Frage an Alois Gerig von Alex K. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Gerig,
in mehreren offenen Briefen, zuletzt vom Imkerverband an Frau Klöckner gesandten offenen Brief, siehe Link unten, wird von sehr großen Gefahren für Lebewesen durch den Einsatz von Giftstoffen im Landbau geschrieben.
Offenbar liegen schon sehr lange erhebliche Gefahren von diesen Anwendungen offen, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit erteilt trotzdem immer wieder Zulassungen von Giften, oder Notzulassungen von Giften um den EU Verboten zu umgehen.
Warum erfolgt keine Abkehr von diesen Stoffen? Die Industrie ruft und die Ämter der Regierung geben die Gifte zur Anwednung frei! Warum?
Die Gefahren für Lebewesen und uns Verbrauchern sind doch eindeutig dokumentiert!
Warum stemmen Sie sich als Vorsitzender des Ausschusses Ernährung nicht gegen diese Gifte die bei uns Verbrauchern landen und das Leben auf Äckern nachhaltig töten?
Vielen Dank für Ihre Einschätzung wie in Zukunft doch endlich was für den nachhaltigen Landbau gemacht werden soll.
mit freundlichen Grüßen
Offener Brief vom 15.01.2021
https://www.aurelia-stiftung.de/wp-content/uploads/2021/01/Offener-Brief_Schutz-f%C3%BCr-Bienen-und-Imkereiprodukte-vor-Pestizidbelastung_15.01.2021.pdf
Offener Brief vom 09.12.2020
https://berufsimker.de/wp-content/uploads/2020/12/Offener-Brief-an-Frau-Bundesministerin-Kloeckner.pdf
Sehr geehrter Herr Kretzschmar,
haben Sie vielen Dank für Ihre leidenschaftliche Nachricht.
Leider ist die ganze Sache, wie so häufig, ziemlich komplex.
Wenn wir hier in Deutschland komplett auf chemischen Pflanzenschutz und Düngemittel verzichten, wird die Biodiversität - innerhalb unserer Landesgrenzen - ohne Zweifel davon profitieren. Umwelt- und Klimaschutz enden aber nicht an einer politischen Grenze, da dies globale Herausforderungen sind. Durch den Verzicht auf diese von Ihnen angesprochenen Mittel würden die deutschen Bauern und Bäuerinnen aber auch sehr deutlich geringere Erträge erzielen. Wenn hier das Nachfrageverhalten von uns VerbraucherInnen und die Verschwendung von Lebensmitteln aber unverändert bleibt, muss diese entstehende Lücke mit importierten Waren gefüllt werden.
(Die europäischen Umwelt- und Sozialstandards der landwirtschaftlichen Produktion zählen übrigens mit zu den höchsten in der Welt, und Deutschland geht häufig noch einen ambitionierten Schritt weiter. Das ist sehr gut und wichtig!)
Das würde dazu führen, dass wir noch mehr Produkte aus Ländern und Regionen importieren müssen, wo wir keinen oder nur wenig Einfluss auf die Standards und Umstände der Produktion haben.
Somit würden wir hier bei uns ggf. mit einer sauberen „grünen“ Weste stehen, aber die Umweltprobleme einfach „exportieren“.
Wir tragen eine globale Verantwortung für weltweite Nachhaltigkeit und für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung - deshalb dürfen wir es uns nicht erlauben voreilige, von Ideologie geprägte, Schlüsse zu ziehen.
Aber verstehen Sie mich nicht falsch - auf dieser Erkenntnis dürfen wir uns nicht ausruhen.
Mein Anspruch ist es unsere guten, heimischen Produkte noch besser zu machen!
Allen ist klar, unsere Landwirtschaft kann uns muss ökologischer werden. Wir arbeiten täglich daran die Ausbringungstechnik der Pflanzenschutz- und Düngemittel effizienter zu gestalten um die Umwelteinwirkungen so gering wie möglich zu halten. "Weniger ist mehr" gilt hier sowohl für die schutzbedürftigen Insekten, als auch für die ökonomisch denkenden LandwirtInnen. Gerade dazu haben wir das „Investitions- und Zukunftsprogramm Landwirtschaft“ gestartet, was Betrieben dabei hilft auf moderne umweltschonendste Technik zuzugreifen. (BMEL - Klimaschutz - Bauern für Klimaschutz: Neues Investitionsprogramm Landwirtschaft gestartet)
Im mechanischen Pflanzenschutz, also einem Vorgehen, was ohne jedes „Gift“ auskommt, werden enorme Fortschritte erzielt.
Ein weiterer wichtiger Weg ist es, vermehrt nach Alternativen zu suchen. Hier wird intensiv nach biologischen (Mikroorganismen) und semibiologischen (RNA Interferenz) Mittel geforscht, welche die herkömmlichen Mittel ersetzen sollen. Auch die Zucht von schädlings- und krankheitsresistenteren Pflanzen wird seitens unseres Bundeslandwirtschaftsministeriums gefördert. Des Weiteren laufen Projekte zur Verbesserung der "Diagnostik" und Vorhersagbarkeit von z.B. Schädlingsbefalls, damit andere noch verfügbare Insektizide effektiver Verwendung finden könnten und damit so ein geringerer Einsatz möglich wird. Eine Lebensmittelproduktion ganz ohne Pflanzenschutzmittel kann zu dramatischen Ernteausfällen führen, wie wir am Beispiel der Heuschreckenplage in Afrika erkennen müssen. Durch den Klimawandel nehmen leider sowohl Wetterextreme mit Ernteausfällen, als auch der Hunger deutlich zu.
Auf der anderen Seite versuchen wir Ertragssteigerungen beim biologischen Landbau zu erzielen um hier die Lücke zwischen konventionell und bio schließen zu können.
Ich bin überzeugt, dass die beiden Produktionsrichtungen sich längerfristig an einander annähern werden, und es viele Grautöne zwischen Schwarz und Weiß gibt.
Ich hoffe Ihnen deutlich gemacht zu haben, dass es sehr viele Hebel und Rädchen sind, die parallel gedreht werden müssen. Einfach einen Schalter umlegen, wird nicht den erhofften Effekt bringen.
Es ist ein komplexes Zusammenspiel von Forschung, Ordnungsrecht, technischem Fortschritt, Ernährungsbildung, internationalen Handelsabkommen und bewussten Verbraucher und Verbraucherinnen.
Mit den besten Grüßen
Alois Gerig