Frage an Alois Karl von Helmut P. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Karl,
vielleicht bekomme ich ja auf diese Frage eine Antwort. Was machen unsere armen Soldaten in Afghanistan? Warum sind wir immer noch da Hat nicht schon die Geschichte bewiesen,dass wir da überhaupt nichts verloren haben?
Sehr geehrter Herr Pullmann,
sicherlich wäre es einfach, Ihnen zuzustimmen. Auch ich würde mir wünschen, wir müssten keine deutsche Soldaten, Polizisten und zivilen Aufbauhelfer nach Afghanistan entsenden, dort würden die Menschen in Frieden und Freiheit wie bei uns leben können und von dort ginge keine erkennbare Gefahr für die weltweite Sicherheit aus. Leider haben die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt, dass dies nicht der Fall ist.
Ich darf Ihnen deshalb kurz in Erinnerung rufen: Der ISAF-Einsatz wurde vom UNO-Sicherheitsrat am 20. Dezember 2001 einstimmig als Reaktion auf die Anschläge des 11. September beschlossen; zwei Tage später beschloss der Deutsche Bundestag mit breiter Mehrheit (538:35:8) das Mandat zur deutschen Beteiligung an ISAF. Bereits im November 2001 fand die erste Afghanistan-Wiederaufbau-Konferenz auf dem Bonner Petersberg statt.
· Die Sicherheit und Stabilität Afghanistans wirken sich unmittelbar auf uns aus: Afghanistan darf nicht wieder zu einem gescheiterten Staat werden, von dem aus Terroristen gegen uns agieren können. Das Beispiel Somalia zeigt, wie schwierig wir uns gegen Bedrohungen aus einen gescheiterten Staat zur Wehr setzen können.
· Der ISAF-Einsatz ist die Reaktion auf die Anschläge des 11. September: Die Al-Qaida-Terroristen konnten diese durchführen, weil sie durch die radikal-islamische Gewaltherrschaft der Taliban in Afghanistan geschützt und gefördert wurden.
· Taliban und Al-Qaida sind in Afghanistan weiter aktiv, vor allem im Süden und in der Grenzregion zu Pakistan. Sie planen weitere Anschläge gegen den Westen.
· Der ISAF-Einsatz dient unserem Schutz. Der Prozess gegen die sogenannte „Sauerland“-Gruppe zeigt: Es gibt direkte Verbindungen zwischen Al-Qaida/Taliban und Terroristen in Deutschland (z.B. den Sauerland-Bombern) und damit eine unmittelbare Gefahr für unsere Sicherheit.
· Die Terroristen von Al-Qaida und Taliban sind nicht irregeleitete Idealisten, die durch Dialog von ihrem Weg abgebracht werden könnten. Sie sind entschlossene Fanatiker, die wieder ihre Gewaltherrschaft errichten wollen.
· Ein einseitiger Rückzug der Bundeswehr, wie er manchmal gefordert wird, würde nur den Terroristen in die Hände spielen. Er würde die Gefahr für Deutschland nicht verringern, sondern im Gegenteil: Die Terroristen würden sich dadurch nur ermutigt fühlen, Anschläge gegen unser Land durchzuführen.
· Ein einseitiger Rückzug würde auch den ISAF-Einsatz untergraben. Damit würden wir unsere NATO-Partner, die mit ihrem Einsatz auch zu unserer Sicherheit beitragen, im Stich lassen.
· Nur wenn Afghanistan stabiler wird und die Menschen dort vom Wiederaufbau des Landes profitieren können, wird die afghanische Regierung sich gegen die Terroristen durchsetzen können. Der Bundeswehreinsatz und die Wiederaufbauhilfe dienen deshalb auch unseren Sicherheitsinteressen.
In meinem regionalen Zuständigkeitsbereich im Menschenrechtsausschuss des Bundestages fällt auch Afghanistan. Deshalb weiß ich aus vielen Hintergrundgesprächen und -informationen, dass es noch ein steiniger Weg bis zu unserem Ziel in Afghanistan werden wird. Aber bislang konnte mir niemand eine wirklich realistische Alternative zu einem dualen Ansatz aufzeigen, der Sicherheit in Afghanistan und die Hilfe zur Selbsthilfe für den schrittweisen Wiederaufbau des Landes beinhaltet. Ich setze darauf, dass die jüngsten Wahlen in Afghanistan ein weiterer Schritt dahin sind, dass die Afghanen wieder ein Stück mehr Verantwortung für sich und ihre Entwicklung übernehmen können. Unser Ziel muss es sein, dass in Afghanistan bald flächendeckend staatliche Strukturen Raum greifen, die die Präsenz deutscher Truppen und Polizeikräfte überflüssig machen. Sobald es ratsam und verantwortbar erscheint, die Bundeswehr und deutsche Polizeikräfte aus Afghanistan abzuziehen, werde ich mich dafür einsetzen.
Mit besten freundlichen Grüßen
Alois Karl, MdB