Frage an Alois Gerig von Reinhard W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Gerig,
vielen Dank für Ihre heutige Auskunft (vom 20.09.13). Ich verstehe, dass Wettbewerb - wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen Sorge dafür tragen, dass er nicht unverhältnismäßig zu Lasten von Mensch und Natur geht - ein wirksames Instrument ist, gute Leistungen mit moderatem Aufwand bzw. Kosten zu erhalten. Die Frage ist nur, ob dieser Wettbewerb fair ist, in dem sich private Versicherungen ihre Versicherten auswählen und damit gute Risiken auswählen und schlechte ablehenen können und die gesetzliche Versicherung den "Rest" bekommt. Meine Frage war auch eine andere und darauf finde ich in Ihrem Text leider keine Antwort: Warum haben die einen Versicherten die wirklich freie Wahl und die anderen nicht? Und wenn Sie gegen eine Einheitsversicherung argumentieren. Ist nach Ihrem Verständnis die heutige gesetzliche Krankenversicherung eine Einheitsversicherung oder nicht?
mit freundlichen Grüßen
Reinhard Wenig
Sehr geehrter Herr Wenig,
vielen Dank für Ihr erneutes Schreiben. Die Krankenkassen stehen auch innerhalb der GKV im Wettbewerb und bieten unterschiedliche Leistungen an, also warum sollte die GKV eine Einheitsversicherung sein? Mit dem Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz), das im November 2010 vom Bundestag verabschiedet wurde und am 1. Januar 2011 in Kraft trat, hat die christlich-liberale Bundesregierung wieder mehr notwendigen Wettbewerb eingeführt.
Wie gesagt: Eine staatliche Einheitsversicherung bzw. „Bürgerversicherung“ für alle lehnen wir von CDU/CSU entschieden ab. Und wenn immer wieder von einer Zwei-Klassen-Medizin die Rede ist muss man klarstellen, dass bei weitem nicht alle PKV-Verträge überhaupt die gleichen und bei weitem nicht bessere Leistungen anbieten als die GKV.
Was immer wieder beschrieben wird, sind die unterschiedlichen Wartezeiten bei Ärzten. Hier haben wir im Versorgungsstrukturgesetz geregelt, dass der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen auch beinhaltet, Versicherten in einem angemessenen Zeitraum fachärztliche Versorgung zukommen zu lassen. Damit ist in den Gesamtverträgen auf Landesebene ist zu regeln, welche Zeiten im Regelfall und im Ausnahmefall noch eine zeitnahe fachärztliche Versorgung darstellen.
Unter dem schönen Namen „Bürgerversicherung“ hingegen versteckt sich eine Zwangsmitgliedschaft, die staatliche Bevormundung und Bürokratie erhöht, die Selbstbestimmung jedoch vermindert. Die Bürgerversicherung verspricht zwar Wahlfreiheit, jedoch sieht sie auch vor, die PKV und den Wettbewerb der Systeme stillschweigend auszuhöhlen.
Der Ausgangspunkt der Überlegungen um die Zukunft der Privaten Krankenversicherung muss die Verfassung und Verfasstheit der PKV selbst sein. Denn mit der gesetzlich verankerten Pflicht zur Versicherung in zwei unterschiedlichen Systemen muss jeder Versicherte auch die Chance erhalten, in seinem System einen angemessenen Versicherungsschutz zu einem bezahlbaren Preis zu erhalten.
Es gilt daher in einem ersten Schritt, die Probleme innerhalb des Systems im Sinne einer „reformierten Dualität“ zu lösen. Im Übrigen ist festzuhalten, dass sich die Modelle zur Bürgerversicherung von SPD, Grünen und Linken teilweise fundamental unterscheiden. Eines haben sie allerdings gemeinsam: Die Debatte zur Zukunft wird neidgetrieben geführt, es wird suggeriert, nur die „Reichen, Schönen und Gesunden“ wären in der PKV, hätten sich „entsolidarisiert“ und man müsste nur beide Systeme zusammenführen, dann wären die Probleme der GKV praktisch alle gelöst. Dass da schon die Annahmen nicht stimmen, ist mit Blick auf vorher Genanntes schnell offensichtlich. Auch gibt es unter den PKV-Versicherten viele kleine Selbständige oder Beamte.
In allererster Linie müssen die Probleme innerhalb des PKV-Systems gelöst werden. Grundsätzlich ist die private Krankenversicherung und die ihr zugrunde liegende Idee der Bildung von individuellen Kapitalrücklagen, um die steigenden Kosten im Alter abzudämpfen, in unserem freiheitlichen Gesundheitssystem ein wichtiges Element der Nachhaltigkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Alois Gerig