Frage an Alois Karl von Christian M. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Karl,
in Ihrer Antwort vom 09.07.2007 erwähnen Sie, dass heimliche Online-Durchsuchungen in Nordrhein-Westfalen bereits gesetzlich erlaubt sind. Ist dies für Sie ein Grund, diese heimlichen Eingriffe in die Privatsphäre deutschlandweit einzuführen, frei nach dem Motto "Wenn die das machen, können wir das auch"? Warum führt man dann nicht gleich wieder die Todesstrafe in Deutschland ein? Immerhin gibt es diese ja auch in westlich orientierten Ländern wie den USA und Japan.
Sie behaupten, dass es "einige Personen gibt, die Online-Durchsuchungen als einen Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich der Wohnung sehen". Der Begriff "einige Personen" ist hier sicherlich nicht passend. Zahlreiche IT-Verbände (Leute, die Ahnung von der Materie "Internet" besitzen) schlagen wegen diesen geplanten Online-Durchsuchungen Alarm. Auch der vor einigen Wochen in Kraft getretene "Hacker-Paragraph" wurde ebenfalls trotz massiver Kritik vom Bundestag beschlossen. Wie stehen sie zu diesem Gesetz, welches bewirkt, dass nun IT-Sicherheitsexperten mit einem Bein im Gefängnis stehen?
Wäre es nicht langsam an der Zeit, endlich damit zu beginnen, auf Experten, die sich wirklich mit dem Thema IT und Internet auskennen, zu hören?
Viele Grüße aus Amberg
Christian
Sehr geehrter Herr Meier,
mit Ihrer Email sprechen Sie eines der schwierigsten Probleme unserer Zeit an, das sich sicher nicht für platte Polemik eignet, weshalb ich auf Ihre Email sachlich eingehen möchte.
Als Mitglied des Innenausschusses beschäftige ich mich den Maßnahmen in der Tat sehr intensiv. Wir sind in den letzten Jahrzehnten mit einer tiefgreifenden Veränderung in der Weltpolitik konfrontiert. Die „klassischen Konflikte“ von zwei oder mehreren kriegführenden Staaten nehmen Gott sei Dank eher ab, während Konflikte zunehmen, in denen sich nicht nur Staaten gegenüber stehen, sondern auch Kämpfer beteiligen, die aus dem Schutz der Unkenntlichkeit heraus gegen staatliche oder zivile Ziele agieren um ihre politischen Ziele durchzusetzen. Auf diese Herausforderung, die häufig mit dem Schlagwort asymmetrische Kriegsführung bezeichnet wird und die bei den meisten Menschen erst mit dem 11. September 2001 im Bewusstsein angekommen ist, muss sich ein wehrhafter Staat einstellen.
Für mich geht es hierbei um die Abwägung zwischen dem Recht jedes Einzelnen auf Schutz seiner Privatsphäre vor einer unangemessenen Maßnahme des Staates einerseits und dem Anspruch jedes Einzelnen auf den Schutz seiner Grundrechte durch den Staat andererseits. Entscheidend für den Staat und seine Abwehrmaßnahmen muss das Ausmaß der Bedrohung sein. Unstrittig ist nach vielen Jahren der Verharmlosung, Deutschland sei als Rückzugsgebiet von Terroristen kein Angriffsziel, dass die größte Bedrohung für die Bürger durch Terroristen mit islamistischem Hintergrund ausgeht. Dies haben nicht nur die Anschläge in den USA, sondern auch die Attentate in Großbritannien und Spanien, sowie die geplanten Anschläge in Deutschland während der letzten Fußball-WM bestätigt.
Im Kampf gegen den Terror ist die besondere Schwierigkeit, die verdeckt agierenden Personen rechtzeitig zu entdecken und bestenfalls noch vor der Verübung von Anschlägen „zu entschärfen“ bzw. durch eine rasche Aufklärung nach einem Anschlag weitere Terrorattacken durch diese Personen zu verhindern. Klar ist aus meiner Sicht, dass die asymmetrische Kriegsführung dazu führen wird die bisherige Trennung von Innerer und Äußerer Sicherheit aufzuheben und diese künftig unter dem Begriff der Nationalen Sicherheit zusammenzuführen. Aus meiner Sicht müssen alle Schutzorganisationen von der Polizei, über die diversen Nachrichtendiensten bis hin zur Bundeswehr künftig enger zusammenarbeiten, um eine möglichst hohes Schutzniveau für die Bürger zu erarbeiten. Begleitet muss dies natürlich auch durch eine vernünftige Politik nach außen und innen werden. Ich verweise in diesem Kontext auf die Bemühungen um eine verbesserte Integration von in Deutschland lebenden Ausländern bzw. Deutschen mit Migrationshintergrund.
Das Vorgehen dieser Terrornetzwerke in den letzten Jahren zeigt, dass diese Personen das Computer und das Internet verstärkt für ihre Zwecke nutzen. So sind mittlerweile rund 100.000 Seiten im Internet zu finden, auf den Anleitungen für terroristische Aktionen z.B. dem Bau von Bomben enthalten sind. Wie uns Fachleute bei zahlreichen Gesprächen fundiert dargelegt haben, können wir als Staat nur präventiv tätig werden, wenn wir die bereits bewährte Überwachung von Post- und Telefonverkehr mit einer Ergänzung um das Internet ergänzen. Schon heute ist es mit richterlicher Anordnung zulässig, dass in begründeten Verdachtsfällen Daten auf Computern oder Servern beschlagnahmt werden. Allerdings zeigt die Praxis, dass durch die Vor-Ort-Beschlagnahme meist nur noch wenige relevante Daten gesichert werden können, da auch Terrorverdächtige die Möglichkeiten der Kryptographie oder der Datenlöschung im Falle von offenkundigen Polizeiaktionen nutzen. Die Online-Durchsuchungen setzen hier an. Es soll vermieden werden, dass die Terrorverdächtigen frühzeitig gewarnt werden, Spuren und Beweismittel vernichtet werden und Terrornetzwerke nicht enttarnt werden können. Online-Durchsuchungen dienen somit vorrangig dem Schutz der Bürger vor Anschlägen.
Ich bin der Auffassung, dass ein solcher Eingriff nur im Rahmen des Rechtsstaats erfolgen darf. Unstrittig ist, dass Polizei, Nachrichtendienste und andere Exekutive Nachforschungen anstellen dürfen. Voraussetzung dafür muss aber sein, dass i.d.R. ein Anfangsverdacht durch einen Staatsanwalt festgestellt wird und derartige Grundrechtseingriffe einer richterlichen Prüfung bedürfen. Sowohl Staatsanwalt als auch Richter werden derartige Ansinnen prüfen und gründlich abwägen, wie es heute auch beispielsweise bei einem „normalen“ Durchsuchungsbefehl oder einer Telekommunikationsüberwachung geschieht.
Lassen Sie mich auch kurz zum Thema „Leute, die von der Materie Internet Ahnung haben“ eingehen. Gesetze sind aus meiner Sicht nur sinnvoll, wenn sie auch in Anwendung gebracht werden. Über die technischen Möglichkeiten für Online-Durchsuchungen habe ich als Mitglied im Innenausschuss umfassend informiert und bin dabei zur Überzeugung gelangt, dass diese Maßnahmen bei konkreten Verdachtsfällen anwendbar sein können. Zudem vermisse ich bei vielen Zuschriften von Experten realistische und konstruktive Vorschläge, wie aus ihrer Sicht der Staat alternativ auf die Nutzung moderner EDV zur Vorbereitung terroristischer Aktivitäten wirkungsvoll reagieren könnte.
Bezüglich von öfters vorgetragener Kritik an Bundesinnenminister Schäuble möchte ich darauf hinweisen, dass dieser für die Innere Sicherheit federführend verantwortlich ist. Wie auch schon sein Vorgänger, der übrigens mit Unterstützung von rot-grün zahlreiche Anti-Terrormaßnahmen initiiert hat, nimmt Wolfgang Schäuble diese Verantwortung sehr ernst und ist geradezu davon beseelt, mögliche Anschläge in Deutschland zu verhindern. Zu dieser Verantwortung gehört auch, dass er Vorschläge zur Terrorabwehr unterbreitet, die aus seiner Sicht angemessen sind. Der Deutsche Bundestag und insbesondere der Innenausschuss, sowie der Bundesrat werden diese Vorschläge gründlich prüfen, um zwischen dem Anspruch auf Schutz durch den Staat und dem Anspruch auf Schutz vor dem Staat abzuwägen. An diesem Prozess werde ich mich als Mitglied im Innenausschuss und im Menschenrechtsausschuss intensiv nach besten Wissen und Gewissen beteiligen.
Sollte ich dabei zu einem anderen Ergebnis kommen als Sie, so hoffe ich dennoch auf Ihre Unterstützung. Schließlich sollte kein Politiker von ihm als richtig erkannte Entscheidungen unterlassen, nur weil sie aktuell nicht auf breite Zustimmung stoßen. Dieses Bekenntnis zur eigenen Verantwortung gegenüber dem Bürger habe ich in meiner früheren Funktion als Neumarkter Oberbürgermeister umgesetzt und dies möchte ich auch als Ihr Bundestagsabgeordneter weiterhin so handhaben.
Mit freundlichen Grüßen
Alois Karl, MdB