Frage an Alois Gerig von Marvin S. bezüglich Soziale Sicherung
Hallo Herr Gerig,
wie stehen Sie zu dem Thema "Religion & Staat"? Sind Sie der Meinung dass ein Rechtsstaat sich aus jedlicher Art der Religion raushalten sollte oder das die Religion die Politische Entwicklung bereichern könnte?
Einige Parteien fordern die Trennung von Staat und Kirche, würden Sie sich dafür einsetzen?
Ich freue mich auf Ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen,
Marvin Schäfer
Sehr geehrter Herr Schäfer,
vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.
Grundsätzlich gilt nach unserer Verfassung, dass Staat und Kirche getrennt sind. Dennoch ist aus gutem Grund verfassungsrechtlich die Kooperation in einigen Feldern, so beispielsweise der Anstaltsseelsorge oder bezüglich des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen zugelassen.
Eine solche Zusammenarbeit verstößt also nicht gegen das Verbot einer Staatskirche und auch nicht gegen die staatliche Neutralität, zu der es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes beispielhaft heißt: „Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist […] als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung.“ (BVerfGE 108, 282 (300).
Auch möchte ich Sie gerne auf grundsätzliche Überlegungen bei den finanziellen Regelungen aufmerksam machen: Für unseren Sozialstaat halten wir am Prinzip der Subsidiarität fest. Freie Träger übernehmen gesellschaftliche und staatliche Aufgaben wahr. Dies gilt auch im Bereich der Bildung. Die freien Träger sichern ein plurales Angebot, das den Bürgern ermöglicht, ihr Wahl- und Wunschrecht auszuüben. Die Kirchen sind ein Anbieter, die zahlreiche dieser Aufgaben aus ihrem Auftrag leisten. Für die Erfüllung dieser Aufgaben erhalten die Kirche staatliche Kostenerstattung – wie im Übrigen auch andere Religionsgemeinschaften und auch Weltanschauungsgemeinschaften, wie beispielsweise Humanistische Verbände im Land Berlin.
So ist bei den finanziellen Regelungen zwischen verschiedenen Ebenen zu unterscheiden; einerseits erhalten die beiden großen christlichen Kirchen so genannte „Staatsleistungen“ im Sinne von Art 140 GG i.V.m. Art. 138 WRV, die ihnen auf Grund von Ansprüchen eingeräumt wurden, die Entschädigung für die massiven Enteignungen vor allem im Zuge der Säkularisierung sind.
Der Staat hat sich nach den Enteignungen des Grundbesitzes verpflichtet, den Kirchen das „Notwendige“ zu ihrem Erhalt zu geben. Unter diese Staatsleistungen im eigentlichen Sinne fallen ausschließlich solche wiederkehrende Zahlungen, die auf früheren Gesetzen oder Verträgen zur Entschädigung beruhen.
Darüber hinaus erhalten die Kirchen Zuschüsse für Leistungen, die sie im oben angeführten Sinne für die Gesamtgesellschaft erbringen. Von diesem unerlässlichen Engagement, das die Kirchen beispielsweise mit ihren Bildungseinrichtungen, Kindertagesstätten, Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen für Seniorinnen und Senioren leisten, profitieren alle Bürgerinnen und Bürger und nicht nur die Angehörigen der Kirchen.
Die Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften sind ein wesentlicher Faktor in unserem Gemeinwesen. Sie tragen erheblich zum Wertebewusstsein bei und leisten zahlreiche wichtige Beiträge zur kulturellen, pädagogischen und auch sozialen Infrastruktur unseres Landes. Die CDU/CSU hält die bewährten Regelungen des Verhältnisses von Staat und Kirche auch auf der finanziellen Ebene für richtig und angemessen.
Zur Frage, ob Religion die politische Entwicklung bereichern würde: Politisches Handeln braucht einen Kompass, der über Sachzwänge und politische Sachfragen hinaus Leitplanken gibt. Für CDU und CSU geben das christliche Menschenbild und die daraus erwachsende Grundwerte Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit diesen Orientierungsrahmen vor, damit Politik nicht der Beliebigkeit verfällt.
Dabei unterliegt politisches Handeln der Aufgabe, oftmals tagespolitisch reagieren und Kompromisse eingehen zu müssen. Aus dem christlichen Glauben lässt sich kein konkretes politisches Programm ableiten. Aber die Ausrichtung am Menschen gibt uns den Rahmen - beispielsweise für die Gestaltung unseres wirtschaftspolitischen Systems - vor: Wir vertrauen auf die Fähigkeiten und die Talente des einzelnen. Den Menschen ernst nehmen, heißt, die Verantwortung des einzelnen und die Leistung der kleineren Gemeinschaften gemäß dem Prinzip der Subsidiarität zu stärken. Dafür schaffen wir freiheitliche Ermöglichungsräume.
Gleichzeitig ist der Mensch als Sozialwesen eingebunden in die Gemeinschaft mit anderen und auf andere angewiesen. Er muss die Gewissheit haben, dass er in der Not auf die Solidarität dieser Gemeinschaft zählen kann. Daher ist uns die Balance zwischen Subsidiarität und Solidarität, zwischen ermutigendem und ermöglichendem Fördern und Fordern wichtig.
Die Kirchen haben eine unverzichtbare Rolle in unserer Gesellschaft. Auch aus diesem Grund halten wir von CDU und CSU daran fest, dass Kirchen und Staat partnerschaftlich zusammenwirken. Wir möchten, dass christliche Symbole in der Öffentlichkeit präsent und die christlich geprägten Feiertage erhalten bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Alois Gerig