Frage an Andrea Lindholz von Wolfgang A. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht
Sehr geehrte Frau Abgeordnete Lindholz,
Ich kann aus Sicht des Grundgesetzes verstehen, dass Deutschland aus humanitären Gründen politisch Verfolgten und Kriegsflüchtlingen Schutz gewährt. Bei reinen Wirtschaftsflüchtlingen verstehe ich andererseits nicht, warum die nicht schnellstens wieder ausgewiesen werden.
Leider liest man immer wieder in der Zeitung und hört es auch in den Nachrichten, dass Flüchtlinge Straftaten in Deutschland begehen. In diesem Zusammenhang würde mich die rechtliche Situation interessieren, warum straffällig gewordene Flüchtlinge nicht umgehend in ihr Herkunfts- oder Heimatland abgeschoben werden, sofern sie nicht bei Kapitalverbrechen ins Gefängnis kommen.
Meine Frage hierzu lautet:
Warum verpflichtet Deutschland Flüchtlinge bei der Einreise nicht schriftlich, dass sie einer sofortigen Abschiebung in ihr Herkunfts- oder Heimatland zustimmen, sobald sie straffällig geworden sind, einerlei ob sicheres oder unsicheres Land. Hätte Deutschland dann nicht eine rechtssichere Handhabe für die Abschiebung und würden spätere Probleme dadurch nicht vermieden?
Mit freundlichen Grüßen und vielen Dank für die Beantwortung
Wolfgang Adamek
Sehr geehrter Herr A.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. In der Tat haben wir auch in Deutschland beim Thema Durchsetzung der Ausreisepflicht bzw. Rückführungen erheblichen Nachholbedarf.
Jeder Asylbewerber in Deutschland bekommt zunächst ein rechtsstaatliches Verfahren, in dem seine Identität und sein Schutzanspruch geprüft werden. Wird kein Schutzbedarf festgestellt, muss der Asylbewerber ausreisen. Besteht ein Schutzanspruch, erhält der Betroffene ein ein befristetes Aufenthaltsrecht i.d.R. als Flüchtling oder als subsidiär Geschützter. Dieser Schutztitel kann bei schwerwiegenden Straftaten oder nachträglich festgestellten Falschangaben wieder entzogen werden., so dass der Betroffene ausreisepflichtig wird. Allerdings sind die Hürden für den Entzug des Schutztitels aufgrund von Straftaten aus völker- und europarechtlichen Gründen sehr hoch. Grundsätzlich gilt, dass niemand in ein Land abgeschoben werden darf, in dem ihm eine ernsthafte Gefahr für Leib und Leben droht. An diesem sog. Refoulement-Verbot kann auch der von Ihnen skizzierte Vorschlag nichts ändern. Letztendlich ist dies nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen möglich, in denen eine ganz erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit von dem Betroffenen ausgeht. In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf diese Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes:
Ich selbst und die Innenpolitiker der Union plädieren seit Jahren dafür, hier gerade auch mit Blick auf islamistische Gefährder und schwerwiegende Straftaten die Grenzen des völker- und europarechtlich machbaren vollständig auszuschöpfen. Bislang konnten wir hier mit unserem Koalitionspartner nur Teilerfolge erzielen.
In der Praxis scheitern Rückführungen aus ganz unterschiedlichen Gründen. Oft tauchen Betroffenen kurz vor dem Abschiebetermin unter oder vernichten ihre Reisedokumente. Nicht wenige Herkunftsländer kooperieren nur sehr eingeschränkt bei der Rücknahme ihrer Staatsbürger, sie stellen keine Reisedokumente aus oder nehmen nur ganz wenige Personen auf einmal zurück. Auch gesundheitliche Themen und ärztliche Atteste spielen mitunter eine Rolle. Nicht zuletzt sind Abschiebungen in Deutschland Aufgabe der Länder und nicht jede Landesregierung hat ein Interesse daran, dass die bestehende Ausreisepflicht auch durchgesetzt wird.
Wir als Union haben deshalb bereits letztes Jahr im Rahmen des großen Migrationspaketes auch das sog. "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" gegen massive Widerstände im Parlament durchgesetzt, um die Möglichkeiten zur Durchsetzung der Ausreisepflicht weiter zu verbessern nach den diversen Asylpaketen seit 2015. Dieses Gesetz trat erst zum Januar 2020 in Kraft und konnte aufgrund der pandemiebedingten Reisebeschränkungen bislang keine echte Wirkung entfalten bzw. es lässt sich aufgrund der Pandemie heute noch nicht vernünftig evaluieren.
Fakt ist aber auch, dass wir einige zentrale Gründe, warum Rückführungen scheitern, als nationaler Gesetzgeber nicht effektiv regeln können. Insbesondere an die mangelnde Kooperationsbereitschaft bestimmter Herkunftsstaaten bei der Identifizierung, der Passersatzpapierbeschaffung und Rücknahme ihrer Staatsbürger gehört dazu. Mit diesem Problem steht Deutschland innerhalb der EU nicht alleine. Laut EU-Kommission verlässt im Durchschnitt nur einer von drei ausreisepflichtigen Nicht-EU-Bürgern tatsächlich die EU. Daher begrüße ich es sehr, dass die EU dem Thema Rückführungen bei ihrem neuen Reformvorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem einen ganz besonderen Stellenwert beimisst. Wir müssen das vereinte wirtschaftliche und politische Gewicht der EU nutzen, um die Herkunftsländer zu mehr Kooperation zu bewegen. Dazu müssen die EU-Staaten ihre Kompetenzen und Kontakte bündeln und den Herkunftsländern Angebote machen im Sinne eines Mehr-für-Mehr und Weniger-für-Weniger. Auch mit dem verstärkten Einsatz des Visahebels für die gesamte EU ließe sich erheblicher Druck auf die Entscheidungsträger in den Herkunftsstaaten aufbauen.
In diesem Sinne werden ich gemeinsam mit der Unionsfraktion weiterhin für ein glaubwürdiges Asylrecht eintreten, dass wirklich Schutzberechtigten verlässlich Hilfe bietet aber Gefährdern, Straftätern oder Identitätstäuschern
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindholz