sollte schon Grund sein, uns alle gemeinsam verpflichtet zu sehen, an unserem Bildungssystem mehr als nur ein paar kleine Stellschräubchen zu verändern. Sie schreiben zu recht, dass viele Eltern sich nicht genügend oder genügend gut um ihre Kinder kümmern. Ob das ´früher´ besser war, kann ich letztlich nicht beurteilen, habe aber Zweifel.
Schulen ersetzen Elternhäuser nicht. Aber das öffentliche Schulwesen ist ja eben dazu da, elternhausbedingte Nachteile von Kindern auszugleichen und die Chancen von Kindern, ihre Fähigkeiten zu entwickeln, anzugleichen. Das ist der tiefere Sinn hinter der staatlichen Schulpflicht, zumindest in freiheitlichen Demokratien.
Ich bin mir sicher, dass eine gute Förderung in heterogenen Lerngruppen machbar ist und zu mehr Gerechtigkeit UND mehr Leistung führt. Ich kenne es auch von Bekannten, die an der Französischen Schule in Tübingen unterrichtet haben, und auch von dieser Schule im Thurgau, die uns zwei ihrer Lehrer einmal sehr eindrücklich vorgestellt haben http://www.osa2plus.ch/osa_modell.shtm : Die Lerngruppen sind bewusst heterogen, nämlich altersgemischt über drei Jahrgänge. Neben den individuellen Lernzielen für die Schüler und dem Prinzip, immer zwei Lehrkräfte in der Klasse zu haben, ist dort sehr wichtig, dass Schüler Verantwortung für den Lernerfolg einen Gruppe übernehmen und das die Älteren den Jüngeren systematisch bei einzelnen Feldern helfen müssen. Das macht das Lernen - gerade für die Älteren, die erklären lernen müssen, sehr effizient.
Was das kostet? Ich kann es Ihnen nicht genau sagen. Ich meine, dass uns die netten Schweizer damals erklärt haben, dass sie es schaffen, dass die neue Schule die öff. Hand nicht mehr Geld kostet als die alte. Aber darlegen kann ich das nicht mehr. Die Beibehaltung des dreigliedrigen Schulsytems mit seinem Fokus auf Kindersortieren und der illlssion homogener Lerngruppen, bei de faktisch (neue Studie!) ein Drittel der Kinder über- und ein Drittel unterfordert sind, kommt uns aber sicher viel zu teuer.
Mit freundlichen Grüßen,
Andrea Lindlohr