Frage an Alois Karl von Elke S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Karl,
z. Zt. wird als neuestes Heilmittel gegen die europäische Schuldenkrise die Installierung des ESMs vorbereitet. Der wissenschaftliche Beirat des Finanzministers, der Bundesrechnungshof und der Bund der Steuerzahler warnen vor den Risiken dieses sogenannten Rettungsschirms.
Dennoch möchte sich die bundesdeutsche Regierung für die Einlage von ca. 22 Milliarden Euro weiter neu verschulden.
Deutschland ist bereits mit 1,9 Mrd. Euro verschuldet und wie Sie sicherlich wissen, ab einer gewissen Schuldenmasse gibt es no point of return.
Gibt es für Sie Obergrenzen für Haftungen und finanzielle Hilfen für die überschuldeten Staaten?
Ist der ESM erst installiert, besteht Nachschußpflicht ohne Kontrolle des Bundestags wie Herr Regling sagte:
„Dass Garantien zu Zahlungsverpflichtungen führen, wenn der Garantiefall eintritt, liegt in der Natur der Sache. Das ist bei jeder Bürgschaft so. Wenn der deutsche Staat für Exporte garantiert und ein Schadensfall eintritt, ist dies nicht anders. Da gibt es auch keine Beschlüsse von Regierung oder Parlament mehr. Eventuelle Garantieausfälle bei der EFSF oder dem ESM werden ebenso gehandhabt. Da kann man auch nicht noch einmal eine Bremse einbauen. Insofern läuft die Kritik ins Leere, das Budgetrecht des Parlaments werde ausgehebelt. Wenn ein Länderprogramm beschlossen wird, ist Einstimmigkeit der Euro-Gruppe erforderlich. Wer meint, die Risiken in einem konkreten Fall nicht übernehmen zu können, muss zu diesem Zeitpunkt mit nein stimmen“. ( FAZ 16.4.2011)
Auf gut deutsch: Wer einmal zustimmt, muß immer zahlen.
Ein gewichtiger unberechenbarer Faktor im Bundeshaushalt hält damit Einzug, auf den Sie dann keinen Einfluß haben werden.
Werden Sie trotzdem dem ESM zustimmen?
Ich danke für Ihre Bemühungen mit freundlichen Grüßen
Elke Seyrer
Sehr geehrte Frau Seyrer,
herzlichen Dank für Ihre Email vom 21. April 2011.
Grundsätzlich sehe ich mich in der Verantwortung, die tatsächlichen Belastungen für Deutschland, seine Bürger und Unternehmen durch die Euro-Krise möglichst gering zu halten.
Einen fixen „point of no return“ für Deutschland bei der eigenen Staatsverschuldung gibt es aus meiner Sicht nicht. Dennoch ist es wichtig und richtig, dass wir die relative Staatsverschuldung in Deutschland senken und den bereits 2005 eingeschlagenen Konsolidierungspfad wieder fortsetzen. Deshalb habe ich mit Nachdruck die Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz unterstützt. Langfristig sollte es sogar unser Ziel sein Haushaltsüberschüsse zu erzielen und damit wieder mehr Handlungsspielraum für gezielte Investitionen zurück zu erhalten und zugleich nachhaltig für mehr Generationengerechtigkeit zu sorgen.
Eine fixe Obergrenze für Haftungen und finanzielle Hilfen zu Gunsten anderer Staaten zu nennen ist aus meiner Sicht ebenfalls nicht sinnvoll, da niemand wissen kann, unter welchen Voraussetzungen eine Hilfe in welcher Höhe im deutschen Interesse sein kann.
Klar ist, es wurde in der Vergangenheit im Euro-Raum zu wenig auf die tatsächliche Einhaltung der Stabilitätskriterien geachtet und Verstöße nicht bzw. zu wenig konsequent geahndet und abgestellt wurden.
Klar ist, dass die Weltwirtschaftskrise dazu geführt hat, dass die früheren Versäumnisse zu einer Vertrauenskrise gegenüber einem Teil der Euro-Staaten geführt haben.
Ein Scheitern des Euros-Systems würde auch Deutschland massiv treffen, so dass ich daraus den Schluss ziehe, dass unsererseits die Solidarität für finanzschwache Staaten durchaus geübt werden muss.
Dies darf aber nicht dazu führen, dass die im Kern gesunden Finanzen der anderen Staaten, die jetzt zur Solidarität aufgerufen werden, in Schlagseite geraten.
Für solche Fälle, wo ein Staat nur dauerhaft durch Finanzspritzen anderer Länder gehalten werden kann, für den Fall, dass ein Staat ohne Finanzhilfen anderer Länder im Euro-Raum nicht überleben kann, für solch einen Fall muss es auch die Möglichkeit einer geordneten Staatsinsolvenz geben.
Hinsichtlich der von Ihnen angesprochenen Auswirkungen eines Garantiefalls beim ESM kann ich Ihnen mitteilen, dass ich mir dieser Problematik sehr bewusst bin. Sollte tatsächlich ein Euro-Staat zahlungsunfähig werden, so wird es große Verwerfungen geben. Beim ESM könnte es gemäß dem Vertragsentwurf zu einer Aufzehrung des bis zu diesem Zeitpunkt in den ESM eingebrachten Kapitals bzw. der erwirtschafteten Erträge kommen, der dann eine Nachschusspflicht der solventen Euro-Länder auslösen würde.
Ein solcher Fall ist aus meiner Sicht grundsätzlich zu vermeiden, weshalb die konsequente Konsolidierung des entsprechenden Staatshaushalts Priorität haben muss. Dazu gehören große eigene Anstrengungen des betreffenden Landes zur eigenen nachhaltigen Haushaltskonsolidierung, die nachvollziehbar umgesetzt werden müssen um verloren gegangenes Vertrauen auf den Märkten zurückzugewinnen. Leistungen des ESM dürfen hier nur zur Überbrückung und nicht zu Daueralimentierung gewährt werden.
Zudem sind sie mit klaren Vorgaben zu verknüpfen, deren Einhaltung zu prüfen ist und bei fehlender Einhaltung konsequent zu sanktionieren ist. Letztendlich muss es das Interesse aller Euro-Staaten sein, mit einer soliden Haushaltspolitik für eine stabile Gemeinschaftswährung zu sorgen, von der alle Bürger und Unternehmen im Euro-Raum profitieren.
Meine Zustimmung zum ESM werde ich davon abhängig machen, ob ich bei einer gründlichen Abwägung von pro und contra den dann zur Abstimmung anstehenden Vertrag aus deutscher Sicht für verantwortbar halte. Gleiches gilt für eventuell spätere Abstimmungen, falls Staaten ESM-Hilfen beantragen würden.
Mit besten freundlichen Grüßen
Alois Karl, MdB