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Alois Karl
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Frage von Stefan S. •

Frage an Alois Karl von Stefan S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Karl,

wer bürgt, der wird gewürgt - wie der Volksmund sagt.
Mehr und mehr teile ich die Sorgen, die diese Volksweisheit ausdrückt.
Seit über 18 Monaten haben wir jetzt die Verschuldungskrise und die Hiobsbotschaften werden immer erschreckender:
- Zuerst war’s nur Griechenland (110Mrd)
- Dann war Portugal und Irland dabei (78Mrd/85Mrd)
- Jetzt wackelt Italien und Spanien (Zinsen von über 7%)
- Und selbst Frankreich, ein Kernland, droht in den Strudel zu geraten
Den schlechten Nachrichten entgegengehalten wurden viele Mrd – ohne wirklich sichtbaren, nachhaltigen Erfolg. Begleitet hat diese Maßnahmen ein Konzert aus Versprechungen, die alle nicht eingehalten wurden. Am 27.10.10 erklärte die Bundeskanzlerin:

„Er läuft 2013 aus. Das haben wir auch genau so gewollt und beschlossen. Eine einfache Verlängerung kann und wird es mit D. nicht geben, weil der Rettungsschirm nicht als langfristiges Instrument taugt, weil er Märkten und Mitgliedstaaten falsche Signale sendet und weil er eine gefährliche Erwartungshaltung fördert...“

Und jetzt soll ein immerwährender Rettungsschirm ESM beschlossen werden, der uns auf viele Jahre ‚würgt‘ – es wird die faktisch schon vorhandene Transferunion institutionalisiert und für die Ewigkeit festgeschrieben - Deutschland zahlt (Deutschland hat in diesen Fond eine Bareinlage von 22 Mrd Euro zu leisten – woher kommt das?)
Es drängen sich für mich folgende Fragen auf:

- Wie soll es möglich sein, dass Länder wie Italien und Spanien ihre Konkurrenzfähigkeit jemals wieder erlangen, ohne dass sie die Währungen abwerten können?
- Was ist, wenn wirklich der Fall eintritt, dass die Bürgschaften von 211 Mrd (oder ein Teil davon) wirksam werden. Was heißt das konkret für uns Bürger?
- Was macht es für einen Sinn, den EURO zu retten, wenn die EZB (entgegen allen Verträgen) weiter im großen Stil ‚Schrott‘-Staatsanleihen kauft (bis jetzt 197 Mrd) und die Stabilität des EUROS mit Hochdruck ruiniert?

Für Ihre Antwort besten Dank

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Siegert,

vielen Dank für Ihr Frage über abgeordentenwatch.de vom 28. November, in dem Sie Bezug auf den Rettungsschirm ESM bzw. zum EFSF nehmen.

Ich darf Ihnen zunächst, lieber Herr Siegert, versichern, dass ich stets „das Wohl des deutschen Volkes im Auge habe“ und in der Vergangenheit immer alles getan habe und auch in der Zukunft tun werde, um Schaden abzuwenden.

In der augenblicklich schwierigen Situation geht es aber um einen nicht einfachen Abwägungsprozess.

Grundsätzlich setzen wir auf einen mehrstufigen Lösungsansatz.

Auf der einen Seite müssen wir uns sehr stark bemühen, um unsere gemeinsame Währung in Europa, den Euro kurzfristig zu stabilisieren. Der Euro ist auch die deutsche Währung - das Dilemma ist, dass unsere Währung, der Euro, in vielen anderen Ländern auch mit destabilisiert werden kann.

Manche Länder in Europa haben sich in den letzten Jahren außerordentlich unsolide benommen oder wurden von der Finanzmarktkrise besonders stark betroffen!

Um Griechenland nicht in einen unkontrollierbaren Staatsbankrott innerhalb unseres Währungssystems stürzen zu lassen, wurde am 25.03.2010 zunächst ein Sonderbürgschaftsprogramm aufgelegt.

Danach wurde am 10. Mai 2010 als Provisorium ein Europäischer Stabilitätsmechanismus der sog. Euro-Rettungsschirm geschaffen, um Irland, Portugal und Griechenland [oder auch anderen von der Staatspleite bedrohten Eurolandes] bis zur Schaffung eines Dauerinstruments im Bedarfsfall gegen klare Auflagen und in Kooperation mit dem IWF kurzfristig helfen zu können.

Mit dem ESM wurde dieses Dauerinstrument geschaffen, das im Krisenfall von Staatsbankrott bedrohten Ländern zur Seite stehen könnte. Dieses setzt sich aus Ausfallbürgschaften und einer Bareinlage zusammen und soll spätestens zum 1.1.2013 in Kraft treten können. Die von Ihnen angesprochen 22 Milliarden sind deutsche Bareinlage an einer ESM-Gesamtbareinlage von 80 Milliarden €.

Zu den kurzfristigen Maßnahmen gehören auch die Interventionen der EZB auf den Kapitalmärkten, die aus meiner Sicht aber nur kurzfristig als „kleineres Übel“ zu rechtfertigen sind.

Auf der anderen Seite versuchen wir, dass mittel- und langfristig die Ursache der aktuellen Krise, die Staatsverschuldung über das Modell der Schuldenbremse in allen Ländern der EU bzw. der Euro-Zone konsequent zurückgefahren wird. Daher wollen wir ein Modell der effektiven Anreize bzw. Sanktionierung durchsetzen. Es kann nicht angehen, dass die von Theo Waigel bewusst für die Euro-Zone durchgesetzten Stabilitätskriterien 68 mal gebrochen wurden, ohne das für das betreffende Land tatsächliche Sanktionen verhängt wurden. (Übrigens sollten wir uns auch in Deutschland bewusst machen, dass unter rot-grün dieser Stabilitätspakt aufgeweicht wurde.) Deshalb ist die aktuelle Krise auch die Chance, langfristig wirksame Leitplanken für eine dauerhaft nachhaltige Finanzpolitik in den Euro-Ländern durchzusetzen.

Auch wenn es sehr lange - aus meiner Sicht zu lange - gedauert hat, so zeichnet sich ab, dass immer mehr EU-Staaten die Notwendigkeit einer nachhaltigen Haushaltspolitik erkennen und konkret versuchen, Einnahmen und Ausgaben wieder in Ausgleich zu bringen.

Bei den Ländern unter dem Euro-Rettungsschirm ist Irland auf einem sehr guten Weg, mit unserer Hilfe wieder aus der Krise herauszukommen.

Auch Portugal ist auf einen steinigen, aber erfolgversprechenden Weg.

In Griechenland ist endlich erkennbar, dass sowohl die PASOK als auch die ND einen Konsolidierungskurs gemeinsam tragen werden.

Spanien, Italien und Frankreich machen Ernst, wenn es um konkrete Maßnahmen zur Eindämmung der Staatsverschuldung geht. Gleiches gilt für viele weitere Euro-Staaten. Auch wir in Deutschland haben trotz um 4,5 % zunehmender Steuereinnahmen in 2012 darauf verzichtet, die Ausgaben des Bundes merklich zu erhöhen und haben so die maximal zulässige Verschuldung von 48 Mrd. Euro in 2011 auf 26 Mrd. Euro in 2012 beinahe halbiert.

Ein weiterer mittel- und langfristiger Ansatz ist die nachhaltige Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften im Euroraum. In Deutschland haben wir vor der Wirtschaftkrise mit dem Dreiklang „konsolidieren, sanieren, investieren“ die Grundlage dafür geschaffen, dass uns die Weltwirtschaftskrise nicht so hart wie unsere EU-Partner getroffen hat. Deshalb ist es richtig, einerseits zu sparen, aber auch gezielt zu investieren, bestehende Verkrustungen aufzubrechen und staatlich günstigere Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln zu schaffen. Beispiele sind hier Rechtssicherheit statt Korruption, ein leistungsfähige Finanzverwaltung die bestehende Steuerschulden auch eintreibt, Klarheit hinsichtlich Eigentumsfragen bei Grundstücken, Abbau unnötiger Bürokratie, Abbau von Privilegien und vieles mehr.

Dieser Prozess wird schmerzlich sein und muss in jedem Land in unterschiedlicher Weise, aber konsequent vollzogen werden. Nur dann wird es auf Dauer möglich sein, dass wir einen funktionierenden Wirtschafts- und Währungsraum in der EU haben, der insgesamt zu mehr Wohlstand für die Bürger führt.

Was wir vermeiden wollen, ist, dass tatsächlich ein ungeordneter Staatsbankrott in der Eurozone auftritt. Niemand kann Ihnen heute sagen, was genau die Folgen sein würden. Aber fast allen Fachleuten ist bewusst, dass sie deutlich schlimmer sein würden, als die Folgen der Lehmanpleite, die die Weltwirtschaft in die schlimmste Krise der letzten 70 Jahre gestürzt hat. Dabei würden die dann von Deutschland zu machenden Schuldenübernahmen aus den Bürgschaften das „kleinere“ Problem sein. In Deutschland würde die Wirtschaft dramatisch einbrechen, Millionen Menschen würden arbeitslos, die Steuereinnahmen einbrechen, die Sozialsysteme belastet, Steuererhöhungen notwendig und auch ein ausgeglichener Haushalt in Deutschland würde in weite Ferne rücken. Deshalb gilt es einen solchen Staatsbankrott zu vermeiden.

Am Beispiel eines undichten Daches bei einem Haus mit mehreren Eigentumswohnungen herunter zu brechen, geht es um folgende Abwägung:

Stellen Sie sich vor, dass Sie eine selbst genutzte Eigentumswohnung in einem Mehrparteienhaus besitzen. Das Dach ist undicht und muss dringend repariert werden. Einer oder mehrere Besitzer von Eigentumswohnungen im gleichen Haus haben aber das dafür notwendige Geld nicht um ihren Anteil zu tragen und bekommen nur einen Kredit, wenn Sie für einen vorher festgelegten Höchstbetrag bürgen. Falls Sie die Bürgschaft verweigern, das Dach deshalb nicht repariert wird und es in das Haus hereinregnet, wird auch Ihr Eigentum beschädigt. Es droht, dass Ihre Wohnung unbenutzbar wird und Sie keine neue Wohnung finden. Was würden Sie tun, wenn Sie sich zwischen folgenden 4 Alternativen entscheiden müssten?

Alternative 1
Würden Sie Ihren Nachbarn einfach Verfügungsmacht über Ihre Bankguthaben geben und im jeden Mal Geld geben, wenn er Sie darum bittet in der Hoffnung, dass er seinen Beitrag dann zur Dachreparatur leisten wird? Falls Sie dafür plädieren, spricht dies für Eurobonds und eine Transferunion.

Alternative 2
Oder würden Sie mit der Bankbürgschaft festlegen, dass das Darlehen für die Dachreparatur verwandt wird. Gleichzeitig stellen Sie mit dem Darlehensnehmer einen verbindlichen Plan auf, wie er künftig wirtschaften kann, um idealer Weise selbst das Darlehen abzuzahlen, ohne das Sie tatsächlich zahlen müssen, und legen Sanktionen fest, falls er von der Vereinbarung abweicht? Falls Sie dafür plädieren, dann ist dies der aktuell von der Bundesregierung verfolgte Ansatz.

Alternative 3
Würden Sie zu Ihrem Mitbewohner sagen, dass er als nicht zahlungsfähiger Eigentumsbesitzer kurzfristig verkaufen muss? Sie können ihn aber nicht wirklich zwingen, da es hierfür keine eindeutige Rechtsgrundlage gibt. Falls Sie dafür plädieren, dann spricht dies für einen Ausschluss von Griechenland aus der Eurozone, obwohl es hierfür keine rechtliche Grundlage gibt.

Alternative 4
Würden Sie schimpfen, nichts weiter unternehmen und auch selbst nichts zur Dachreparatur beitragen, weil der andere schließlich auch nicht zahlen kann? Falls Sie dafür plädieren, dann spricht dies dafür weder Griechenland oder einem anderen Land zu helfen, sondern zu hoffen, dass der durch die unterlassene Hilfeleistung verursachte Schaden für Deutschland so gering wie möglich sein wird.

Ich persönlich neige zur Alternative 3. Allerdings ist die Rettung des Euros weit komplexer als ein undichtes Hausdach. Gehen Sie deshalb davon aus, dass ich bei meiner Entscheidung zur Euro-Rettung versuche, mich in diesen sehr schwierigen Abwägungsprozessen auf eigenes Sachwissen und auf eigene Erkenntnisse zu stützen, einen „Fraktionszwang“ oder dgl. wird es bei mir nicht geben.

Mit besten freundlichen Grüßen
Ihr

Alois K a r l, MdB