Warum setzt sich die CDU nicht energisch für eine Wahlrechtsreform ein ?
Dieses übergroße Parlament kostet dem Steuerzahler jährlich Millionen von Euro.
Sehr geehrter Herr G.
vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch.
Bei der Sitzung des Koalitionsausschusses am 25. August 2020 haben sich CDU, CSU und SPD auf eine Reform des Wahlrechts geeinigt. Jedoch sind nicht alle Maßnahmen bereits bei der Wahl zum 20. Bundestag in Kraft gewesen.
Die vereinbarte Reform setzt an drei Stellschrauben an:
- Anzahl der Wahlkreise wird von derzeit 299 auf 280 reduziert,
- Überhangmandate werden künftig teilweise mit Listenmandaten in anderen Ländern verrechnet und
- bis zu drei Überhangmandate werden ausgleichslos bleiben.
Alle Maßnahmen zusammen werden dazu führen, dass ein weiteres Anwachsen der Größe des Deutschen Bundestages verhindert wird. Bei dem Wahlergebnis von 2017 wären sechzig Abgeordnete weniger, also statt 709 nur 649 Abgeordnete in den Bundestag eingezogen. Die Wahlreform wird jedoch in zwei Stufen vollzogen. Der beschlossene Kompromiss sieht vor, dass die Reduzierung der Wahlkreise erst zur Bundestagswahl 2025 erfolgt.
Durch die Verringerung der Anzahl der Wahlkreise wird auch die Anzahl der Überhangmandate reduziert. Denn weniger Überhangmandate reduzieren den Ausgleichsbedarf zugunsten anderer Parteien. Durch die von uns vorgeschlagene Reduzierung der Wahlkreise von 299 Wahlkreisen auf 280 Wahlkreise bleibt die für die demokratische Willensbildung notwendige Nähe der Wählerinnen und Wähler zu ihrem direkt gewählten Vertreter erhalten.
Darüber hinaus wird der sogenannte „erste Zuteilungsschritt“, der die Mindestsitzkontingente in den Ländern garantiert, modifiziert und damit eine teilweise Verrechnung von Überhangmandaten einer Partei mit Listenmandaten dieser Partei in anderen Ländern ermöglicht. Auch das reduziert den Ausgleichsbedarf.
Ein weiteres wirksames Mittel um den Ausgleichsbedarf zu reduzieren, sind ausgleichslose Überhangmandate.
Die drei Stellschrauben der Wahlrechtsreform ergänzen sich gegenseitig in ihrer Wirkung. Das Wahlrecht wird reformiert - ohne das bewährte System der personalisierten Verhältniswahl insgesamt zur Disposition zu stellen. Bei der letzten Bundestagswahl ist das Parlament zwar etwas gewachsen, jedoch deutlich weniger, als es vielfach vermutet wurde. Mit dem Inkrafttreten aller Maßnahmen der vereinbarten Wahlreform, besonders der Reduzierung der Wahlkreise, wird der nächste Bundestag voraussichtlich wieder kleiner. Unabhängig davon kann die neue Bundesregierung eine weitere Wahlrechtsreform anstreben.
Dabei sollte aus meiner Sicht aber beachtet werden, dass die Reduktion der Abgeordneten nicht nur zu Lasten der Wahlkreise geht. Ursprünglich sieht das Wahlrecht vor, dass sich der Bundestag je zur Hälfte aus Direktmandaten und Listenmandaten zusammensetzt. Hiervon sind wir aktuell weit entfernt, denn von den 736 Abgeordneten des Bundestags sind nur 299 in einem Wahlkreis direkt gewählt worden. Der wichtige direkte Bezug des Abgeordneten vor Ort zu den Bürgerinnen und Bürgern erfolgt jedoch über den Wahlkreis.
Sehr geehrter Herr G., ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen weiterhelfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
André Berghegger